Zensur im Dienst des Priesterbildes. Jessica Scheiper
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СКАЧАТЬ Bekanntgabe des Berufswunsches konnte Crottogini unter den Theologen ermitteln, dass die meisten zunächst mit ihren Eltern darüber gesprochen hatten. An nächster Stelle rangierten erst Priester (auch etwa der Beichtvater) als Ansprechpartner, dann Freunde, Geschwister, Lehrer und andere Verwandte. Hier fand es Crottogini bezeichnend, dass sich mehr als 90% der Befragten daran erinnern konnten.639

      Zu inneren und äußeren Krisen (Berufskrisen) gab nur etwas mehr als ein Drittel an, keine nennenswerten Schwankungen erlebt zu haben. Die restlichen Befragten (69,4% der Schweizer, 58,7% der Ausländer) nannten vor allem Schwierigkeiten in den Bereichen Sexus, Eros und Zölibat. Bei 271 Schweizern (63,8%) und 117 Ausländern (59,7%) sei dadurch der Berufswunsch ernst in Frage gestellt worden.640 Zeitlich sei das meist mit der Reifephase einhergegangen. Psychologisch fand Crottogini dies aber leicht erklärlich: Da in dieser Zeit der Reife eine Umwertung der Werte stattfinde, sei es nicht verwunderlich, wenn auch das kindliche Ideal des Glaubens und des Berufes davon erfasst würde.641 Aber auch hier erkannte Crottogini Problemstellen seines eigenen Projekts:

      „Erst wenn wir in der Lage wären, neben den ‚positiven‘ auch die Zahl der ‚negativen‘ Fälle zu ermitteln, d. h. die Anzahl jener Jugendlichen, die infolge der obigen Schwierigkeiten am früher angestrebten Priesterberufsideal endgültig irre wurden, könnten wir uns über die wirkliche Tragweite dieser phasenbedingten Berufskrise ein objektives Urteil erlauben.“642

      Deshalb stellte er wieder einen Vergleich mit der Gruppe der Laien („Ehemalige“) an, von denen zwei Drittel (67%) angaben, den einstigen Berufswunsch aufgegeben zu haben. „Wie bei den Theologen, so fiel auch bei diesen ‚Ex-Theologen‘ die verhängnisvolle Berufskrise meistens mit den Anfängen der Pubertätskrise zusammen.“643 Crottogini leitete ab, die Merkmale der ersten Phase der Reifezeit („innere Unbestimmtheit, Unsicherheit, Unabgeklärtheit und affektive Labilität“644) stellten für das naive Berufsstreben jugendlicher Priesterkandidaten eine ernste und schwere Belastung dar, denen der Großteil der jungen Männer nicht gewachsen gewesen sei. Wobei Crottogini weniger solche Krisen als Problem bewertete, sondern eher ihr Fehlen:

      „Da dieser Tatbestand [der ernsten Belastung und Herausforderung; J. S.] Anspruch auf eine gewisse Allgemeingültigkeit erhebt, sollte er vor allem von Eltern und Erziehern angehender Priesteramtskandidaten beachtet werden. […] Es handelt sich dabei nicht um etwas Abnormales. Vielmehr sollten die Erzieher sich klar darüber sein, daß es für die Weiterentwicklung und die Stetigkeit in der späteren Berufsausübung nicht ohne weiteres ein gutes Omen ist, wenn der Jugendliche diese Phase ohne jede Störung durchläuft.“645

      Viele dieser Jugendlichen, so Crottogini weiter, die ihr Ideal einst aufgaben, wären trotz ihrer sexuellen Schwierigkeiten durchaus fähig und letztlich auch bereit gewesen, dem Priesterberufsideal die Treue zu halten. Allerdings habe ihnen in diesen Sturm- und Drangjahren eine Erzieherpersönlichkeit gefehlt, die nicht nur das notwendige innere Verständnis für die entwicklungsbedingten Schwächen aufgebracht, sondern auch den Mut gehabt hätte, mit entsprechenden Forderungen an ihren jugendlichen Idealismus heranzutreten.646 Im Hinblick auf andere Berufswünsche hätten bei der Theologengruppe diejenigen, die überhaupt eine Alternative zum Priestertum wahrgenommen hätten (ca. 50%), sich meist vorstellen können, Arzt oder Lehrer zu werden. In beiden Berufen sah er Parallelen zum Priesterberuf, da lehren und erziehen bzw. helfen und heilen gemeinsame äußere Tätigkeiten von Lehrern bzw. Ärzten und Priestern seien.647

      Zu der Frage nach der Entscheidung zwischen Welt- und Ordenspriesterberuf berichteten 66,5%, erst eine Weile unentschlossen gewesen zu sein, bevor sie sich endgültig entschieden hätten.648 Dabei ging es Crottogini nicht mehr um die grundsätzliche Frage, Priester werden zu wollen oder nicht, sondern nur noch um die Wahl der Lebensform. Im Durchschnitt sei diese Entscheidung in der Adoleszenz gefallen, ein für Crottogini erwartungsgemäßes Ergebnis, weil diese definitive Entscheidung einen hohen Grad innerer Reife und äußerer Sachkenntnis voraussetze.649 Als den entscheidenden äußeren Faktor für die Wahl der Lebensform ermittelte er den persönlichen Kontakt zu einem Welt- oder Ordenspriester. Eltern, Freunde, Publikationen und katholische Schulen folgten erst an weiterer Stelle. Seine Frage nach den entscheidenden inneren Faktoren für die Wahl der Lebensform war nur bedingt eindeutig auswertbar, weil es auch hier wieder Mehrfachnennungen gab.650 70% aller Teilnehmer aber gaben an, sich von gott- oder gemeinschaftsbezogenen Beweggründen haben leiten zu lassen.651 Insgesamt wertete Crottogini noch aus, die „Weltkleriker ließen sich in ihrer endgültigen Berufswahl mehrheitlich von sozialen Motiven leiten, während die letzte Berufsentscheidung der Ordenskleriker vorwiegend unter dem Einfluß religiöser Werte stand.“652 Er bedauerte, keine genaueren Aussagen machen zu können.653

      In seinen Schlussbetrachtungen betonte Crottogini zusammenfassend noch einmal die besondere Rolle des Priestererziehers: Der Erzieher müsse unbedingt von den natürlichen entwicklungsbedingten Schwierigkeiten der Kandidaten wissen. Nur dann werde er die Krise, selbst wenn sie mit der Preisgabe des kindlichen Tdeals ende, nicht zu tragisch nehmen, andererseits aber doch alles einsetzen, um den Jugendlichen in ihrer oft harten Berufsnot beizustehen. Allein so könne man vielen die innere Berufssicherheit wieder schenken können. Die übrigen könne er aber immerhin in dieser Zeit von einer definitiven Berufsentscheidung abhalten, bis man das angestrebte Berufsziel objektiv bewerten könne.654 „Durch eine solche, von einem klugen Erzieher geleitete Verzögerungs- und Ermutigungstaktik könnte von den vielen, objektiv – wie wir gesehen haben – oft gar nicht gerechtfertigten ‚Pubertätsabgängern‘ vermutlich mancher dem Priesterberuf erhalten bleiben.“655

      Anfang 1954 reichte Crottogini seine Dissertation bei seinem Erstgutachter Montalta ein. Sein Zweitgutachter war Norbert Luyten OP.656 Die Gutachter kamen zur übereinstimmenden Bewertung summa cum laude.657 Die sich anschließenden mündlichen Prüfungen am 15. Mai habe er auch mit Auszeichnung bestanden, berichtete Crottogini in einem Brief an seinen Generaloberen am 23. Mai 1954.658 Im selben Brief beschrieb er die aktuelle Uneinigkeit zwischen ihm und Montalta über den Ort der Drucklegung. Montalta sei viel daran gelegen, die These in dessen Reihe Arbeiten zur Psychologie, Pädagogik und Heilpädagogik im Universitätsverlag zu veröffentlichen. Die finanziellen Bedingungen seien aber ungünstig. Crottogini sei deshalb vom Generalökonom der SMB gebeten worden, noch andere Angebote einzuholen. Er sei dem auch nachgekommen, habe aber bislang keine Antworten erhalten.659 Die Frage der Drucklegung war vor allem finanziell relevant: Die von der Hochschule geforderte Auflage von 50 gedruckten Pflichtexemplaren wäre eine kostspielige Angelegenheit geworden und, da er aufgrund seines Armutsversprechens nur über ein kleines monatliches Taschengeld verfügte, zu Lasten der Missionsgesellschaft gegangen.660 Konnte er aber einen Verlag finden, der seine Dissertation in seinem Verlagsprogramm veröffentlichte, könnten die Bedingungen angenehmer und die Eigenbeteiligung niedriger ausfallen. „Bereits der erste Verlag, der Benziger Verlag in Einsiedeln, war sofort bereit, meine Dissertation zu veröffentlichen.“661 Ob Crottogini überhaupt weitere Verlage kontaktierte, geht aus seinen erhaltenen Aufzeichnungen nicht hervor. Am 18. Juni 1954 erhielt Montalta einen Brief von Oscar Bettschart, Direktor des Benziger Verlags in Einsiedeln, in dem er sich auf ein vorheriges Telefonat bezog: „[V]on der Arbeit von CROTTOGINI werden 200 Exemplare in der Wissenschaftlichen Reihe des Institutes erscheinen und 50 Exemplare als Dissertation.“662 Daneben sollte eine normale Buchausgabe in den Handel gehen.663

      Im Juni 1954 stand damit zumindest fest, dass der renommierte Verlag aus Einsiedeln mit Zweigstelle in Köln das Buch verlegen würde. Der Verlag war bereit, die Dissertations-Exemplare Crottoginis mit seinem Honorar für die Exemplare aus dem

      Handel zu verrechnen.664 Knapp zwei Wochen später, am 2. Juli, erhielt Crottogini deshalb zwei Ausfertigungen des Verlagsvertrags.665 Zu diesem Zeitpunkt trug das Werk noch den Originaltitel Die СКАЧАТЬ