Название: Menschen im Krieg – Gone to Soldiers
Автор: Marge Piercy
Издательство: Автор
Жанр: Книги о войне
isbn: 9783867548724
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Er redete nie mit ihr über Politik. Sie verstand nicht, warum, denn mit ihrer Mutter hatte er über alles geredet. Als Tochter blieb sie für ihn auf ewig unreif. »Die zweite Schicht ist nicht so stark gewürzt.«
»Gut. Das überdeckt nur den Eigengeschmack. Es sei denn, der Fisch war alt?«
»Nein, nein. Er war ganz frisch.«
Warum grübelte sie über den Kampfeinsatz an der Front? Weil sie vom Krieg auf die Probe gestellt werden, wesentlich daran teilnehmen wollte. Jeff tat vielleicht nichts, was er für wertvoll erachtete, aber das hatte er sich nicht ausgesucht. Er hatte sich der antifaschistischen Sache verschrieben, und wenn auch sein Einsatz nicht seiner Wahl entsprach, so hatte er trotzdem das ruhige Gewissen eines voll Beteiligten.
Sogar der Professor hatte die Last der Sehnsucht verspürt, sich nützlich zu machen. Er hatte verschiedenen Ministerien von seiner Arbeit im Ersten Weltkrieg geschrieben (wie er inzwischen genannt wurde, denn man begann, diesen den Zweiten zu nennen). Er erhielt Eingangsbestätigungen, die sich als Formbriefe herausstellten. Alle paar Wochen diktierte er ihr einen Brief über seine Kenntnisse und seinen Wunsch, von Nutzen zu sein, Briefe, die sie mit seinem Kurzlebenslauf an die von ihm genannten Amtsadressen schickte.
Der Professor hatte seinen alten Austin aufgeblockt, und zwar auf Kriegsdauer, ein Ausdruck, der inzwischen häufig gebraucht wurde. Auf Kriegsdauer geschlossen. Sie merkte, dass er seinen Teller weggeschoben hatte und sie erwartungsvoll ansah. »Was haben wir zum Nachtisch?«
»Nachtisch?« Sie hatte vergessen, welchen zu machen. »Lass mich schon mal den Kaffee aufsetzen«, versuchte sie Zeit zu gewinnen und floh in die Küche. Einen schnellen Maisstärkepudding machen? Zucker war rationiert, und sie war nicht erpicht darauf, ihre Monatszuweisung zu verbrauchen. Keine Kekse im Küchenschrank. Früher hatte sie sich für solche Fälle einen Süßigkeitenvorrat gehalten, aber das galt heutzutage als Hamstern. Dann fiel ihr ein, dass Mrs. Augustine ihr ein Glas eingeweckte Birnen geschenkt hatte, die von dem Baum im Hof der Augustines stammten. In diesem Jahr blühte der Baum noch nicht, öffnete eben erst seine Knospen. Sie fand die Birnen und überschüttete sie großzügig mit dem restlichen Rum aus der letzten Flasche.
»Was soll denn das sein?«, fragte er eisig und schaute missbilligend in sein Schälchen.
»Du weißt, ich kann bei der Zuckerrationierung nicht mehr die gleichen Nachspeisen machen wie früher. Das sind Birnen, von Mrs. Augustine eingeweckt und dann in Rum getränkt.« Nur für fünf Minuten, aber lass es durchgehen, bat sie ihn stumm.
»Wenn du knapp bist mit Zucker, könnte ich mir vorstellen, dass dir die Garfinkles etwas Ahornsirup überlassen würden. Wir haben immer unseren Sirup von ihnen gekauft.« Er kostete die Birnen und hüstelte. »Ist das der letzte Rum?«
»Fürchte, ja«, sagte sie forsch. Mit wenig Begeisterung löffelte sie ihren ersten Happen Birne. Sie merkte, sie hatte mehr Rum hineingetan, als sie dachte. Die Wirkung war rau, aber nicht unangenehm, wenigstens für sie, die den Tag in einem ungeheizten Flugzeug, wesentlich kälter als die Felder darunter, zugebracht hatte. Von Zeit zu Zeit genehmigte sich der Professor eine Flasche Wein, die er neben seinen Teller stellte und aus der er ihr gelegentlich ein bescheidenes Gläschen einschenkte. Beim Geschmack von Alkohol musste sie immer an Zach denken und an die Zeit, als Jeff und er unzertrennlich waren und als sie dabei sein durfte, wenn die beiden ihre Gesellschaft duldeten. Wenn ich je von zu Hause fortgehe, dachte sie, werde ich Flugzeuge fliegen und Whisky trinken. Sie lächelte.
Der Professor fragte: »Schmeckt dir das?«
»Ja, doch. Wenn es dir nicht zusagt, tut es mir leid, dann lass es einfach stehen und ich esse es.«
Während sie den Tisch abräumte, tat sie genau das, nahm den rumversetzten Sirup, den er in seiner Schale gelassen hatte, und trank ihn aus einem Glas, während sie das Geschirr abkratzte und für den Abwasch stapelte. In Zachs vorletztem College-Jahr waren sie alle in einer Juninacht auf den Jumpers Mountain gestiegen, und Zach hatte eine silberne Taschenflasche in Form eines Fisches herumgehen lassen, aus der sie Gin tranken. Vom Gin musste sie sich schütteln, aber sie fühlte sich, als tränke sie vom Blut des Erwachsenseins. Ein Übergangsritus. Sie war in Zach verliebt, und dass ihre Lippen das Silber der Flasche berührten, an dem eben noch sein Mund gehangen hatte, machte sie trunkener als der Alkohol.
Der Mond hatte die Farbe seiner Taschenflasche und schien wie ein Fisch in leichtem Dunst zu schweben. In der Stadt hatte schwerer, süßlicher Ligusterduft gehangen, aber hier roch die Luft nach Balsampfeilkraut und Rottannen. Oben auf den kahlen Felsen des Berges schauten sie in den Mond, dem nur ein Tag zum Vollmond fehlte, und sie hatte das Gefühl, als sähe sie dem Mond aus gleicher Höhe ins Gesicht.
Es war nicht gänzlich töricht gewesen, sich in Zach zu verlieben: Sie hätte ihn schon aus schlichter Dankbarkeit anbeten müssen, denn er hatte ihr den Weg aus ihrem Raupendasein gezeigt, und wenn sie immer noch überwiegend in einem Kokon lebte, so wusste sie wenigstens, was sie sein wollte, eine Jägerin wie der Mond, die frei durch die Wolkenberge und Windströme streifte.
Ein- oder zweimal hatte sie hinter dem Steuer eines von Zachs schnittigen schnellen Autos die Freude jener Erweiterung gespürt, jenes Einswerdens mit einer hochempfindlichen, kraftvollen Maschine, die ihre Sinne über sie selbst hinaustrug, während sie auf ihre Entscheidungen, ihren Willen, ihr Können reagierte. Bernice war keine schlechte Fahrerin, aber gegenüber der Möglichkeit, über den Luftraum zu gebieten, war ein Sportwagen einfach unterlegen. Das leichteste, klaterigste Flugzeug mit einem 40-PS-Motor konnte in eine Dimension vordringen, die dem teuersten Renn-Ferrari der Welt verwehrt war.
Gleichgültig, wie dürftig ihr Leben zeitweilig war, ihr gehörte die gesamte Hälfte eines Flugzeugs. Sie hatte Steven sein Viertel abgekauft, als er zum Militär ging. Der andere Besitzer, ein Rechtsanwalt, flog meistens zur Entspannung und gelegentlich, wenn ihm der Sinn danach stand, um einen Klienten aufzusuchen. Für ihr Empfinden war es eigentlich ihr Flugzeug, denn sie war diejenige, die es am häufigsten flog, und sie war diejenige, die es reparierte und pflegte und verhätschelte. Eines Tages würde sie den Rechtsanwalt auskaufen. Er redete schon davon, sich nach dem Krieg etwas Schickeres zuzulegen. Sie konnte diese Maschine noch jahrelang in Betrieb halten. Wenn sie sich mit dem Abwasch beeilte, konnte sie noch wenigstens zwei Stunden lang tippen, obwohl ihre Hände von der Kälte im Flugzeug geschwollen waren. Machte nichts. Sie würde es schon schaffen.
Sie nahm sich vor, an dem Tag, an dem sie endlich ihre Verkehrspilotenlizenz bekam, mit einer irgendwo ergatterten Flasche Whisky oder Gin auf den Jumpers Mountain zu steigen und dazusitzen und Lieder zu singen und den Mond zu grüßen. Sich ihr Fest zu bereiten. Es Jeff zu erzählen, der sich bestimmt mit ihr freute, wenn auch nur am Telefon. Denn dann hatte sie endlich etwas Eigenes vollbracht.
Duvey 1
Viele Stürme kennt das Meer
Duvey verbrachte die ersten drei Monate 1942 auf der karibischen Tour und war deshalb heilfroh, jetzt die nordatlantische Geleitzug-Route zu schippern. Er war auf Tankern gefahren, jetzt zum Glück nicht mehr. Er hatte fünf Freunde verloren, von denen er wusste, und wahrscheinlich noch mehr, von denen er keine Ahnung hatte. Alle hopsgegangen auf Tankern, vor der Küste torpediert, nah genug, dass man’s vom amerikanischen Festland riechen und den Feuerschein sehen konnte. Cape Hatteras war am schlimmsten, aber die gesamte Küste war tödlich.
Eine Frau in einer Bar erzählte ihm von ihrer Mutter in Vero Beach, wo die Dodgers ihr Winterlager hatten und wo jeden Morgen am Strand Arme, Ohren und Rümpfe ohne Kopf zusammen mit verbogenem Metall angespült wurden. Meistens ging die Tankerbesatzung in einer großen Stichflamme drauf, und vielleicht war das gut so, denn die armen Kerle, die von Bord СКАЧАТЬ