Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto
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Название: Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte

Автор: Louise Otto

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204908

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СКАЧАТЬ gerade mit vollem Recht ältere alleinstehende Damen so viel auf Reisen, weil sie dabei ein Glück empfinden, das auf keiner Täuschung beruht und vielleicht die einzige Entschädigung für ein berufsloses Leben ist. Aber selbst solche Damen, die Jugend und Schönheit und alle Ansprüche derselben hinter sich haben, daß man sie allenfalls ruhig ohne Begleiterin reisen sieht, dürfen es kaum wagen mit einem Begleiter zu reisen – obwohl es doch so natürlich wäre sich für fremde Gegenden und gegen fremde Menschen, mit denen das Reiseleben in Berührung bringt, einen Beschützer zu wünschen – es werden sich immer noch Splitterrichter finden, die das als unpassend bezeichnen, was doch gerade das ganz Passende wäre, da wir ja die Männer ohne Widerrede als das »starke Geschlecht« bezeichnen, als die naturgemäßen Beschützer des weiblichen! Es bürgt keineswegs für die Sittlichkeit einer Nation oder Gesellschaft, wenn man in den natürlichsten und einfachsten Dingen etwas Anstößiges findet! wenn man jedes Zusammenkommen von Personen zweierlei Geschlechts beargwohnt, jede Freundschaft zwischen ihnen – selbst dann, wenn beide schon Jugend und Liebe hinter sich haben – als ein unpassendes Verhältniß bespöttelt, wohl gar als ein unsittliches darstellt und verurtheilt. Solche Verurtheilungen und Beargwohnungen, die namentlich in Deutschland zur Tagesordnung gehören, zeigen nur, was es mit den schönen Redensarten von den Männern als den natürlichen »Beschützern« des weiblichen Geschlechts, der reinen Jungfräulichkeit, die ihre sicherste Waffe in sich selbst hat, der innern Würde der Frauen denn eigentlich für eine Bewandtniß hat! All' dem entgegen sagen solche Beargwohnungen, die meist zu den niedrigsten Verleumdungen wachsen: die Männer sind nicht die Beschützer der Frauen, sie sind ihre Verfolger und gerade gegen sie ist Schutz vonnöthen – die Jungfräulichkeit hat keine andere Waffe als die der Flucht, des Versteckens hinter Schloß und Riegel – die Würde der Frauen ist keine innere, die überall sich gleich bleibt, sie ist nur eine äußere, an die Niemand mehr glaubt, sobald der für ihre Aufrechterhaltung nöthige Apparat: häuslicher Heerd, Familie und Geschlechtsgenossinnen, einmal nicht mehr an ihrer Seite ist!

      Die gerühmte Sittsamkeit der deutschen Mädchen und Hausfrauen erscheint sonach als nichts Anderes als das Resultat eines stets auferlegten Zwanges, des Fernhaltens jeder Gelegenheit dawider zu verstoßen – sie ist im besten Falle die Unschuld eines ungeprüften, stets beaufsichtigten Kindes, das die Mutter nicht eher von ihrer Hand los ließ, bis sie ihr Aufsichtsrecht einem Gatten übertragen konnte – im schlimmeren das erzwungene Product einer fast unerträglich befundenen Sklaverei, das sofort vernichtet ist, wenn das gewaltsam aufgezwungene Joch einmal gebrochen wird – in keinem Falle aber ist sie die Tugend eines selbstständigen Wesens, das jeder Leitung und Aufsicht entbehren kann, weil es seiner selbst gewiß ist.

      Dasselbe Beispiel, das wir bei den Jünglingen erleben, die z.B. im geschlossenen Pferch einer klösterlichen Schule sechs Jahre lang durch Zwang moralisch und fleißig erhalten worden sind, dann, wenn die Fessel gebrochen, auf der Universität das flotteste und faulste Leben führen, indem andere, die diesen Zwang nicht kannten, ruhig in den einmal eingeschlagenen besseren Gewohnheiten verharren, das sehen wir auch bei den Mädchen. Diejenigen, die schon immer ein richtiges Maaß von Freiheit genossen, wissen sich auch in ein freies Leben, das ihnen vielleicht durch den Tod der Mutter oder irgend einen Kunstberuf oder einen vorurtheilslosen Gemahl wird, mit jenem weiblichen Takt zu finden, der doch nicht allein angeboren ist, sondern das Resultat wirklich guter Erziehung und eines selbstständigen Charakters, der sich nur bei ihm gelassener Freiheit entwickeln kann, indeß diejenigen, die fortwährend in ängstlicher Obhut und strengster Beaufsichtigung gehalten wurden, nun diese wegfällt, die plötzliche Freiheit leicht mißbrauchen und in vollständiger Haltungslosigkeit durchs Leben taumeln, weil man ihnen bisher nur durch Verhältnisse und Personen einen äußern Halt, nie aber einen innern gegeben.

      In Amerika – das als so materialistisch und nur die Praxis des Lebens beobachtend verschrieen und dem man so gern den idealistischen Ruf Deutschlands und seiner Söhne und Töchter triumphirend entgegenstellt – in Amerika erzieht jede Mutter ihre Tochter so, daß sie dieselbe ohne jede Gefahr allein nicht nur mit andern jungen Mädchen, sondern auch mit jungen Männern verkehren lassen kann. Wenn dort ein junges Mädchen eine Freundin besucht, so wird es ganz natürlich gefunden, daß sie Abends ein junger Mann ihrer Bekannschaft dort abholt, da sie durch die große Stadt nicht allein gehen kann (nicht weil sie dort »feine Herren,« wie bei uns, insultiren würden, sondern weil sie fremdes Gesindel oder Indianer anfallen und berauben könnten) und eben so oft geschieht es, daß er dann noch mit bei den Ihrigen (auch ohne daß die Eltern dabei sind) einkehrt und sich erholt, ehe er allein zurückgeht. Was würde man dazu in Deutschland sagen! Die Amerikanerin weiß sich so zu betragen, daß sich kein Mann die geringste Unziemlichkeit gegen sie zu erlauben wagt und wollte er es thun, so würde er ein für allemal aus der guten Gesellschaft ausgeschlossen und mit der Verachtung Aller, die von seiner Ungezogenheit erführen, bestraft werden. Für das Mädchen aber, das von Niemandem bewacht wird, sondern sich allein bewacht, giebt es keine größere Schande, als wenn sich ein Mann eine Zudringlichkeit gegen dasselbe erlauben konnte – kein Mädchen, das nur irgendwie auf Bildung und guten Ruf Anspruch macht, wird so leicht in diese Gefahr kommen, denn kein Mann ist ehrlos genug die Schutzlose derselben auszusetzen – und wie ist es dagegen in unserem Deutschland, in dem man sich so viel auf Moral und patriarchalisches Familienleben zu gute thut?

      Das gegenseitige Isolirungssystem beider Geschlechter, wie es bei uns in Deutschland immer mehr sich ausgebildet hat, ist gewiß nicht der Weg die Sitten zu verbessern. Kommt man nicht mehr in harmlosem geselligen Verkehr zusammen, vereinigt man sich nicht, um miteinander seine Ansichten und Erfahrungen auszutauschen, so wird jedes Geschlecht sich gerade in seinen schlechteren Eigenthümlichkeiten verknöchern und man wird sich immer weiter von dem wahren Menschheitsideal, das eine Vereinigung der besten männlichen wie der besten weiblichen Eigenschaften und Kräfte ist, entfernen, ja man wird dahin kommen (wo man in der That schon theilweise ist!) daß die Männer in den Frauen nichts sehen als Spielzeuge für ihre Sinnlichkeit und die Frauen in den Männern nur eine passende Partie für sich selbst oder für ihre Töchter. Darauf basirt so ziemlich die jetzige deutsche Geselligkeit, die kaum noch einen andern Zusammenkunftsort für Damen und Herren kennt als den Ballsaal, in den die Mädchen geführt werden, um erst einen Tänzer und dann einen Mann zu erobern, und in dem blasirte Männer sich lieber suchen lassen, als selbst suchen.

      Sind die Mädchen und Frauen nur auf die Unterhaltung ihres eigenen Geschlechts angewiesen, so verfallen sie, namentlich wenn ihnen ein ernsterer Beruf fehlt, in jene Seichtheit und Kleinlichkeitskrämerei, in der so viele geistig befähigte Frauen aus Mangel an jeder Anregung untergehen, während die Männer im gleichen Falle zur Rohheit verwildern und am Ende jede Fähigkeit nicht nur zur Unterhaltung mit einer Dame, sondern auch zum Verständniß eines weiblichen Wesens verlieren. Sind beide Geschlechter einmal in einen solchen Zustand gekommen, so ist es ganz natürlich, daß sie einander, einen flüchtigen, nur auf äußerliche, nicht auf geistige Eigenschaften gegründeten Liebesrausch abgerechnet, gar nichts mehr zu sein vermögen und weder in noch außer der Familie ein Bedürfniß nach würdigem Verkehr miteinander empfinden.

      Auch um diesen edler zu gestalten, ist die größere Selbstständigkeit der Frauen vonnöthen. Wir wünschen deshalb nicht etwa, daß sie den Männern (wie es leider auch schon hier und da geschieht) in die öffentlichen Restaurationen folgen und dort in einer Atmosphäre von Cigarrenrauch, Wein- und Bierdunst, sich in die oft sehr weniger baulichen Wirthshaus-Gespräche und -Witze der Männer mischen – jedenfalls kann jede Frau daheim bei einer anregenden Lektüre, angenehmen oder nützlichen Arbeit oder im Kreise ihrer Kinder ihre Zeit besser verbringen, aber wir wünschen, daß sie es vermöge den Mann wenigstens zuweilen an eine durch ihr vorsorgliches Walten verschönte Häuslichkeit zu fesseln, daß sie ihm in jeder Beziehung das nächste Wesen auf der Welt sei, also auch das, mit dem er seine Berufs- und öffentlichen Angelegenheiten zuerst und am liebsten berathe. Nur solche Ehen sind für uns sittliche und glückliche, in welchen die Gattin die Freundin und gleichsam das Gewissen ihres Gatten ist, wie er das ihrige, wie er ihr Freund. Ein Mädchen, das zur Selbstständigkeit erzogen, wird keine andere Stellung im Hause einnehmen, es wird nicht die bloße Haushälterin, noch die Puppe, noch die Leibeigene und Sklavin des Mannes sein – es wird den Platz an seiner Seite dadurch zu verdienen wissen, daß СКАЧАТЬ