Название: Gesammelte Werke
Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237517
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Was aber soll ich in Eurem Namen schreiben, lieber Junker? Sagt mir's wörtlich vor; ich will es dann versuchen zu behalten und ins Latein umzustellen, so schwer es mir auch werden wird.
Ich danke Euch von Herzen, sagte Heinz sehr erleichtert. Schreibt denn etwa also: »Gnädiger Herr Komtur! Der diesen Brief an Euch richtet, heißt mit Namen Heinrich von Waldstein und ist von Herrn Heinrich von Plauen, damals Komtur von Schwetz, seinem Verwandten, ins Land berufen worden. Lieber Herr Komtur! Ich bitte Euch gar sehr, daß Ihr ihm gelegentlich melden wollet, wie ich bei Tannenberg schwer verwundet und in polnische Gefangenschaft geraten bin und auf dem Schlosse Sczanowo an meinen Wunden krank liege und dem Tode nahe bin. Sollte mich aber der gnädige Gott wider Vermuten nochmals zu Kräften kommen lassen, daß der Herr Hochmeister meiner nicht vergesse und mich mit den andern Gefangenen aus der Gefangenschaft löse; damit ich ihm wieder zu Diensten sei. Auch weiß Herr Heinrich von Plauen, daß ich eine Schwester habe, Waltrudis mit Namen, der wolle er einen Gruß bestellen. Zudem, so bitte ich Ew. Gnaden inständigst, daß Ihr in der Rechten Stadt Danzig dem Ratsherrn Huxer Nachricht geben wolltet von allem, was ich Euch geschrieben habe, ihm und seiner Tochter Maria, wie ich verwundet und gefangen bin und meiner Leiden nicht erlöst werde. Wolle die Jungfrau mir noch ein Liebes erweisen, so möge sie zu ihrer Namensheiligen beten, daß sie mir Gnade zuwende, sei es in diesem, sei es im ewigen Leben. Den Ring aber kann ich ihr nicht zurückgeben, weil er mir genommen ward, da ich für tot lag. Das mag den Buben schlechten Lohn eintragen.« Und dann füget einen Schluß bei, wie es schicklich ist.
Der Kaplan ließ sich's nochmals und zum drittenmal hersagen, bis er meinte, jedes Wort gut gefaßt zu haben. Sagt niemand, bat der Junker, daß Ihr den Brief für mich schreibt, und gebt ihn mir, wenn er fertig ist, zur Aufbewahrung, bis er einen Boten findet. Sollte ich aber sterben, bevor er befördert wäre, so versprecht mir, ehrwürdiger Herr, daß Ihr die Worte zufügen wollet: »er ist gestorben an dem und dem Tage«, und ihn sodann absenden werdet, so schleunig es sein kann. Denn besser ist's, sie weiß, daß ich nicht mehr unter den Lebenden bin, als daß sie nutzlos um mich sorgt.
Das letzte sprach er ganz leise vor sich hin, aber der Pater hatte die Worte doch verstanden. Er versicherte dem Junker, daß er alles wohl ausrichten werde und eine Todesnachricht ohne Mühe zu schreiben wisse. Als er dann aber, das Lämpchen in der Hand, langsam die Steintreppe hinabstieg, blieb er öfters stehen und wiegte den Kopf. Es war nicht, weil er bedachte, wie er die lateinischen Worte stellen sollte, daß sie alles ausdrücken möchten, was der Junker ihm aufgetragen zu schreiben. Er war aber so weit ein weltkluger Mann, daß er sich's zu reimen wußte, wie es um des Junkers Herz stand. Das bekümmerte ihn Natalias wegen. Unten in seiner Zelle überkam ihn der sündige Gedanke, es sei am Ende das kleinste Leid, wenn der Junker seiner Krankheit erliege. Dann aber bekreuzte er sich und betete zu Gott, daß er's nach seiner Weisheit einrichte.
Den Brief malte er in den nächsten Tagen mühsam auf ein Blatt Papier, das er aus einem von ihm abgeschriebenen Psalter ausschnitt, der die Lage nicht ganz gefüllt hatte. Er faltete ihn zusammen, legte einen Kreuzfaden herum und siegelte mit Wachs. Die Aufschrift lautete: »An den Herrn Komtur zu Danzig«, ohne Namen. Heinz verwahrte das Schreiben unter seiner Decke.
Bald darauf war's, als Herr Michael von Kroczinski mit der ganzen Vetterschaft nach Raciaz zum König reiste. Heinz erfuhr davon durch Natalia, fürchtete aber Verdacht zu erregen, wenn er durch die Polen einen Brief an einen Ordensgebietiger übergeben ließ, und hielt ihn lieber noch zurück.
Natalia aber trug einem der Vettern dringend auf, in Raciaz nach des Königs Leibarzt zu fragen, ihm den Krankheitsfall vorzutragen und ein Heilmittel zu erbitten.
Der Vetter führte diesen Auftrag auch aus, brachte aber, als er mit dem größten Teil des Gefolges zurückkehrte, die Antwort mit, der Arzt müsse den Kranken selbst sehen und befragen. Der Vetter erzählte übrigens, daß der Arzt des Königs ein Jude sei, Leib Israel heiße und in dem Rufe stehe, schon die wunderbarsten Heilungen ausgeführt zu haben. Der König vertraue ihm mehr als den christlichen Doktoren, die in seiner Dienerschaft feien. Man sage, daß Leib Israel sich lange in Spanien bei den Mauren aufgehalten und dort die geheimsten Heilkünste gelernt habe.
Nun hatte das Fräulein nur noch den einen Gedanken, wie sich's bewerkstelligen ließe, daß der berühmte Arzt nach Sczanowo käme und ihren Kranken untersuchte. Die Sache hatte ihre erheblichen Schwierigkeiten, da es sich um eine Reise im Winter handelte. Sie besaß eine goldene Kette von Wert, die der Vater ihr zu ihrem sechzehnten Geburtstag geschenkt hatte; die wollte sie gern opfern und auch den ungarischen Goldgulden zulegen, der ein Patengeschenk war, wenn nur der Arzt durch diesen Lohn zu gewinnen sei. Aber wie zu ihm gelangen? Wie ihn nach Sczanowo herüberschaffen? Sie eröffnete sich ihrer Mutter und bat sie unter Tränen, ihr beizustehen. Frau Cornelia zuckte die Achseln und meinte, es sei närrisch, daß sie sich um den deutschen Junker so viel Sorge mache. Natalia ließ sich nicht entmutigen. Sie führte nun selbst ihre Sache bei den Vettern und schmeichelte so lange, bis zwei derselben ihr zusagten, einen Schlitten auszurüsten und zu begleiten, so hoffnungslos auch das Unternehmen sei, denn schwerlich werde der Arzt ihren Bitten nachgeben. Ich selbst komme mit euch, sagte sie, und hole ihn ab. – Eines Morgens früh erschien sie ganz in Pelze gehüllt im Turmstübchen. Sie sagte Heinz, was im Werke sei, und nahm für einige Tage Abschied von ihm. Haltet tapfer solange aus, mahnte sie, und sucht Euch ohne mich zu behelfen. Pater Stanislaus wird Euch treu zur Seite stehen. Ungern wahrlich verlasse ich Euch, aber ich hoffe, es ist zu Eurem Wohl.
Heinz drückte dankbar ihre Hand. Es ist mir nicht zu helfen, sagte er, aber in seinen Augen leuchtete doch ein Funke Lebenslust auf: noch gab man ihn nicht verloren. Und sie war's, seine treue Krankenpflegerin, die sich für ihn aller Unbill einer Winterreise aussetzte! Wie sie das Gesichtchen in der steifen Pelzkapotte nicht von ihm abwandte bis zur Tür hin – und er täuschte sich sicher nicht: eine Träne hing in ihren Wimpern.
Als er mit sich allein war, fiel es ihm wieder aufs Gewissen, daß er ihr so viel Güte und Treue nicht würde vergelten können. Es war ihm nun fast ein Trost, sich vorzustellen, daß doch all ihr Mühen, ihn am Leben zu erhalten, vergeblich sein werde. Seine Stimmung wurde wieder sehr schwermütig. Der Kaplan, als er ihn besuchte, fand ihn geneigt, über die Dinge im Jenseits zu sprechen.
Am andern Tage bemerkte der geistliche Herr von seiner Zelle aus, daß ein Schlitten mit vier kleinen Pferden in einer Reihe auf den Hof fuhr und einer der Holzjuden, reisefertig gekleidet, ins Haus trat, um mit den Herren zu sprechen. Er erkundigte sich, wohin das Fuhrwerk bestimmt sei, und erfuhr, daß der Jude auf der Weichsel nach Thorn wolle, um dort Geld zu besorgen, vielleicht auch bis Danzig hinaufgehe, wegen der Hölzer abzuschließen für den Fall, daß der Friede wieder freie Schiffahrt gestatte. Er ging sogleich zu dem Kranken hinauf und sagte es ihm. Da sei nun eine günstige Gelegenheit, den Brief mitzuschicken, meinte er.
Den Junker überraschte diese Nachricht sichtlich. Es war ihm Bedürfnis gewesen, den Brief schreiben zu lassen. Nun er geschrieben war, drängte es ihn nicht mehr so sehr, ihn auch befördert zu sehen. Er hatte sich schon darauf gefaßt gemacht, daß er unter seiner Decke liegenbleiben werde, bis man ihn selbst hinaustragen würde zu seiner letzten Ruhestätte. » ortuusest « – würde der Pater darunter schreiben und drei Kreuze beifügen. Im entscheidenden Augenblick СКАЧАТЬ