Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto
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Название: Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte

Автор: Louise Otto

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204908

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СКАЧАТЬ zur Geltung zu bringen, gegen die Uebermacht einer entweder kalten oder brutalen Kraft – das sollte kein vergebliches Streben sein bei der allgemeinen Entwicklung. – Dies Ewig-Weibliche, das jetzt nur in der Liebe der einzelnen Individuen, in der wahren Liebe des Mannes zum Weibe, von jenem in diesem erkannt, den liebenden und geliebten Mann »hinanzieht« zu höherer Veredlung, dies Ewig-Weibliche muß in den Frauen zum Bewußtsein und in der Menschheit zur Geltung gebracht werden, damit es nicht nur die Einzelnen, sondern die ganze Menschheit hinanziehe zu höheren Standpuncten, zum Ziel der Vollendung. Ein Ziel, das nur eben dann erreicht werden kann, wenn man die Frauen nicht mehr gebannt hält im kleinen beschränkten Raum, in dem sie verkümmern und ihre edelsten Kräfte niemals selbst kennen und üben lernen, noch weniger sie zur Geltung zu bringen vermögen.

      Also keineswegs damit die Frauen die Männer nachahmen und sich mit ihnen in einen widersinnigen Wettkampf einlassen sollen, sondern damit sie in würdiger Vereinigung in der Ehe miteinander und außer ihr neben einander sich betheiligen an der Arbeit des Jahrhunderts, fordern wir eine veränderte und selbstständige Stellung des weiblichen Geschlechts.

      Und um nun vom Allgemeinen wieder auf das Besondere überzugehen, so müssen wir doch hier darauf verzichten das Thema von der Selbstständigkeit der Frauen erschöpfend zu behandeln, da wir dann hauptsächlich ihre Stellung im Staate betrachten und eine Kritik sämmtlicher Gesetze, mindestens der aller deutschen Staaten schreiben müßten. Haben wir nun auch auf diesen Punkt immer ein ziemlich aufmerksames Auge gehabt, so müssen wir doch gestehen, daß wir nicht alle die betreffenden Paragraphen so vieler deutschen einzelstaatlichen Gesetzgebungen mit ihren öfteren Veränderungen und verschiedenen Handhabungen so genau kennen, welche sich auf die Stellung der Frauen beziehen, daß wir sicher wären, nicht diesen oder jenen kleinen Verstoß zu begehen und daß eine genaue Darlegung weit den uns hier zustehenden Raum überschreiten würde. Wenn wir Dies und Jenes aus Preußen oder Oestreich anführen und als »deutsch« hinstellen wollten, könnten uns Lippe-Detmold oder Liechtenstein vielleicht aus ihrer eignen Gesetzsammlung eines Andern belehren – und so verzichten wir hier ganz auf dieses Kapitel. Haben wir doch die Ueberzeugung, daß es auch auf diesem Gebiet gehen wird wie auf jedem: sobald die Einzelnen ihre Erkenntniß einer Sache gewissermaßen zu einem Gemeingut gemacht, so daß die Begriffe über die Rechte und Pflichten der Frauen, die jetzt noch in einer heillosen Verwirrung sind, sich geklärt haben, sobald wird auch mit den Gesetzen, die jetzt zum Theil noch aus barbarischen Zeiten stammen und auf überwundene Anschauungen sich stützen, eine Aenderung vorgenommen werden müssen. Sie wird kommen wie eine jede gekommen: sobald sie sich als nothwendig herausstellt.

      Um an ein Beispiel zu erinnern: In Nürnberg herrschte im Mittelalter zur Zeit der Kunstblüthe der berühmten Stadt bekanntlich die größte Gesittung und Bildung im Verhältniß zu den andern deutschen Städten. Und selbst in diesem Nürnberg war es Sitte, daß wenn der hohe Rath bei irgend einer Feier im Bankettsaal des Rathhauses ein Festmahl hielt, »den Frauen erlaubt war die Männer dahin zu begleiten und während dieselben bei Tafel saßen hinter deren Stühlen zu stehen, wo denn der Mann, der sich auf diese Weise von seiner Frau bedienen ließ, ihr zuweilen seinen Teller mit den Resten reichte, die sie, hinter ihm stehend, verzehrte.« Ein Fortschritt war es in späterer Zeit, daß den Frauen erlaubt war in der Nebenstube des Festsaals auch an besonderer Tafel zu sitzen, wohin man ihnen die Speisen brachte, die von den Tischen der Männer übrig geblieben. Das nannte man »deutsche Zucht und Sitte« und klagte auch über den Verfall derselben, als die Sitte aufkam, daß sich die Frauen mit unter die Männer setzen »dürften,« wo man ihnen noch jetzt wenigstens bei Tafel den ersten Platz einräumt. Im Hause pflegten die Frauen »in der guten alten Zeit« mit dem Gesinde und den Kindern in der Küche zu essen und den Eheherrn und seinen Gehülfen im Geschäft oder seinen Gästen bei Tische aufzuwarten, ohne sich selbst mit daran zu setzen und gewiß hat diejenige auch als »unweiblich« und »verbildet« gegolten und als eine schlechte Hausfrau, die es zuerst gewagt hat sich des Mittags aus der Küche zu entfernen und an der Seite ihres Mannes Platz zu nehmen! Und diese Reform hat sich so allmälig vollzogen, daß – viele unsrer Leserinnen wohl gar Zweifel in unsern Chronikenbericht setzen und es nicht für glaublich halten, daß je etwas Derartiges möglich gewesen, daß sich die auch damals von den Dichtern verherrlichten deutschen Frauen je eine solche unwürdige Stellung hätten gefallen lassen. Und wenn aber wieder ein paar Jahrhunderte um sein werden, wird es wieder andere deutsche Frauen geben, welche gutmüthig lächeln werden über unsere heutigen Reformbestrebungen und sich nicht werden denken können, daß dergleichen jemals nöthig gewesen, noch weniger begreifend wie viel Kämpfe, wie viel Verketzerungen und Mißdeutungen sie uns gekostet haben! Das ist der große Trost, den die Lehren der Geschichte geben! Aber wir brauchen gar nicht so weit zurückzugehen.

      Die Geschlechtsvormundschaft besteht noch in einigen deutschen Staaten – in andern ist sie abgeschafft. Auch als dies geschah – Sachsen war bekanntlich einer der ersten deutschen Staaten, der sie aufhob, schon in den dreißiger Jahren – ward erst lange darüber debattirt, ob dies nützlich sei oder nicht – ob man die Frauen als mündig vor dem Gericht erklären könne – und es war dies in der That beinahe der wichtigste Schritt nach vorwärts, den die Geschichte der Frauen aufzuzeigen hat, nur daß er eben von den Frauen selbst in seiner ganzen Größe kaum genug gewürdigt ward.

      Die Sache war nämlich die: Der Vater ist der natürliche Vormund seiner Tochter und wenn dieselbe heirathete, so ging diese Vormundschaft auf ihren Mann über. War nun die Frau Wittwe geworden, so mußte sie sich einen Curator wählen, ohne dessen Bewilligung und Unterschrift sie keine Contracte eingehen noch sonst eine gerichtliche Verfügung treffen konnte – ihre Unterschrift allein hatte keine Gültigkeit. Innerlich unselbstständige und beschränkte Frauen fanden diese Einrichtung sehr bequem, sie hatten ja einen Beistand und waren von vielem Nachdenken und jeder Verantwortung befreit; reichen Wittwen z.B., die um Darlehen oder dergleichen angegangen wurden, war es sehr bequem dasselbe mit der kurzen Phrase ablehnen zu können: »mein Curator will es nicht!« Die Demüthigung, die für sie selbst in dieser Antwort lag, empfanden sie nicht – sie war durch das Herkommen geheiligt. Auch kluge Frauen profitirten bei dieser Einrichtung, jene Ausrede blieb ihnen, und damit der Curator nur das wollte, was sie selbst wollten, wählten sie sich dazu entweder einen bewährten Freund oder noch lieber den dümmsten Mann, den sie finden konnten, der sich ohne Widerreden ihren Angaben unterordnete und den sie wohl auch dafür bezahlten. Um das Princip bekümmerten sie sich nicht – es war eine Einrichtung etwa wie in der Presse zur Zeit der Censur. Wir, die wir noch unter Censur geschrieben und gegen sie gekämpft haben, wissen es recht gut, daß es viel bequemer unter ihr sich schrieb – man hatte keine Verantwortung, es gab nicht so leicht Preßprozesse, denn der Censor strich ja was einen solchen hätte veranlassen können – man brauchte sich nicht selbst die eignen Flügel zu beschneiden wie jetzt, wo man sein eigner Censor sein muß – und dennoch wird kein Schriftsteller von Ehre die Censur zurückwünschen, denn sie war ein unmoralischer, entwürdigender Zustand – und eben so wird keine Frau von Ehre die Zeiten der Geschlechtsvormundschaft zurückwünschen.

      Aber leider lassen die Consequenzen dieser Befreiung, dieser in Wahrheit gesetzlich festgestellten Emancipation noch sehr auf sich warten und zwar hauptsächlich mit durch die Schuld der Frauen und ihrer Scheu vor diesen Consequenzen. Man gestattet ihnen Bürgerinnen zu werden, Liegenschaften aller Art zu erwerben und selbstständig zu verwalten, Geschäfte der mannichfachsten Branchen zu etabliren, an jedem Actienunternehmen sich zu betheiligen: – wenn aber irgendwo eine Versammlung und Berathung statt findet in einer dieser Angelegenheiten: so lassen sie sich durch Männer vertreten oder wo es nicht nöthig ist, thun sie vielleicht nicht einmal dies. Und weil sie selbst von dem ihnen zustehenden Recht keinen Gebrauch machen, wird es ihnen stillschweigend, gleichsam von selbst entzogen und dies nachher damit entschuldigt: die Frauen kommen ja doch nicht! – so werden sie nur darum um ihr Recht betrogen, weil sie sich darum betrügen lassen, es nicht zu schätzen, nicht zu wahren verstanden – und man könnte sagen: damit geschieht ihnen ganz recht, wenn nicht es doch einzelne Unschuldige gäbe unter der Majorität der Schuldigen! Doch wir gerathen hiermit in das Gebiet des folgenden Abschnittes, der allerdings an diesen nothwendig sich anschließt; denn die Selbstständigkeit führt zur Selbsthilfe und ohne diese der Einzelnen kann wieder jene für Alle nicht errungen СКАЧАТЬ