Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto
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Название: Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte

Автор: Louise Otto

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204908

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СКАЧАТЬ Zeit eines patriarchalischen Familienlebens können wir allerdings nicht wieder heraufbeschwören, wie es noch zur Zeit unserer Großeltern gewesen sein mag, als sich das ganze Leben noch mehr auf das Haus beschränkte und die herrschende Einfachheit wie Wohlfeilheit des Lebens eine größere Gastfreundschaft gestattete. Damals war man überhaupt mit allen seinen Vergnügungen, namentlich aber mit der ganzen Geselligkeit mehr auf das Haus angewiesen. Das Reisen war noch eine so zeitraubende, beschwerliche, jedenfalls kostspielige Sache, daß nur die wenigsten Personen es sich gestatten konnten. Wenn getrennt wohnende Verwandte oder Freunde einander einmal aufsuchten, so war dies ein Ereigniß, dem zu Ehren man gewöhnlich alle möglichen Familienfeste veranstaltete, sie wurden im eignen Hause untergebracht und so lange wie möglich behalten. Nur auf ein paar Tage zu kommen wog ja auch die Strapazen und Kosten der Reise nicht auf, man kam dann gleich auf Wochen und brachte so seine Ferien bei den Gastfreunden zu. Dampfwagen, Dampfschiffe, Omnibusse und all' diese erleichternden Verkehrsanstalten, welche die Eisenbahnen nur als Corridore erscheinen lassen, die aus einem Zimmer in das andere führen, gab es nicht und wer nicht mit eignen oder noch theureren Miethequipagen einen Ausflug von einem Tag oder Nachmittag machen konnte, mußte zu Hause bleiben oder sich auf die Punkte beschränken, die er mit seinen Füßen erreichen konnte. All' das Geld, was jetzt des Sonntags auf den Extrafahrten der Dampfwagen und Schiffe verthan wird – und die statistischen Angaben derselben, der Einnahmen, welche die Wirthe ja überall an den auf diesen Wegen zu erreichenden Punkten machen, noch gar nicht zu gedenken, weisen es nach, daß dies nicht wenig ist – alle diese Vergnügungsausgaben fielen sonst weg und wenn man sich die Mühe nehmen wollte es auszurechnen, würden die Summen, welche jetzt auf diese Weise im Kleinen verausgabt und im Großen verschlungen werden, gewiß nicht nur nicht kleiner sein als diejenigen waren, die man sonst auf häusliche Geselligkeit verwendete, sondern sie würden auch unter den jetzigen Verhältnissen ausreichen eine sehr respectable herzustellen. Indeß, der Geist der Zeit drängt einmal aus dem Hause und seiner Beschränktheit hinaus in den Strom des Lebens, der Einzelne verläßt seine Gesondertheit und begiebt sich unter die Menge, Jeder denkt nur daran wie er sich selbst, nicht wie er Andere unterhalte, der Einzelne begiebt sich unter die Gesammtheit und verfolgt doch in ihr nur sein Einzelinteresse wie jeder Andere neben ihm – möge man denn auch eben so die Frauen das Ihrige verfolgen lassen. Der Dampf und die Eisenbahnen haben eine nivellirende Macht – hier sind in Wahrheit Alle gleich und das möge man für alle Verhältnisse des Lebens berücksichtigen.

      Und damit ist uns nicht nur die patriarchalische Gastfreundschaft unsrer Voreltern, sondern es sind auch so ziemlich jene ästhetischen Cirkel und Salons verloren gegangen, in denen sich sonst die Geistreichen und Gebildeten beider Geschlechter zusammenfanden. Auch sie sind nicht wieder in's Leben zu rufen, weil der gesteigerte Luxus und alle damit verbundenen Ansprüche solche Ausgaben nur noch den reichen Leuten gestatten – und die reichen Leute nicht immer diejenigen sind, die den »Geist« selbst in sich tragen oder doch um sich zu haben wünschen. Wir könnten freilich auch hierbei sagen wie bei den Reisen und Extrafahrten, daß wenn manche Familien das, was sie in Restaurationen verthun, darin eben nicht verthun wollten, sie für das nämliche Geld sehr wohl zuweilen einen kleinen Kreis von Bekannten und Freunden bei sich sehen könnten. Aber nicht die Gesellschaft allein – das gemeinschaftliche Wirken im Dienst des Allgemeinen ist es, in dem die neue Zeit zu fordern hat, daß Männer und Frauen einander darin begegnen, im vereinten Streben sich zur Seite stehen. Ein solches gemeinschaftliches Wirken, wo es der Beruf der Einzelnen mit sich bringt, muß in allen Consequenzen zu erreichen sein, ohne daß die Männer es wagen dürfen, ja nur den Trieb dazu in sich spüren, über die Frauen zu witzeln, die sich ihnen durch ihre Fähigkeit und ihr Wirken ebenbürtig zur Seite stellen. Die kleinliche Schüchternheit der Frauen muß dem Gefühl ihrer Selbstständigkeit weichen und die Männer müssen sie als ihre Collegen ehren, ohne die Rücksichten aus den Augen zu setzen, die sie dem schwächeren Geschlechte schon nach den Gesetzen der Natur schuldig sind.

      Wir sind ganz und entschieden dagegen, wenn eine Frau, selbst an der Seite ihres Mannes – und nun gar wenn Frauen allein oder überhaupt Mädchen es thun wollten – jene Stadtrestaurationen besucht, welche allabendlich die Unterhaltungsstätten der Männer sind. Wir sprechen natürlich nicht von den Orten, die nur der Ziel- und Ausruhepunkt eines Spazierganges sind, sondern von jenen Lokalen, in denen die Männer zusammenkommen um ihre Abende hinzubringen. Wenn wir auch weit entfernt sind etwa dagegen zu eifern daß die Männer dies thun, – obwohl wir es, namentlich bei verheiratheten Männern, nicht schön finden wenn es täglich geschieht, einmal weil eben die Traulichkeit des Ehe- und Familienlebens darunter leidet, dann aber auch, weil so mancher Mann allein durch das Kneipenleben seine Gesundheit und seine Finanzen gründlich ruinirt hat, – so finden wir es doch in der Ordnung, daß der Mann zuweilen an solchen Orten ungenirt mit seinen Freunden verkehre, daß er Bekannte und Freunde dort treffe, die er wo anders nicht sehen könnte. Es sei ihm immerhin Bedürfniß in solcher Weise mit seinen Geschlechtsgenossen sich zusammenzufinden, wie es den Damen ja auch Bedürfniß ist sich zuweilen im traulichen Kreise mit ihren Freundinnen zu begegnen. Aber wenn die Damen die Männer dahin begleiten, wenn sie auch so ihr Vergnügen außer dem Hause suchen und noch dazu an Orten, welche die Männer gerade darum gern betreten, weil sie sich in ihnen frei von jedem Zwang, jeder Rücksicht wissen, weil sie dort Niemand geniren und eben so wenig vor Jemand sich geniren wollen – so finden wir darin allerdings etwas der weiblichen Natur ganz Zuwiderlaufendes sich mit in solche Gesellschaft zu begeben, wo sie gewissermaßen nur die Geduldeten sind und wo es nicht – wie in ihren Privatkreisen – in ihrer Hand ist den herrschenden Ton zu regeln und Hüterinnen der Sitte zu sein. Als vor ziemlich zwei Decennien die Frage der Frauenemancipation zuerst discutirt ward, suchten einige Damen bekanntlich die Bethätigung darin, daß sie die Schranken zarter Sitte übersprangen und es – nicht im Ernst des Strebens und der Arbeit, sondern nur in äußeren Gewohnheiten und Sitten – den Männern gleich zu thun suchten. Sie verbrachten in der Mitte derselben Tag- und Nachtstunden in solchen öffentlichen Lokalen, sie rauchten und tranken mit ihnen um die Wette, kleideten sich zuweilen auch wie sie und ahmten wie gesagt das männliche Geschlecht und zwar nicht einmal in seinen guten Sitten, sondern nur in seinen Unsitten nach. Ein solches Gebahren brachte für lange Zeit die ganze Sache der Frauenemancipation in Mißcredit und wenn man über dieselbe schreiben will, hat man immer noch nöthig, sich gegen jenes Gebahren zu erklären und zu verwahren. Wie im Allgemeinen, so auch in diesem besonderen Falle. Wir wollen, daß die Frauen den Männern ebenbürtig und gleichberechtigt zur Seite stehen, aber nicht, daß sie je dabei ihre Weiblichkeit verläugnen, noch irgend eine Verletzung derselben dulden. Und um das nur an einem Beispiel zu zeigen: wir mißbilligen es, wenn sich eine Dame da, wo es sich nur um Vergnügen und Unterhaltung handelt, unter die Männer drängt und zu diesem Zweck öffentliche Lokale besucht – aber wenn sie das letztere thut durch die Umstände und ihre Berufsverhältnisse genöthigt, so finden wir durchaus nichts Unpassendes noch Unweibliches darin und ist dies nur eine Consequenz derjenigen Selbstständigkeit, welche wir anstreben. Wenn z.B. ein Mädchen durch ihren Beruf aus dem Hause geführt wird, so wird es nicht nur einen vielleicht weiten Weg zu den verschiedensten Tageszeiten allein zurückzulegen haben, sondern es wird vielleicht auch nöthig sein, daß es, um Zeit und Weg zu sparen, das Mittagbrod außer dem Hause einnimmt. Es muß Sitte werden, daß sie das in jedem anständigen Lokal, das an ihrem Wege liegt und dessen Speisekarte und deren Preise ihren Verhältnissen entsprechen, thun kann, ohne deshalb verwunderten Blicken zu begegnen, die sie wie eine Landstreicherin betrachten. So gut sie das in jedem Badeort thun kann, muß sie es auch in ihrem Wohnort thun können. In Städten mit starkem Fremdenverkehr, wie z.B. Dresden, ist es auch bereits ganz üblich geworden, daß alleinstehende Damen allein außer dem Hause speisen, es giebt da sogar mehrere Restaurationen mit besondern Damenzimmern und Damen-table-d'hôte, aber es fällt auch Niemandem auf, wenn einzelne Damen an Tafeln erscheinen, wo eine aus Herrn und Damen gemischte Gesellschaft zu speisen pflegt, denn man ist eben daran von beiden Seiten gewöhnt – in vielen andern deutschen Städten aber, selbst größeren Residenzen, ist man noch nicht so weit vorgeschritten. Ebenso hat man dort Conditoreien, Caffé's und Conzerte, die, weil der Tabacksrauch aus ihnen verbannt ist, vorzugsweise das weibliche Geschlecht anziehen und deshalb auch von jeder Dame allein besucht werden können, ohne daß sie sich einer Mißdeutung aussetzt.

      All' dies setzt eben auch schon eine ökonomische СКАЧАТЬ