Название: Menschen im Krieg – Gone to Soldiers
Автор: Marge Piercy
Издательство: Автор
Жанр: Книги о войне
isbn: 9783867548724
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Manchmal wurde sie an anderen Tagen gerufen, um als Kurier für Dokumente oder Chemikalien oder Blutplasma zu fungieren, um in einer Luftschutzübung einen feindlichen Bomber darzustellen, und zweimal, um nach einer abgestürzten Militärmaschine zu suchen. Ihr Leben hatte einen Sinn. Sie sagte die Sonntagsfilme mit Mrs. Augustine ab, denn sie musste die Hausarbeit nachholen und das Abtippen, das ihr die Verkehrspilotenlizenz erkaufen konnte, in ferner Zukunft, aber nicht mehr völlig undenkbar. Sie musste das gleiche Arbeitspensum, das bislang sieben Tage ausgefüllt hatte, in die verbliebenen vier hineinstopfen. Aber vor allem hatte sie drei Tage, das zu tun, wofür sie geboren war, drei Tage, an denen sie das kleine Flugzeug anlegte wie einen hauchzarten, erweiterten Körper, insektenartig um sie herum, schön wie eine Libelle, obwohl nur für sie mit Juwelen geschmückt, und schwang sich in die Lüfte.
Als sie an diesem Abend vom Flugplatz nach Haus radelte und nur hielt, um Flundern zu kaufen und das weiße Päckchen ordentlich im Lenkstangenkorb zu verstauen, wartete auf dem Tischchen im Flur ein Brief von Jeff. Er saß immer noch unten in Alabama fest und hasste jede Minute seines Lebens, die er dort vegetieren musste. Bernice hatte erwartet, Jeff würde in die Luftstreitkräfte der Armee aufgenommen werden, denn die Armee suchte angeblich verzweifelt Piloten und Jeff hatte seinen Pilotenschein, auch wenn er seit Jahren nicht geflogen war. Doch nein, die Armee hatte auf seine unentdeckten Talente als Ausbilder von Gewehrschützen gesetzt. Er war zu einem Offizierslehrgang geschickt und zum Leutnant ernannt worden und saß nun offenbar auf dem Schießstand fest. Er behauptete, inzwischen von Kopf bis Fuß mit Greisenbart bedeckt zu sein, dem in Schleiern von den Bäumen hängenden Spanisch Moos. Sie hatte eine Mischung aus Neid und bösen Vorahnungen empfunden, als sie Jeff in den Zug gesteckt hatte, aber wenigstens war er in Sicherheit, solange keiner seiner Schüler arg danebenschoss, und langweilte sich weit mehr als sie.
Sie brachte in diesen Tagen öfter Fisch auf den Tisch, nicht nur, weil rotes Fleisch rationiert, sondern auch, weil Fisch rasch zubereitet war. Sie konnte nach ihrem Patrouillenflug nicht vor sieben zu Hause sein. Unseligerweise war so der Professor an Flugtagen immer lange vor ihr daheim, und der neue häusliche Ablauf gefiel ihm ganz und gar nicht. Während sie hastig ihre Sachen in den Flurschrank warf und mit ihren Einkäufen durchs Wohnzimmer zur Küche eilte, fixierte er sie mit seinem besten, tadelnden ›Sie werden diesen Kurs verhauen, wenn Sie sich nicht zusammenreißen‹-Blick.
»Gibt es einen Grund, warum du heute Abend noch später kommst als sonst?«
»Vor dem Fischgeschäft war eine lange Schlange. Wegen der Fleischrationierung essen alle mehr Fisch.«
»Dass wir mehr Fisch essen, ist mir allerdings aufgefallen.«
Ihre Methode, mit der schlechten Laune ihres Vaters umzugehen – zumal er damit nicht offen herausrückte und ihr lauthals zu verstehen gab, was ihn erboste –, war, so zu tun, als bemerkte sie seine Verärgerung gar nicht. Nun warf sie ihm ein kurzes, freud- und bedeutungsloses Lächeln zu und eilte in die Küche.
»Du wirst dich doch nicht in diesem Mechanikeraufzug an den Abendbrottisch setzen?«
Als ob er je wahrnahm, was sie trug. Als ob irgendjemand je darauf achtete. »Essen ist bald fertig.«
Er gab ein Missfallensräuspern von sich, sagte aber nichts mehr, sondern stellte das Radio lauter. Jeden Abend las sie über den Krieg im Globe, hörte sich die Kommentare und Analysen an, studierte die Frontberichte mit dem Atlasband der dreizehnten Ausgabe der Encyclopedia Britannica offen auf dem Schoß. Die Alliierten waren schlichtweg überall deutlich am Verlieren. Auf einer Karte von den Philippinen verfolgte sie die Erosion der amerikanischen und philippinischen Stellungen. In Afrika wogten die Kämpfe hin und her, endeten aber gewöhnlich mit einem Rückzug der Alliierten.
Heute Abend waren die Nachrichten schrecklich, und sie merkte, dass sie sich in der großen Küche noch langsamer bewegte. General King hatte bei Bataan kapituliert. Es hörte sich an, als wäre ein kleiner Teil der Truppen nach Corregidor evakuiert worden, wo sich die Armee zu halten hoffte. Diese Festungsinsel war angeblich uneinnehmbar. Etwa 90 000 Filipinos und Amerikaner hatten sich den Japanern ergeben. In Russland tobten schwere Kämpfe tief im Landesinnern, wobei die Deutschen wieder auf dem Vormarsch waren.
Warum nahm sie die Niederlage so persönlich? Als ob es ihre eigene wäre. Sie durchlebte einen Augenblick glühenden und verzweifelten Zorns, während sie dastand und Kartoffeln, die sie im Morgengrauen gekocht hatte, in das Fett vom Sonntagshuhn schnitt, in dem schon Zwiebeln leicht bräunten. Ja, es roch köstlich, und doch war es ihr speiegal. Sie wollte keine Bratkartoffeln machen, während Millionen Menschen starben und die Welt in Flammen stand. Sie fühlte sich schuldig und hilflos zugleich, eingesperrt. Sogar ihre Fliegerei kam ihr absurd vor. Hier war sie und genoss die höchste Freude, die sie kannte, während auf den Philippinen ausgemergelte Soldaten in Gefangenenlager getrieben wurden und im deutschbesetzten Russland Partisanen gehängt wurden, weil sie gewagt hatten, Widerstand zu leisten.
In der Sowjetunion flogen Frauen Kampfeinsätze. Marina Reskowa, die Pilotin und Navigatorin, hatte drei Frauen-Luftwaffenregimenter aufgestellt, eines für Kampfflugzeuge und zwei für Bomber. In England wurden Flugzeuge regelmäßig von Frauen überführt. Hier wurden Frauen nicht einmal zu Inlandsflügen, zu Hilfsdiensten zugelassen. Sie sehnte sich danach, ihr Können, ihre Stärken einzusetzen. Sie würde keine Angst haben. Sie wusste, dass sie kämpfen konnte, wenn sie nur eine Chance dazu bekam.
Sie unterbrach ihre Gedanken und legte die Fischstücke, die sie zuerst in Mehl, dann in Eimilch und dann in Maismehl gewälzt hatte, in die Bratpfanne. Konnte sie töten? Sie glaubte schon, hatte aber das Gefühl, noch Beweise für diesen Glauben zu brauchen. Sie stellte Mausefallen auf. Sie hatte an einer Schweineschlachtung auf der Farm ihres Großvaters väterlicherseits teilgenommen. Ihr Großvater hatte dem Schwein rasch und ruhig die Kehle durchgeschnitten, war mit dem Messer auf das Schwein zugegangen und hatte einfach die Klinge über die Kehle geführt. Die Sau war etwas verwundert davongestakst, wobei das Blut heruntertroff, und dann in die Knie gesunken. Zwei Minuten später war das Schwein tot, und Jeff und sie hatten geholfen, kochendes Wasser über den Kadaver zu schütten und die Borsten abzukratzen. Der lange Einschnitt und das Herausziehen der Eingeweide aus dem Fett hatten sie eher fasziniert als entsetzt. Jeff war der Zimperlichere von ihnen, aber beide hatten sie das Schlachten und Zerlegen des Schweins als ein ihnen gewährtes Initiationsritual empfunden und nicht als eine Vorführung von Erwachsenenbrutalität.
Und Jeff, würde der je jemanden töten? Er war bei der Armee, aber der Kampf an der Front schien von ihm in Alabama mindestens so weit entfernt wie von ihr in Bentham Center. Im Gefecht selbst hatte man wohl wenig Zeit zum Philosophieren. Wahrscheinlich war man darauf trainiert zu reagieren, und man reagierte. Im Flugzeug hielt sie sich nicht mit Überlegungen auf, wie sie das Steuer drehen oder wie sie das Seitenruder treten sollte; sie las die paar Anzeigen und reagierte. Wenn sie sich im Luftkampf befand, dann sprach das Bordgeschütz bestimmt an, wenn sie es aktivierte, und das würde sie unter Bedrohung so selbstverständlich tun, wie sie die Quer- und Höhenruder bediente.
»Eine ganze Reihe von Jungen melden sich am Ende dieses Schuljahres zum Militär«, verkündete ihr Vater beim Abendbrot. »Ich weiß nicht, ob es noch einen Sinn hat, dieses College weiterhin zu betreiben. Aber sie richten hier vielleicht ein Regierungsprogramm ein, sagt die Verwaltung. Ich mag nicht so viel Paprika auf der Seezunge.«
»Entschuldige. Ich wollte mal etwas anderes ausprobieren.« Sie hatte über das Töten nachgedacht und gar nicht gemerkt, was ihre Hand tat. »Glaubst du, wir werden diesen Krieg verlieren?«
»Unsinn«, СКАЧАТЬ