Gesammelte Werke. Ernst Wichert
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Ernst Wichert страница 99

Название: Gesammelte Werke

Автор: Ernst Wichert

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027237517

isbn:

СКАЧАТЬ leidenschaftlich, drückte seine Hände zurück und küßte ihn rasch.

      Dann brach sie in heftiges Weinen aus und verließ das Gemach.

      Ihrem Oheim sagte sie, daß der Jude eingewilligt habe, mit ihr nach Sczanowo zu fahren; er möge gütigst dafür sorgen, daß ein zweiter Schlitten in der Frühe bereit sei. Am Abend erfuhr Herr Michael von Kroczinski, daß der König seinen Leibarzt beurlaubt habe. Nun erst glaubte er daran, daß sein Versprechen Ernst sei.

      Jagello hatte Nachricht erhalten, daß Großfürst Witowd in der Nähe von Thorn angelangt sei und beschlossen, mit ihm in Slotorie zusammenzutreffen. Er beauftragte daher seinen Arzt, nicht zurückzukehren, sondern gleich weiterzureisen und ihm dort Quartier zu bestellen.

      Man langte gegen Abend in Sczanowo an. Der Schlitten stand noch nicht, als Natalia schon hinaussprang, die Pelze abwarf und dem Turm zueilte. Pater Stanislaus kam ihr entgegen. Lebt er? rief sie.

      Er lebt, antwortete er. Aber seit Mittag hat ein tiefer Schlaf –

      Sie wies mit der Hand zurück. Des Königs Leibarzt –! Empfangt ihn – ruft die Dienerschaft – sorgt für ein wohnliches Schlafgemach –! Hastig jagten sich die Worte. Sie eilte die dunkle Steintreppe hinauf, trat in das Gemach ein, an das Bett des Kranken. Der Mond schien hell und streifte sein bleiches Gesicht. Er atmete so leise, daß sie sich tief über ihn beugen mußte, um den schwachen Ton zu vernehmen.

      Dieses Leben gehört mir, wenn ich es ihm rette! jauchzte es in ihr. Überwältigt von diesem Gefühl der Freude, daß es ihr gelingen könnte, dem geliebten Manne Hilfe zu bringen, und leidenschaftlich erregt durch seinen tagelang vermißten Anblick, senkte sie das Gesicht noch tiefer und wollte einen Kuß auf seine Lippen drücken. In demselben Augenblick aber machte er im Schlaf eine Wendung mit dem Kopf zur Seite, so daß er sich ihr entzog.

      Sie stutzte. Daß er schlief, war kein Zweifel; aber auch so hatte ihr diese Bewegung Bedeutung. Ach, ich darf nicht – murmelte sie vor sich hin, noch nicht … mein Mund ist entweiht. Aber für dich – für dich geschah es ja! Du sollst es wissen, wenn du gerettet bist. Und dann … nein, dann wirst du so grausam nicht sein, mich deshalb zu verwerfen!

      Heinz bewegte im Schlaf die Lippen, sein Gesicht verklärte sich. Er träumt, dachte sie und merkte gespannt auf, zu ihm niedergebückt. Da hörte sie leise, aber ganz deutlich, ein warmes: Maria – ach! Maria!

      Es war, als ob eine Schlange sie stach, so schnellte der ganze Oberkörper zurück. Maria! Sie griff mit der geballten Hand nach dem Herzen. Maria! Heiße Tränen rollten über ihre Wangen herab, immer rascher einander folgend, wie glühende Bleitropfen die Haut sengend. Maria! Sie wandte das Gesicht ab, taumelte in die Fensternische, drückte die Stirn gegen das eiskalte Steinkreuz. So stand sie wohl eine Viertelstunde. Sie atmete keuchend, wie jemand, der in wildem Lauf ein Ziel erjagt hat und nun erschöpft am Boden liegt.

      Auf der Treppe wurden Stimmen laut, Schritte vernehmbar. Sie rührte sich nicht von der Stelle, wischte aber mit eiliger Hand die Tränen fort. Der Vorhang hob sich. Pater Stanislaus leuchtete mit dem Lämpchen voran. Es folgte der Arzt, und nach ihm kamen einige Diener mit Fackeln; sie blieben auf seinen Wink draußen stehen.

      Der Pater hielt die Lampe über den Kranken hin, nachdem er den Docht noch weiter über die Rinne vorgezogen hatte, damit die Flamme sich vergrößere. Leib Israel schlug die Decke von der Brust zurück und besichtigte aufmerksam die Wunde. Als er sie mit dem Finger berührte, erwachte der Kranke und sah mit verwirrtem Blick zu dem fremden Gesicht auf. Des Königs Arzt, sagte der Pater, um ihn zu verständigen.

      Nun beantwortete er die Fragen, die der Doktor ihm vorlegte, erst mit matter und schläfriger Stimme, dann sicherer und fester. Als derselbe im Examen eine Pause machte, wandte er sich an den Kaplan und erkundigte sich, ob auch das Fräulein wohlbehalten zurückgekehrt sei. Natalia hörte es, verließ aber ihren Platz in der Nische nicht. Das Herz schlug ihr wieder heftiger, aber nicht freudiger.

      Ich muß Euch Schmerz bereiten, sagte nun der Arzt. Wahrscheinlich ist meine Vermutung richtig, daß der Pfeil vergiftet war, aber ich brauche Gewißheit, daß ich mich in der Art des Giftes nicht täusche. Beißt die Zähne zusammen. Junker – die Qual soll nicht lange dauern, und ich schaffe Euch dann schnell Linderung.

      Er führte nun mit geschickter Hand ein feines Metallstäbchen in die Wunde ein und beobachtete mit gespanntem Blick den vorragenden Teil, indem er die Lampe dicht daran hielt. Es veränderte sogleich seine Farbe. Nach einer Weile zog er es wieder sanft heraus. Heinz stöhnte leise und atmete kurz, schrie aber nicht.

      Ihr habt Euch gehalten wie ein Kriegsmann, lobte der Arzt. Er zog aus dem Aufschlag seines Ärmels ein Kristallfläschchen vor, öffnete es vorsichtig und tröpfelte ein wenig von einer stark riechenden Flüssigkeit in die Wunde. Der Schmerz schien sofort nachzulassen. Nun besorgt Eis, befahl er dem Kaplan, tut es in einen Beutel und kühlt damit die Wunde. Das Eis muß die ganze Nacht durch erneuert werden, damit das Fleisch rundum völlig abstirbt. Für heute kann ich weiter nichts für den Kranken tun. Morgen aber, nach Sonnenaufgang, will ich versuchen das Gift zu bannen. Ihr werdet ruhig schlafen, Junker. Gute Nacht!

      Leib Israel ließ sich von den Fackelträgern hinab und über den Hof nach der Halle leiten, wo ihn Herr Jakob von Kroczinski mit der ganzen Gevatterschaft empfing. Des Königs Arzt war eine Persönlichkeit, die er meinte, hoch in Ehren halten zu müssen, damit er bei Hofe nichts Übles von Sczanowo berichte. In der Küche flammten schon die Herdfeuer und drehten sich unter den Händen flinker Köche und Mägde die Spieße.

      Der Kranke schlief rasch wieder ein. Als der Kaplan sich entfernen wollte, trat das Mädchen vor und sagte: Besorgt das Eis und den Beutel – ich selbst werde die Nacht durch bei ihm wachen. Er wollte Einspruch erheben, aber sie wies ihn zurück. Was ich angefangen habe, will ich zu Ende führen.

      Erst gegen Morgen ließ sie sich durch den Pater ablösen. Sie war dann auch nicht zugegen, als der Arzt seinen zweiten Besuch machte. Er fand die Wirkung der Eisumschläge ganz nach Wunsch, die Entzündung gehoben, entfernte das wilde Fleisch von den Wundrändern, tränkte einen Pfropfen gezupfter Leinwand mit einer Essenz von leuchtender Farbe und füllte damit die Vertiefung aus. Darüber legte er ein kleines Tuch und begoß dasselbe mit der Flüssigkeit, die er schon gestern angewandt hatte und die sofort einen säuerlichen Geruch durch das ganze Gemach verbreitete. Dem Kaplan sagte er, wie lange die Wunde nun unberührt bleiben solle und wann der Pfropf noch zweimal zu erneuern sei. Er ließ ihm dazu das Fläschchen mit dem Elixier zurück. Auch lehrte er ihn aus besonderen Kräutern einen Trank bereiten und gab ihm ein weißes Pulver, das er dazuschütten sollte. Zweistündlich habe der Kranke davon einen Löffel voll einzunehmen.

      Es ist doch nichts dabei, fragte der geistliche Herr etwas ängstlich, was ein christlicher Priester sich hüten muß, selbst unwissentlich zu gebrauchen?

      Der Jude zuckte verächtlich die Schultern. Ihr möget mit ruhigem Gewissen schlafen, Hochwürdigster; bis jetzt hat der Teufel mir noch nicht die Ehre getan, einen Bund anzubieten. Was soll er mit dem Juden anfangen, der ja doch verflucht ist? Lächelnd fuhr er fort: Aber es kann doch sein, daß er ein wenig die Hand im Spiel gehabt hat. Er lockt uns arme Sterbliche durch schöne Weiber. Wenn nicht das hübsche Kind für den Junker gebeten hätte, wer weiß … Aber seid ruhig! Und wollt Ihr ganz sicher gehen, so räuchert das Zimmer hinter mir aus, damit kein böser Stank zurückbleibe. Vale!

      Damit entfernte er sich, ohne noch einen Blick auf den Kranken zu werfen. Der Kaplan nahm aber seinen Rat für alle Fälle ernst, holte aus der Kapelle das Räucherfaß und schwang es treppauf, durch das Turmzimmer und wieder treppab, Gebete murmelnd.

      Der Arzt mußte noch ein Frühstück einnehmen, bei dem der Ungarwein nicht gespart wurde. Seine Begleiter СКАЧАТЬ