Zensur im Dienst des Priesterbildes. Jessica Scheiper
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СКАЧАТЬ sich in einer ruhigen Minute mit dem Fragebogen vertraut zu machen. Würden sie sich dann dazu entschließen, die einzelnen Fragen beantworten zu wollen, so hätten sie dafür drei Wochen Zeit. Ein besonderes Anliegen war ihm, die Anonymität der Teilnahme zu betonen. In den meisten Fällen konnte er diese den Teilnehmern persönlich garantieren. Die Teilnehmer, denen er das Projekt nicht persönlich vorstellen konnte, erhielten dafür ein Begleitschreiben, in dem er erklärte:

      „Leider verlangt der Charakter der Arbeit auch einige intimere Fragen. Um jede Gefahr einer persönlichen Bloßstellung zu vermeiden, wird die Rundfrage streng anonym durchgeführt. Und ich möchte Sie bitten, keine Namen zu nennen, welche die Anonymität irgendwie gefährden können. Auch mir wird die strengste Diskretion bei der Sammlung und Auswertung der Antworten Gewissenssache sein.“570

      Ebenso betonte er, die Beantwortung der Fragen sei völlig freiwillig. Wer eine Frage nicht beantworten wolle oder könne, solle sie durchstreichen oder unbeantwortet lassen.571 Zum Schluss der Erhebung wurde jeweils aus der Gruppe eine Vertrauensperson gewählt, der die Bögen in einem geschlossenen Umschlag und innerhalb der genannten Frist zurückzugeben waren.572 Auch den Oberen der jeweiligen Einrichtungen sollte so die Einsicht in die ausgefüllten Bögen verwehrt bleiben.573 Für die Auswertung war es Crottogini wichtig, auch die leeren, bewusst nicht ausgefüllten Bögen zurückzuerhalten. Auf diese Weise konnte die effektive Zahl an bearbeiteten Bögen bzw. die effektive Mitarbeit einer Gemeinschaft festgestellt werden.574

      Neben den Befragungen in Priesterausbildungsstätten gingen zusammen mit dem oben genannten Begleitbrief außerdem noch 60 Fragebögen an einzelne Seelsorger, d. h. Priester mit abgeschlossener Ausbildung.

      Aus der Schweiz erhielt Crottogini von den 600 versandten Fragebögen 425 ausgefüllt zurück. Unter den 600 waren 318 Ordensmänner, von denen 231 antworteten. Von den 60 Geistlichen aus der Seelsorge kamen nur 16 Antworten. Von 250 ins Ausland verschickten Fragebögen kamen 196 zurück. Von insgesamt also 850 in Umlauf gebrachten Fragebögen im In- und Ausland erhielt Crottogini 621 auswertbare Exemplare und damit 73,1% zurück, d. h. fast drei Viertel aller Fragebögen. Bei den übrigen 229 Exemplaren gaben 52 Befragte immerhin einen Grund für die Nicht-Bearbeitung an. Neben grundsätzlicher Ablehnung („,Wozu das alles? […] Lassen wir doch so feine, geheiligte Bereiche verschont vom kalten, profanierenden Geist der Statistik‘“575) wurde hauptsächlich Zeitmangel als Begründung genannt.576 Die bearbeiteten Fragebögen waren unterschiedlich ausführlich beantwortet. Crottogini merkte aber an, viele Befragte schienen auf eine solche Aussprachemöglichkeit gewartet zu haben. Das ergebe sich nicht nur aus der offenen und gründlichen Beantwortung selbst der delikatesten Fragen, sondern auch aus den mehr als 200 spontan bekundeten Interessens- und Dankesbezeugungen am Ende der Bögen.577

      An der Zuverlässigkeit der Teilnehmeraussagen zweifelte Crottogini nicht. Aus den bejahenden wie auch den ablehnenden Aussagen spreche gleichermaßen Ernst wie Wille zur Wahrheit gegenüber sich selbst als auch dem Fragesteller. Es handele sich bei den Teilnehmern zudem um Personen, die nach Erziehung und Bildung eine gewisse Übung darin hätten, über sich selbst und ihre Mitwelt Rechenschaft zu geben, und die außerdem über ein verhältnismäßig hohes Maß an Vorsicht und Selbstkritik verfügten. Natürlich dürfe nicht übersehen werden, dass hauptsächlich nach dem Berufsbewusstsein gefragt worden sei. Insofern beschränke sich das Material darauf, was den Befragten innerlich und äußerlich zugänglich gewesen sei.578

      Vor der inhaltlichen Auswertung des Materials sortierte und kennzeichnete Crottogini die Fragebögen. Er trennte zunächst die Bögen nach In- und Ausland und vergab Kennziffern. Danach sortierte er feiner nach dem Kriterium Welt- oder Ordenskleriker. Schließlich unterschied er nach dem Berufsstand, d. h., ob die Antwort von einem Novizen, einem Studenten oder einem Priester stammte. Bei den 425 Bögen aus der Schweiz kam er so zu dem Ergebnis, dass 194 der Antwortenden dem Welt- und 231 dem Ordensklerus angehörten, von den 196 ausländischen Bögen stammten 128 vom Welt- und 68 vom Ordensklerus. Von den Schweizern waren 32 Bögen von Novizen, 314 von Studenten und 79 von Priestern. Unter den ausländischen Antworten waren 22 von Priestern, 173 von Studenten und eine von einem Novizen.579

      Crottogini erfasste im Anschluss die 8960 Fragebogenseiten in einer Tabelle und klassifizierte sie. So wollte er das Material erst quantitativ sichern und auswerten, um es anschließend psychologisch-pädagogisch (qualitativ) zu interpretieren. Einen Anspruch auf die allgemeine Gültigkeit seiner Ergebnisse erhob er nicht. Ihm war klar, es könne erst nach ähnlichen Untersuchungen andernorts mit ähnlichem Material geurteilt werden. Eine relative Allgemeingültigkeit schloss er vorab allerdings nicht aus, sollte sich das Material der schweizerischen Hauptgruppe mit den ausländischen Vergleichsgruppen deutlich ähneln oder sogar decken.580

      Crottogini gliederte seine Dissertation mit dem ursprünglichen Titel „Die Wahl des Priesterberufes als psychologisch-pädagogisches Problem“ in zwei ungleich große Teile. Der erste im Umfang deutlich kleinere Teil trug die Überschrift „Zur Problemstellung und zur Methode“581. Er sollte in die Thematik, das Vorhaben und die Vorgehensweise einführen. Hier erfuhr der Leser zunächst den Beweggrund für das Projekt: „Der Mangel an Priesternachwuchs ist […] die große Sorge der kirchlichen Obern und damit jedes verantwortungsbewußten katholischen Gläubigen. Diese Tatsache drängt zu neuer Auseinandersetzung mit den Vorbedingungen des Priesterberufes.“582 Crottogini bemühte sich in diesem Teil um eine verständliche und nachvollziehbare Darstellung seiner gewählten Methode und seiner Vorgehensweise.583 Dazu gehörte auch eine theologische Rechtfertigung. Crottogini war die überwiegend ablehnende Haltung gegenüber Meinungsumfragen ebenso bewusst wie die Brisanz des Themas, weshalb er die ganz eigenen theologischen Bedenken berücksichtigte.

      Gemäß katholischer Dogmatik gilt die Berufung zum Priestertum als Werk Gottes, als besondere göttliche Beistandsgabe – ein göttlicher Akt –, die in einem ewigen göttlichen Willensdekret wurzelt.584 Um möglichen Kritikern zu begegnen, die Crottogini hätten vorwerfen können, mit psychologisch-empirischen Methoden „ein Geheimnis ewiger göttlicher Vorherbestimmung und […] ein Wunderwerk der göttlichen Gnade“585 untersuchen zu wollen, erkannte er die Notwendigkeit einer Rechtfertigung. Er bekannte eigens, er stehe auf dem Standpunkt des Offenbarungsglaubens und in voller Übereinstimmung mit dem Lehramt der Kirche. Eine Theologie des Berufes schließe eine Psychologie aber nicht aus, sondern gerade ein.586 Eine wirkliche Berufung sei ohne berufenden Gott nicht denkbar und deshalb widersinnig. Gleichwohl gebe es äußere Fakten, die über die in der Gnadenführung aktive Berufung Auskünfte geben könnten, nicht über die göttliche Gnadenführung selbst, sondern die sich daran anschließenden Faktoren, die die Wahl des Priesterberufes ermöglichten und anregten.587 Wichtig war Crottogini hier vor allem die Betonung der „grundsätzliche[n] Nichterfaßbarkeit der Berufung und der Gnade in sich“588. Die göttliche Gnade sei damit nicht ausgeschlossen oder gar verneint; sie ließe sich nur nicht direkt einer Prüfung unterziehen.589 „Wer könnte die Gnade in direkter wissenschaftlicher Erfahrung fassen?“590 Crottogini baute auf diese Weise möglichen grundsätzlichen Einwänden gegen das Projekt vor.

      Der zweite Teil und zugleich der Schwerpunkt seiner Dissertation trug die Überschrift „Die Faktoren der Berufswahl“591. In ihm stellte Crottogini seine Ergebnisse und Interpretationen dar. Auf die äußeren Faktoren wie Umwelt, Familie und weitere Umwelt folgte der Abschnitt der inneren Faktoren wie Begabung, Temperament, sittlich-religiöse Dispositionen, Sexus, Eros und Zölibat.592 Im dritten Abschnitt schließlich sollte das Zusammenspiel der äußeren und inneren Faktoren untersucht werden.593 Für dieses Schlusskapitel erarbeitete er außerdem einen weiteren „kleinen“ Fragebogen, der an eine kleine Vergleichsgruppe in ihrem Priesterwunsch gescheiterter „Ehemaliger“ ging, um die hemmenden Faktoren derjenigen zu evaluieren, die СКАЧАТЬ