Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto
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Название: Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte

Автор: Louise Otto

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204908

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СКАЧАТЬ die Geschlechtsvormundschaft (die in Sachsen zu Anfang der dreißiger Jahre abgeschafft ward, in vielen andern deutschen Staaten aber noch als Hohn aller Gesittung besteht) die Frauen den Kindern gleich stellte, so galt es z.B. überall für passend, daß die Damen von den Herren, nicht nur von ihren Vätern und Männern, sondern auch von Andern, unter deren Schutz sie sich begaben, frei gehalten wurden, oder daß sie, was beinah noch empörender war und namentlich in Gartenconzerten vorkam: gar kein Entrée bezahlten. Mag es sein, daß dies ein Rest von Galanterie aus früheren Zeiten war – in der Nüchternheit der fortgeschrittenen Zeit stand diese Einrichtung in grellem Widerspruch mit der übrigen Rücksichtslosigkeit, welche man gegen das weibliche Geschlecht eingeführt hatte und stellte dasselbe auf eine Stufe mit Kindern und Hunden, welche auch das gleiche Recht hatten, in Begleitung von Herren zu erscheinen, und es kam allmälig dahin, daß man die Damen eben so ungern kommen sah wie jene, da sie nur Platz beanspruchten ohne die Einnahme zu erhöhen. So führte man denn auch hierin eine sociale Gleichstellung durch den Finanzpunkt ein – und es ist nun die weitere Consequenz, daß die Frauen, nachdem man ihnen sehr gern das Recht überall selbstständig zu zahlen zugesprochen, auch das erhalten selbstständig zu erwerben, über das Erworbene zu verfügen und noch sonst alle Rechte, die sich an das Zahlen bei den Männern knüpfen. –

      Ein Mädchen, das sich einer Kunst gewidmet hat, das ein offnes Geschäft verwaltet oder darin thätig ist, das im Eisenbahn-, Post- oder Telegraphen-Bureau u.s.w. mit dem Publikum in Berührung kommt, kann selbstverständlich dabei nicht fortwährend unter der Aufsicht einer älteren Dame sein – man wird sich also daran gewöhnen müssen, ihr auch ohne dieselbe mit Achtung zu begegnen und sie wird ganz von selbst lernen eine Haltung anzunehmen, welche sie vor jeder unwürdigen Begegnung schützt. Sind auch die meisten deutschen Männer weit davon entfernt im schwächeren Geschlecht auch wirklich immer das zartere zu ehren und ihm demgemäß zu begegnen, so wird doch allgemein die Erfahrung lehren, daß die Frauen und Mädchen, die entweder aus übertriebener Schüchternheit oder Prüderie vor jeder männlichen Anrede schon wie vor einem Verbrechen zurückweichen und diejenigen, die den Männern in einer Weise entgegenkommen, die keinen Zweifel darüber läßt, daß sie ihre Aufmerksamkeit erregen möchten – auch allein den Zudringlichkeiten der Männer ausgesetzt sind, indeß diese ein zugleich sittsames aber unbefangenes Betragen, das die Frucht eines edlen Selbstgefühls ist, ganz von selbst im Zaume hält. Als Berufsgenossinnen werden die Männer die Frauen ehren, wenn sie dieselben in einem Beruf tüchtig finden – Liebe, Gefallsucht und Sinnlichkeit werden nicht mehr die einzigen Triebfedern des Verkehrs zwischen Männern und Frauen sein – man wird sich in gemeinschaftlichen Unternehmungen kennen lernen, im Streben nach bestimmten Zielen begegnen und jedenfalls wird man gegenseitig ein richtigeres Bild von einander erhalten, wenn eines das andere bei seiner Arbeit, seiner Berufsthätigkeit beobachten kann, als wenn man sich nur im gesellschaftlichen Putz im Salon vorgestellt wird. Man wird auch auf diesem Wege sich kennen und lieben lernen und glücklich verheirathen. Sollten also etwa die Heirathslustigen beider Geschlechter bange sein, daß ihnen bei einer so veränderten Gestalt der Dinge die Gelegenheit fehlen würde, ein passendes Eheband zu schließen, so bedarf es nur einiger Ueberlegung um sich zu sagen, daß man beiderseits vielmehr vor Täuschungen und Enttäuschungen bewahrt sein wird, wenn man im Ungefähr des Geschäfts- und Berufsverkehrs sich kennen lernte statt im Ballsaal, den jedes Mädchen nur betritt um zu gefallen und wo es die gesellige Pflicht aller darin Erscheinenden ist sich einander in jeder Beziehung nur von der liebenswürdigsten Seite zu zeigen.

      Der Selbstständigkeit des weiblichen Geschlechtes widersetzen sich viele Frauen und Männer nur darum, weil sie meinen das Familien- ja das Staatsleben könne darunter leiden, die Frauen könnten die schönsten Eigenschaften weiblichen Wesens verlieren wenn sie mehr als bisher zur Selbstständigkeit erzogen, wenn sie in Wahrheit selbstständig würden. Wir aber erwarten gerade das Gegentheil davon, wenn nämlich, wie schon angedeutet, die Erziehung auch eine solche ist, wie sie sein soll, eine, welche den Charakter zu unterstützen sucht und weder das Gemüth noch den Verstand einer einseitigen Ausbildung unterwirft. Gerade die Biographieen geistig hervorragender, wirklich selbstständig gewordener Frauen lehren uns, was uns auch die Erfahrung alle Tage lehren kann, daß dieselben zugleich die besten Gattinnen und Mütter waren, lehren uns, daß sie reich waren an Opfern, an Liebe und Begeisterung sowohl für einzelne ihnen nahestehende Menschen, wie für die Menschheit und ihre großen Zwecke selbst, während es gerade die auf einen kleinen Kreis angewiesenen, in Unmündigkeit gehaltenen Frauen sind, welche von dem engherzigsten Egoismus beherrscht, der nie weiter sieht als über die Grenzen des Hauses, zum Hemmschuh oft auch für das edelste Streben der besten Männer, ja daß sie geradezu oft zum Fluch, zum Verderben derselben werden. Eine Frau, welche keine andere Welt kennt und kennen darf als die ihres Hauses, wird auch stets beflissen sein den Mann da zurückzuhalten, wo er im Begriffe ist diese kleinen Interessen denen seines Vaterlandes, seines Berufes unterzuordnen. Sie wird ihn zurückhalten mit jenem Schein von Recht und Gewissen, den gerade ihre Beschränktheit um sie gebreitet – sie wird ihm sagen, daß er zuerst an seine Familie denken müsse, ehe er weiter strebe, daß er pflichtvergessen handele, wenn er etwas thue was seiner Familie d.h. seiner Stellung in Amt und Würden oder seinen Finanzen schaden könne. Und sie wird vollständig im Rechte sein so zu urtheilen und zu handeln, so lange ihr selbst kein Verständniß aufgegangen ist für höhere Interessen, so lange sich ihre Familienliebe nicht zur Vaterlands- und Menschheitsliebe erweitern konnte.

      Nicht darum wollen wir das Weib aus dem beschränkten Raume des Hauses und einem in seiner Stille geführten Traumleben hinaustreiben in die größeren Kreise des wirklichen Lebens, damit es seine schöneren Eigenschaften im Lärm eines realistischen Treibens verliere: – sondern wir wollen dies gerade darum, damit es in diesem jene zur Geltung bringe, sich ihrer bewußt werde und nicht allein am häuslichen Heerd, sondern auch am Opferaltar im Tempel des Vaterlandes die priesterliche Hüterin der heiligen und heiligenden Flamme der Begeisterung sei, ohne welche die ganze Menschheit verloren ist! Denn die Fähigkeit der Begeisterung ist jenes Ewig-Weibliche, das wir als die schönste Mitgabe des weiblichen Geschlechts betrachten, das Ewig-Weibliche, das nicht allein die Männer, sondern die ganze Menschheit höher hinanzieht zum Ziel der Vollendung. Denn nur durch die edlere Gestaltung des Familienlebens, welches die Grundlage des Staatslebens ist kann dieses selbst sich in würdiger Weise entfalten. Nur durch das gemeinsame Wirken von Mann und Weib, nur durch die Gleichberechtigung beider Geschlechter in allen Dingen, wo nicht die Natur, die Mann und Weib verschieden schuf, eine Grenze setzte, kann das Menschheitsideal endlich erreicht werden, dem bewußt oder unbewußt die Völker entgegenstreben.

      Denn noch einmal sei es wiederholt: wir stellen nicht etwa die Forderung an das Weib, daß es von der angebornen Eigenthümlichkeit seines Wesens etwas ablege, sondern daß es nur Raum und Freiheit gewinne dieselbe ganz zu entfalten, daß es nicht um jeden Zollbreit Raum zur eignen Entwicklung, um jeden Leben und Odem bringenden Odemzug in freier Luft erst mit dem stärkeren Geschlecht zu kämpfen habe. Dies Recht, das jedem Geschöpfe von dem Schöpfer zugetheilt worden, nimmt auch das Weib für sich in Anspruch und muß es thun, will es nicht anders den Zweck des Schöpfers verfehlen.

      Bleibe es immerhin dem männlichen Geschlecht unbenommen, durch körperliche Kraft und Stärke wie durch die Schärfe seines Verstandes und die strengere Logik seines Denkens die Welt zu regieren – aber es lasse das weibliche Geschlecht gerade um seines Gemüthslebens, seiner Empfänglichkeit für alles Große und Schöne, seiner erregbareren Phantasie und seiner emporstrebenden idealen Richtung willen zur Mitregentschaft zu. – Mann und Weib sind aus der Hand der Gottheit oder der Schöpfung – wie man den Ausdruck wählen will – als zwei ebenbürtige Geschöpfe hervorgegangen; aber die Verschiedenheit der Eigenthümlichkeit macht sich auch im Seelenleben geltend. Die Ausgleichung dieser Verschiedenheit ist gegeben in der Vereinigung beider. Der Mann an sich und das Weib an sich sind gleich bedeutende Einzelheiten, erst wenn Beide vereinigt, bilden sie ein Ganzes. So wollte es die Weisheit der Schöpfung, die keines dem Andern unterordnet. Bei den Bestrebungen, dem weiblichen Geschlechte zum Rechte der jedem Wesen zukommenden Selbstständigkeit zu verhelfen, kommt es gerade darauf an: das wahrhaft Weibliche zu retten – nicht es zu vertilgen oder zu unterdrücken, sondern es frei zu machen von einem einseitigen Verstandesdespotismus, wie er nach und nach von den Männern ausgebildet worden, СКАЧАТЬ