Название: Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte
Автор: Louise Otto
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027204908
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Im Beruf der Kindergärtnerinnen und in der Pflege des Kindergartens ruht ein wichtiges Moment zur Selbsthilfe der Frauen und es sollte mehr benutzt werden als es bisher geschehen, da es ja der geniale Gedanke Friedrich Fröbels war: hier die zarten Kinder spielend zu entfalten, den ersten Grund zu künftiger Selbstständigkeit, zu sittlichen Grundsätzen zu legen, die naturgemäße Entwicklung aller Fähigkeiten des Kindes, des ganzen Menschen anzubahnen. Nicht allein Mädchen, die sich dann als Kindermädchen vermiethen wollen, nicht allein solche, die sich dem Beruf des Kindergartens ganz zu widmen gedenken, entweder als Gehilfinnen oder als Dirigentinnen und Eigenthümerinnen eines Kindergartens, sondern auch andere Mädchen, die dies nicht speciell zu ihrem Beruf wählen, könnten hier lernen und wirken. In Hamburg, wo wie in Leipzig Kindergärten bestehen, welche zugleich Vorbildungsschulen für Kindermädchen und Kindergärtnerinnen sind, ist der Vorschlag gemacht worden, daß alle jungen Damen hier nach vollendeter Schulzeit einen Cursus durchmachen und so zugleich nicht nur die beste Vorbereitung zu der Erziehung eigner Kinder, sondern auch für ihre oft nutzlos verbrachten Mädchenjahre einen Lebenszweck finden möchten. Wir unsrerseits finden diesen Vorschlag für künftige Gouvernanten und Mütter sehr zweckmäßig – aber da einmal nicht alle Mädchen beides werden, so empfehlen wir ihn doch nur da, wo er keinem andern Lebensberuf hemmend in den Weg tritt. Viel eher möchten Bräute und junge Frauen einen solchen Cursus durchmachen, als Mädchen, die vielleicht den natürlichen Beruf verfehlen und von denen wir eben verlangen, daß sie sich auf einen solchen vorbereiten, der ihnen zu einer selbstständigen Existenz verhilft. Gewiß giebt es keine Mutter, die ihr Kind nicht liebt, wenn sie nicht anders ein ganz unwürdiges Geschöpf ist – aber gewiß giebt es viele Mädchen, die andere Fähigkeiten und ein anderes Streben in sich tragen als sich mit Kindern zu beschäftigen, und warum will man da mit Gewalt sie zu etwas zwingen, was nicht in ihnen liegt? Wir wollen nicht, daß die Frauen einzig und allein zu Hausfrauen erzogen werden, weil sie dann unglücklich und unfähig für Alles sind, wenn sie es nicht werden, und ganz dasselbe gilt von der Erziehung zur Mutter schon im frühesten Lebensalter. Beides kann von jedem befähigten weiblichen Wesen, dessen Anlagen allseitig ausgebildet sind und das so zu sagen Kopf und Herz auf der rechten Stelle hat, nachgeholt werden, sobald es gebraucht wird, während die Vorbereitungen zu einem andern Beruf, dem man seine Existenz verdanken will, nicht, wie wir schon gezeigt haben, erst da vorzunehmen sind, wo die Nothwendigkeit sich selbst zu erhalten wie ein plötzlicher Schrecken die darauf nicht Vorbereiteten überfällt.
Konnte man vor zwanzig Jahren noch klagen, daß aller weibliche Unterricht mit der Confirmation aufhöre und daß in einem Alter, wo die Mädchen erst zu denken anfingen, sie der Schule entrissen wurden: so sind jetzt fast überall Fortbildungsschulen wenigstens »für die Töchter höherer Stände,« d.h. selbstverständlich solcher, die es bezahlen können, errichtet worden und in zahlreichen Mädchenpensionaten wird nicht mehr, wie es früher der Fall war, nur jener auf äußere Politur berechnete Unterricht ertheilt, der meist nur in fremden Sprachen gipfelte, sondern es sind alle möglichen Gegenstände mit in sein Gebiet gezogen worden. Nun werden zuweilen wieder – und zwar nicht nur von den Anhängern der guten alten Zeit, in der es nicht nöthig oder wohl ein Wunder war, daß ein Mädchen richtig schreiben konnte, sondern auch von fortschrittfreundlicher Seite dagegen Einwendungen erhoben und es heißt, daß die Mädchen überbildet würden, daß man Gelehrte aus ihnen machen wollte und daß sie doch von dem gewonnenen Unterricht nur sehr wenig profitirten. Ohne einzeln an jenen Instituten mäkeln zu wollen und ohne, weil es viele sehr oberflächliche, nur auf Gewinn berechnete unter ihnen giebt, gegen alle eifern zu wollen, sagen wir, daß es doch eben so oft nur an der Anschauung liegt, mit welcher die Mädchen von ihren Müttern in die Pension geschickt werden und mit welcher sie selbst dahin kommen, wie an den Instituten, wenn die Mädchen verbildet werden. Die meisten Institute richten sich nach den Bedürfnissen und Ansprüchen der Zeit – sie bieten das, was am Meisten verlangt wird, was geeignet ist ihnen die meisten Schülerinnen zuzuführen. Privatunternehmungen können kaum nach einem andern Grundsatz bestehen.
Was wird aber verlangt? – In vielen Fällen eigentlich geradezu gar nichts! Man schickt die Mädchen eben nur in eine Pension weil es so Mode ist, weil es andere, namentlich vornehmere Bekannte auch thun, weil sie zu Hause im Wege sind, weil man ihnen so über die Zeit des sogenannten »Backfischthums,« wo sie nicht wissen ob sie sich zu den Kindern oder den Erwachsenen halten sollen, hinweghelfen will. Nach solchen Anschauungen sollen sie also in einer Pension nur gut aufgehoben sein – und das, was sie etwa dort lernen, wird als Nebensache betrachtet. In andern Fällen wünscht man wieder nur, daß sie mit dem Nimbus feinerer Bildung die Pension verlassen, wohl auch, daß sie viel lernen, um dann mit Kenntnissen und Künsten in der Gesellschaft prunken und dilettiren zu können. Und so kommen wir wieder auf das zurück, was wir gleich im ersten Abschnitt als Hauptfehler bezeichneten: es fehlt bei der weiblichen Bildung jeder Ernst und jeder Plan, es sei denn der einzige: sie um jeden Preis so zu gestalten, daß sie dem Mädchen zu einem Manne verhilft.
Sonach ist das Wichtigste freilich, daß Mütter und Töchter gleicher Weise zu der Ueberzeugung gebracht werden, daß ein Mädchen das vorzugsweise lerne, was ihrem Fortkommen in der Welt am Besten nützen kann, das zu Lernende nicht nur als leichten Aufputz, von dem es gleich sei wie lange er aushalte und welchen Grad er erreiche, betrachte, sondern mit demselben Ernst wie der Jüngling: als nothwendige Aufgabe ihres Lebens. Sich selbst zu der Anschauung zu erheben, daß kein Mädchen ihre Jugend mehr nutzlos verschwenden dürfe, daß auch sie einen Selbstzweck habe, daß auch sie sich so vorbereiten müsse, um nicht nur in einem Fall, der vielleicht gar nicht eintritt, sondern auf alle Fälle ein nützliches und Niemandem zur Last fallendes Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu werden – in dieser Anschauung und ihrer Verbreitung liegt der hauptsächlichste Anfangspunkt der weiblichen Selbsthilfe. Ihr Geltung zu verschaffen sollte das Hauptbestreben jedes weiblichen Wesens sein, das nicht mehr sich selbst und ihr ganzes Geschlecht dem Spiel des Zufalls preisgegeben sehen will.
Nach dieser Anschauung zu handeln ist die Selbsthilfe, mit der jedes Mädchen, jede Frau an sich selbst zu beginnen hat. Eine jede, die ohne dafür eine nützliche Gegenleistung zu thun, sich von Andern ernähren läßt, möge dies als dieselbe Schande empfinden, welche der Mann empfindet und sie möge ihr zu Theil werden wie ihm, der arbeitskräftig ist und doch in Müssiggang und Erwerbslosigkeit seine Tage verbringt. Ist dieser Grundsatz nur allgemein, so werden sich dann weitere Consequenzen aus ihm entwickeln. Aber er kann sich um so langsamer Bahn brechen, je mehr Vorurtheile sich ihm entgegen stemmen. Mit Wort und That und eignem Beispiel muß jede Frau diese bekämpfen, wo immer sie von ihr gefunden werden.
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