Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto
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Название: Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte

Автор: Louise Otto

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204908

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СКАЧАТЬ Inhaltsverzeichnis

       Nur was man durch eigene Kraft erringt hat einen Werth. Kindererziehung. Selbstzweck der Mädchen. Pflicht sich selbst zu erhalten. Weibliche Bestrebungen für das Frauen-Recht im Dienst der Subjectivität, der Politik, des Sozialismus. Die Gründung des Allgemeinen deutschen Frauenvereins. Das Recht der freien Selbstbestimmung.

      Wer sich nicht selbst helfen will, dem ist auch nicht zu helfen, ja er verdient nicht einmal, daß ihm geholfen werde! –

      Nur was man durch eigene Kraft erringt, hat einen Werth. –

      Die Geschichte aller Zeiten und die unsrige ganz besonders lehrt es, daß Diejenigen auch vergessen wurden, welche an sich selbst zu denken vergaßen! welche nicht entschieden eintraten für ihre Rechte, welche unthätig stehen blieben, indeß die Andern um sie her rüstig arbeitend im Dienst des Fortschrittes weiter und weiter schritten.

      Unzählige Male ist es schon gesagt worden, daß die Lage der Arbeiter nur verbessert werden kann durch den Willen der Arbeiter selbst, durch ihre eigene Kraft, daß alle unterdrückten Völker nur frei werden können, wenn sie in ihrer Bildung und Entwicklung so weit vorgeschritten sind, daß sie wirklich frei werden wollen – und ganz Dasselbe muß man auch in Bezug auf die Frauen wiederholen.

      Jene sittliche Charakterstärke, mit welcher Lessing sagen konnte: »Kein Mensch muß müssen!« ist nicht nur von den Männern, sie ist auch von den Frauen zu fordern, wenn es in Wahrheit besser werden soll, und wenn er sogar betete: »Ich will! gieb mir, o Gott, zu wollen, daß ich will!« so darf jede Frau durchdrungen von solcher Frömmigkeit zum Himmel aufblickend das Wort wiederholen. – »Hilf dir selbst und der Himmel wird dir helfen!« ist ein gutes altes Sprichwort, das sich noch immer bewährt hat und das wir sehr gut zum Motto unsres ganzen Strebens wie auch dieses Werkchens wählen könnten.

      Nur die eigne Kraft vermag den Menschen zu adeln, zu erheben, die eigne Kraft, deren Entfaltung und Stärkung Gottes Wille ist, welcher jedes Wesen dazu schuf, daß es alle Fähigkeiten entfalte, die in ihm schlummern, daß es nach freier Entwicklung und sittlicher Vollendung strebe. Wer sich, ohne seine eigne Kraft anzustrengen, in Trägheit und Stumpfheit verharrend, auf Anderer und sei es selbst auf Gottes Hilfe verlassen will, der ist verlassen, denn er macht sich derselben unwürdig, er versündigt sich an seinen Mitmenschen, die sich seiner annehmen, ohne daß er es verdient und versündigt sich noch mehr an Gott selbst, der ihm in seiner Schöpferweisheit Kräfte gab, die er gebrauchen und entwickeln, aber nicht niederhalten und zerstören sollte. Auch für uns giebt es keinen schöneren Trost in jedem Leid, kein beseligenderes Gefühl in jedem Glück, keinen größeren Sporn für unser Streben: – als ein unerschütterliches Gottvertrauen, ja, auch wir sind trotz alles Stolzes auf unsre eigne Kraft demüthig genug um fromm zu bekennen, daß es mit ihr allein auch noch nichts gethan ist, sondern daß eine höhere Macht beides geben muß: das Wollen und das Vollbringen – aber wir würden uns scheuen aufzublicken zu dieser höhern Macht, wenn wir das Bewußtsein in uns trügen nicht zuvor und zugleich Alles gethan zu haben was in unsern Kräften war, um ein uns vorschwebendes Ziel zu erreichen.

      Und dieses einfachste Recht der Menschenwürde kann Niemand den Frauen vorenthalten und wo es versucht werden sollte, da müssen sie mit dem ganzen Bewußtsein ihrer sittlichen Würde sich so lange widersetzen, bis denn endlich doch der Sieg der Humanität zu einem allgemeinen wird.

      Sobald jedes Mädchen von dem Bewußtsein durchdrungen ist, daß es selbst mit einstehen muß für sein Geschick, sobald wird es auch aufmerksamer über sich selbst wachen in jeder Beziehung und nicht mehr Andere für sich denken, handeln und entscheiden lassen – und nur das allein ist eines sittlichen Wesens würdig. –

      Wenn in irgend einem verworrenen Zustand eine Entwirrung eintreten soll, so weiß man gewöhnlich nicht, von welcher Seite die Sache zuerst anzufangen sei, oder vielmehr es kommen dabei sehr widersprechende Ansichten zu Tage. So ist es namentlich mit der durch die Schuld der Jahrhunderte sehr verwickelt gewordenen Frage von der Stellung der Frauen, von ihren Pflichten und Rechten der Fall.

      Die Einen meinen sehr naturgemäß, man müsse mit der Erziehung der Kinder beginnen. –

      Die Andern: man müsse an sich selbst beginnen. –

      Noch Andere: nur durch die Mütter könnten bessere Zeiten kommen – und noch unzählige Mal mehr variirt sich die Ansicht: ob man hierbei überhaupt zunächst die Lage der Frauen bei den arbeitenden Classen, dem Proletariat oder in den sogenannten höhern Ständen in's Auge zu fassen und auf welchen Punkt man zuerst seine Aufmerksamkeit zu richten habe.

      Nun, ich meine, da die Frage eben eine so brennende, ihre Lösung eine so dringende ist, da sie so Viele, ja Alle angeht und wenn auch noch nicht Alle von diesem Bewußtsein durchdrungen sind, so sind es doch Viele – und da eben diese Vielen mit helfen wollen sich und Andern: so möge man nur überall zugleich getrost angreifen: ein jedes in seinem Kreise und nach seinem besten Wissen und Gewissen, man wird auf diese Weise am sichersten zum Ziele kommen.

      Freilich ist es naturgemäß mit den Kindern zu beginnen – aber nicht allein dem kommenden Geschlecht, es soll auch schon dem jetzt lebenden geholfen werden. Man muß nicht ganze Generationen aufgeben, die auf den rechten Weg zu leiten noch nicht zu spät ist und die auf ihm schon den Segen stiften können, der sonst erst in jungen Saaten langsam sprießt und zu Früchten reift.

      Müssen wir nicht auch erst fragen: wer soll die Kinder erziehen? ohne Zweifel: die Mütter. Und wenn nun eben die Mütter selbst noch nicht erzogen, oder wenn sie noch nicht gebildet, oder was noch schlimmer ist: wenn sie verbildet sind? was hilft dann unsere Antwort und wie ist ein hoffnungsreicher Anfang zu machen? Eine Mutter, welche selbst unselbstständig und engherzig ist, selbst in verrosteten Vorurtheilen feststeckt, kann auch ihre Kinder nicht vor demselben Fehler bewahren, sie wird im Gegentheil ihn in ihnen hegen und ausbilden.

      Wir können und wollen hier keinen pädagogischen Lehrplan geben – aber wir müssen immer und immer wieder darauf aufmerksam machen, daß die größte Verantwortung für das körperliche wie geistige Gedeihen ihrer Kinder auf den Müttern liegt, wie die Töchter namentlich ihrem Einfluß ganz allein überlassen sind und wie Beispiel und Lehren der Mutter – wenn anders nicht schon das Familienleben ein ganz ungesundes und verfallenes ist, ihrem Leben die Hauptrichtung geben.

      Die ersten Seelenregungen des Kindes, das Erwachen desselben zum Bewußtsein seines Ich – sie werden stets zuerst von der Mutter erkannt und beobachtet werden – und wehe dann ihr und ihm, wenn sie es auch in dieser Beziehung nicht mit der größten Sorgfalt zu hüten versteht vor jeder Berührung mit Gegenständen und Eindrücken, die dem weichen, sich erst bildenden Stoff zum dauernden Schaden gereichen könnten. Und trotz dem, daß wohl jede Mutter ihr Kind mit inniger Liebe pflegt und sich ihm widmet, trotz dem daß sie es körperlich vor jedem Unheil zu behüten sucht – trotz dem überläßt sie es oft auf der andern Seite mit unbegreiflichem Leichtsinn Händen, die sie selbst als nicht zuverlässig kennt, von denen sie nur höchstens erwartet, daß sie es vor einem leiblichen Unfall bewahren. Den Kindermädchen sollte man ein eignes Kapitel widmen.

      Gerade das Geschlecht, von dem man behauptet, daß es so viel geringere Fähigkeiten besitze als das andere, gerade das läßt man fast ohne jede Vorbereitung oft an die Erfüllung der schwierigsten Lebensaufgaben gehen! – »Vermiethe dich!« heißt es in den ärmeren Familien zu dem Mädchen, das kaum die Schule verlassen und außer dem genossenen nothdürftigen Unterricht nicht das Geringste gelernt hat – und so stößt man das unwissende Geschöpf in die Welt und heißt ihm – »Kindermädchen« werden. Dazu also findet man auch das unwissendste Kind geeignet: zu wachen über ein sich eben erst entfaltendes, unsterbliches Wesen! Sind nicht die zarten Seelen der Kinder in den Händen eines СКАЧАТЬ