Название: Menschen im Krieg – Gone to Soldiers
Автор: Marge Piercy
Издательство: Автор
Жанр: Книги о войне
isbn: 9783867548724
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Ach, sein Anblick rührte sie, wie schon immer. Aber nicht genug, dachte Ruthie, meine Augen haben keine Tugend und wenig Verstand. Er wird jede Frau eine kurze Zeit glücklich machen und eine lange Zeit unglücklich.
Trudi trug ein blassrosa Kleid. Weder Trudi noch ihre Mutter noch Ruthie hatten ein kurzes weißes, der Gelegenheit angemessenes Kleid auftreiben können, in ganz Detroit nicht. Es war zu früh im Jahr für ein weißes Sommerkleid, und ein Hochzeitskleid war innerhalb so kurzer Frist ausgeschlossen – und zu teuer. Trudi hatte geweint, aber das Blassrosa ließ sich auch später noch tragen und brachte ihr dunkelbraunes Haar und ihren kräftigen Teint zur Geltung. Der Rabbi kam herein und rieb sich die Hände, sofort sprang Trudis Vater auf, ihn zu begrüßen. Trudis Mutter hob den Schleier ihres alten schwarzen Hutes mit den Kirschen obendrauf, um sich die Augen zu wischen.
Ruthie dachte, wir müssen Naomi einen Hut kaufen, es wird Zeit, sie wird langsam groß. Naomi trug ein gestreiftes Kopftuch. Armes Lämmchen, was für eine Zeit, um erwachsen zu werden, was für eine Zeit.
Dann fing sie Leibs Blick auf, der sie anschaute wie früher, mit brennenden, hungrigen Augen. Sie senkte den Blick und wandte sich Naomi zu, zupfte an ihr herum. Naomis Augen waren riesig und sahen alles, auch Leibs Blicke. Als Ruthie wieder hinsah, schaute er immer noch. Hoffentlich bemerkte es niemand sonst, zum Glück waren alle um Rabbi Honig versammelt. Leibs Mutter war mit Trudis Kleid beschäftigt, ein Zupfen hier, ein Zurechtziehen da, ein Stäubchen dort, das wegmusste. Dann trat sie zurück, um Trudi mit scharfen, fast hasserfüllten Blicken zu mustern. Sie schien zu fragen: Was sieht er eigentlich in ihr?
Ruthie hatte das ungute Gefühl in der Magengrube, Leib hätte sie am liebsten immer noch gepackt wie früher und hätte lieber sie vor den Rabbi gezerrt und lieber sie genommen. Nicht aus Liebe, nein, sondern weil er sie immer noch begehrte, auf jene hungrige, heftige Art, die sie sehr viel weniger erregt hatte als Murrays stille und behutsame Liebkosungen. Sie nahm sich vor, ihn nicht wieder anzuschauen.
Ruthie stand an einer Ecke der chuppa. Immer wieder verfingen sich die Stecknadeln an ihrem Schenkel. Der Strumpf war bestimmt völlig ruiniert, und wo sollte sie Ersatz finden? Sie hielt ihren Blick auf Trudi geheftet und sah Leib nicht wieder an, bis die Zeremonie zu Ende ging und er das Glas in der Serviette unter seinem Fuß zertrat und aufstampfte, wie er an jenem Abend aus dem Zimmer gestampft war, als er endgültig mit ihr gebrochen hatte. Während er das Glas in Scherben trat, warf er ihr einen letzten Blick voll der gleichen wütenden Heftigkeit zu, und dann wandte er sich ab und küsste Trudi, ein großer Kinonahkampfkuss. Dann begannen alle masel tow zu rufen und mit geweihtem Wein auf das Paar anzustoßen.
Ruthie stand ein wenig abseits und verzieh Leib die hungrigen Blicke, denn jetzt war er richtig verheiratet, mit Trudi, und die Dinge mussten sich finden. Sie erinnerte sich an Murrays letzte Woche, bevor er in den Zug gestiegen war. Sie hatte so viel Zeit wie möglich mit ihm verbracht, und für die letzten beiden Tage hatte sie sich bei der Arbeit krankgemeldet, es war ihr vollkommen egal, sie musste sich die Zeit stehlen.
Ein nasser, rauer, verschneiter Februar war das gewesen, von allen Bäumen war Eis getropft und hatte die Seitenstraßen in zerfurchte Rutschbahnen verwandelt. Sie hatten viel Zeit im Kunstmuseum verbracht, in der öffentlichen Hauptbibliothek, in der Wandelhalle der Wayne. Wo konnten sie hin? Sie sahen mehrere Filme. Kinos waren für Schicht- und Nachtarbeiter vierundzwanzig Stunden am Tag offen und immer voll. Meistens mochte Murray ihre gemeinsame Zeit nicht darauf verschwenden, irgendetwas anderes anzuschauen als sie, sagte er. Sie trieben in einem prall gefüllten Stau, einem Netz der Zuwendung, das beide umfing. Sie redeten und redeten. Sie gaben einander ihre Kindheiten, als projizierten sie Familienfilme auf eine Leinwand im Kopf ihres Gegenübers.
Leider hatten seine Eltern sich nicht für sie erwärmt. Beide schienen in panischer Angst, Ruthie und Murray könnten noch in dieser Woche heiraten. Seine Eltern sahen einander ähnlich, beide von ovaler Gesichts- und Körperform, mit hellbraunem, ergrauendem Haar, so dass sie Ruthie einheitlich beige vorkamen. Sie waren annähernd gleich groß. Beide trugen Goldrandbrillen und einen gemeinsamen Gesichtsausdruck aufgeregter Bestürzung, sobald sie sich ihr zuwandten. Vor dem Hintergrund ihrer einstigen soliden Mittelstandsexistenz konnten sie Ruthie nicht akzeptieren. Sie hatten eine Vorstellung von dem Mädchen, das Murray ins Haus bringen sollte, eines mit Geld, mit Beziehungen. Eines, das Nutzen abwarf. Seine Mutter begegnete Ruthie mit geschürzten Lippen und gerunzelter Stirn, war aber zu kraftlos, um unhöflich zu sein.
Der Tag vor seiner Abreise war am schlimmsten, süßsaurer Schmerz. Sie sah ihn immer noch vor sich in jener Nische der Chilibude beim College, als er sagte: »Ich habe gegen den Drang angekämpft, dir einen Heiratsantrag zu machen. Dich an mich zu binden. Noch bevor ich fortmuss zu verlangen, dass du jetzt sofort die Meine wirst. Weil ich weiß, dass es falsch ist. Es ist Unsinn. Es geht nicht, dass ich dir die Heirat antrage und dich zu meiner Frau und meiner Liebsten mache, bevor ich verschwinde. Das ist egoistisch. Ein Stück von dir haben zu wollen, das mir gehört.«
»Ich werde auf dich warten. Das kann ich dir versprechen. Ich liebe dich.« In der Sitzecke der Chilibude hatte sie es gesagt, als sie Hände hielten über Tassen mit kaltem Kaffee. »Du brauchst mir keinen förmlichen Heiratsantrag zu machen.« Danach war sie starr vor Verlegenheit, verblüfft, wie sie so etwas laut zu einem Mann hatte sagen können, insbesondere zu einem Mann, der es ihr nicht zuerst gesagt hatte.
»Ich liebe dich, Ruthie. Ich glaube, ich liebe dich, seit wir das erste Mal miteinander aus waren. Ich dachte, ich rede mir was ein und erfinde mir ein Bild von dir, aber so war es nicht. Du bist genau, was ich will, und wenn bloß der verdammte Krieg nicht im Weg wäre. Eine blödsinnige Zeit, um sich zu verlieben. Es zerreißt mich innerlich, wenn ich denke, dass wir uns gefunden haben und vielleicht nie dazu kommen, unser Leben gemeinsam zu leben.«
Seitdem hatte sie sich immer wieder gefragt, ob sie es nicht wie Leib und Trudi hätte halten und sagen sollen: Lass uns heiraten und auf alles andere pfeifen. Oder schlimmer noch, ob sie sich nicht hätte hingeben sollen, weil er zu sanft und rücksichtsvoll war, um zu fordern, wonach er sich so deutlich sehnte. Sie hatten sich geküsst, bis ihre Lippen wund waren. Ruthie begehrte ihn. Sie entdeckte, wie sich das anfühlte, und es jagte ihr einen Schreck ein. Sie machte sich Gedanken, ob der heftige Schmerz des Verlangens nur ihr zu eigen, etwas Krankhaftes war. Irgendwann würde sie Trudi fragen. Aber er musste fort und sie blieb hier, und alles war immer noch richtig: dass sie nicht so jung heiraten durften, dass eine eigene Familie sie beide zerstörte, dass sie sich mit einer zu engen Umklammerung gegenseitig zu den verzweifelten und verdreckten Straßen ihrer Herkunft verurteilten. Deshalb hatte sie seiner unausgesprochenen dringlichen Bitte widerstanden; deshalb hatte sie auf Trudis Hochzeit ein schlechtes Gewissen.
Abra 2
Geschichten, dass die Ohren bluten
Berlinerin, ich war Berlinerin. Das verstehen Sie nicht. Das ist so was wie in Frankreich Pariserin, wie hier New Yorkerin, nu? Man ist gewandter und gewitzter, oder man glaubt es wenigstens. Und wenn man da geboren ist wie ich, dann meint man, alles aus dem Effeff zu wissen, ist Geburtsrecht.« Mrs. Marlitt Speyer war fünfunddreißig, aber mit dem aschblonden, hochgekämmten Haar sah sie jünger aus. Sie trug ein gut geschnittenes, maskulines Nadelstreifenkostüm, das sie, wie sie Abra erzählte, selbst geschneidert СКАЧАТЬ