Название: Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte
Автор: Louise Otto
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027204908
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Ich war still unter der heiter scherzenden Gesellschaft – aber daheim konnte ich nicht eher schlafen bis ich ein Lied geschrieben »Einst und jetzt« mit den Schlußversen:
Seht dort den Greis in dünnen Silberhaaren,
Indeß die Wagen fliegen hört sein Flehen:
»Nun Herr laß Deinen Knecht in Frieden fahren
Nun er die Wunder dieses Tags gesehn!«
Er ahnt es wohl, doch wußt er's nicht zu sagen
Als ihn Bewunderung auf's Knie gesenkt:
Es weht ein neuer Geist um diese Wagen, Der rastlos fort auf Eißenschienen drängt! Rings lärmt er auf zum rüstigen Bewegen Und dieses Läuten ruft: Habt Acht: habt Acht! Mit jeder Schiene, die sie weiter legen Wird neues Leben in die Welt gebracht. Und eh sie noch die Gotteskraft verstehen Sind sich die Völker jubelnd nahgebracht Und lassen ihre Freiheitsbanner wehen Und durch die Lüfte saust's: Erwacht! Erwacht!«
Gönne man und vergönne man einer Frau meines Alters diese Errinnerungen – nicht allein als Beweise, daß sie schon im zarten Mädchenalter sich ein Wenig auf ihre Zeit verstand, oder daß sie, wenn auch nur »ahnungsvoll«, wie man das ja gemeinhin den Frauen zuschreibt oder ihnen allein vergönnen will, den Blick vertrauend und prophetisch in die Zukunft – in die Zukunft ihres Volkes, ihres Geschlechtes und der Menschheit richtete und Manches sah und empfand, was der Verstand der Verständigen nicht sah, was ihnen darum als Phantasie galt, als Schwärmerei im besten Falle – sondern auch als Trost: daß auch ihre jetzigen Zukunftshoffnungen, die gerade so wie jene belächelt, verspottet, bekämpft und selbst von Wohlmeinenden nur mit Achselzucken vernommen werden, in aber dreißig, funfzig Jahren nicht allein Wirklichkeit geworden, sondern von derselben noch überflügelt sein werden –: wir meinen die Ziele der Frauenbewegung, die Ueberzeugung, daß es über kurz oder lang doch zur vollständigen Gleichberechtigung beider Geschlechter kommen müsse, so daß man gerade so, wie man jetzt sich wundert, wie man einst geduldig und fröhlich im Postwagen reisen konnte und wenn man auch schon von der englischen Eisenbahn hörte, doch fest überzeugt war, daß dergleichen sich in Deutschland nicht verwirklichen werde, noch daß man je selbst auf einer fahren würde – sich dann auch wundern wird, wie die Frauen je die heutige Nichtbeachtung vor Gesetz und Staat, die Zurücksetzung, die Schranken in Bezug auf ihre Bildung, ihren Wissensdrang, ihre Selbstständigkeit ertrugen – und wie sie so ängstlich und bescheiden nur begonnen auf »neuen Bahnen« zu wandeln – und wie es von uns selbst sogar ein Wagniß war, ein Frauenorgan zu gründen und so zu nennen, indeß wir doch uns schon um jener Erfahrung und der damit verknüpften Hoffnung Willen diesen Titel mit geheimer Simbolik wählten – die vielleicht Vielen noch gar nicht klar geworden!
Nicht minder freudig wie die erste Locomotive in meiner Heimath, ward auch – nicht lange vorher – das erste Dampfschiff auf der Elbe begrüßt. Als es da zuerst fröhlich läutend und grün und weiß bewimpelt daher gefahren kam, wo der Strom unweit unsres Weinberges vorüberfloß, da hatten auch wir dort die Flagge aufgezogen und wir Schwestern standen weißgekleidet am Ufer, wehten mit unsern Tüchern, und warfen Blumen hinüber – es war dies eine von uns improvifirte, nicht etwa irgend eine officielle Huldigung, und als wir ein paar Tage darauf selbst mit der »Saxonia« fuhren, so ward dies wieder zu einem außerordentlichen Genuß. Freilich – wenn auch ein Schiff, das nicht, wie an der Elbe damals üblich, von Menschen gezogen zu werden brauchte, mit den plätschernden Radwellen und der funkensprühenden und eine Rauchsäule entsendenden Esse und nun überhaupt in so zierlicher Bauart und Ausstattung ein sehr holder Anblick ist, daran ich mich heute noch gern erfreue: die weißen Segel – in deutscher oder römischer Weise gespannt – waren doch eine romantischere Erscheinung, die nun immer seltener wird, seit auch die Güterschiffe durch Kettendampfer befördert werden. Aber auch damit ist ein gutes Theil weiße Sklaverei und Rohheit aus der Welt gekommen! Wie es entwürdigend war, Menschen – wie anderwärts die Pferde – so zum Ziehen zu verwenden, so waren auch diese erniedrigten Menschen die gemeinsten und von allen Frauen gefürchtetsten. Es war in meiner Kindheit und Jugend bedenklich, an den Elbufern – die damals sehr vernachlässigt waren – auf den sogenannten »Leinenpfaden« zu wandern, welche die Schiffszieher, an die Leine gespannt und mit großen Stöcken, die sie vorwärts einstämmten und dazu oft im Takt das Schiffs »Hoi-ho« sangen, beschritten. Man suchte da immer eine Stelle zu erreichen, wo der Weg breiter ward oder sonst eine Gelegenheit zum Ausweichen sich bot. Allein, merkten sie diese Absicht, so machten sie rohe Bemerkungen, sperrten den Weg und suchten ihre Knüttel neckend zu gebrauchen. Ohne Schimpfworte und lautgerufene Zoten ließen sie selten Jemanden vorüber. Auch diese Zunft hat bald ihre Endschaft erreicht, auch diese Beleidiger der Frauenwürde werden bald nur noch der Culturgeschichte angehören. Die Fortschritte der Gesittung und damit das Aufhören der Verletzung der Sitte und speciell weiblichen Anstandsgefühls bemerkt man am Meisten, wenn man sich dessen erinnert, was in diesen Beziehungen noch vor dreißig Jahren ungestraft hingehen durfte und gleichsam als das Privilegium dieser Menschenclasse betrachtet ward. Man bekam von ihnen Worte zu hören, die seitdem selbst aus der gemeinen Volkssprache fast ganz verschwunden sind.
Je mehr die Menschen aufhören niedrige Dienste zu verrichten und erniedrigende Behandlung zu erfahren, je mehr schreitet auch ihre Bildung und Gesittung vorwärts, Seit der Dampf einen großen Theil der Menschenarbeit übernommen hat, geschieht dies täglich mehr und mehr – die Menschen können sich ihrer Menschenwürde bewußt werden – und dabei darf und kann denn auch auf die Länge daß Bewußtsein der Frauenwürde nicht ausbleiben – und zwar von beiden Seiten. Jeder Mensch hat einen Selbstzweck, auch die Frau hat den ihrigen und beginnt ihm zu erkennen.
Es ist wahrlich anders geworden in der Welt und wie das Licht das Streichhölzchen in die Wirthschaft, in das Haus neuen, ungeahnten Segen trug, so trägt ihn der Dampf in die Volkswirthschaft in das ganze öffentliche Leben und die erste Locomotive ward der Bahnbrecher einer neuen Aera für Alle.
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