Название: Gesammelte Werke
Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237517
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Die beste, antwortete er; so Gott will, ist er gerettet. Dann warf er ihr einen Seitenblick aus den halbgeschlossenen Augen zu. Euer Lohn darf Euch nicht gereuen, Fräulein.
Sie richtete sich stolz auf. Wißt Ihr das? antwortete sie. Wenn er heute gefordert würde – vielleicht zahlte ich ihn nicht mehr, gälte es auch sein Leben. Aber es ist geschehen, und wir sind einander nichts schuldig.
Die Pferde zogen an. Bald verklang das Schellengeläute hinter der Uferhöhe.
26. IN DER KUTTE
Seit des Hochmeisters Bruder, der jüngere Heinrich von Plauen, als Komtur in das Danziger Schloß eingezogen war, hatte sich dort gar viel geändert. Er fand einen Ritterkonvent, der sich von der Ordensregel entwöhnt hatte, faule Priesterbrüder, die gern die Nachtgezeiten verschliefen, und eine Besatzung von Söldnern, die, weil sie schlecht gelohnt waren, selbst meinten, die Herren spielen zu können. Bei der Übergabe des Inventars zeigte sich's, daß die Waffen- und Vorratskammer leer waren, selbst von dem silbernen Küchengerät manches Stück fehlte. Es war durchweg eine verlotterte Wirtschaft.
Der junge Komtur brachte ein strenges Regiment. Im Kapitel wurde das Ordensstatut verlesen, die Soldhauptleute behandelte er wie der vornehme Herr, der überall die Entscheidung sich vorbehält. Die Weideplätze am Fluß und die Waldungen auf der Nehrung, die sich die Rechte Stadt Danzig vom König hatte verschreiben lassen, nahm er recht augenfällig wieder für den Orden in Besitz, und in das Blockhaus am Ausfluß der Weichsel legte er eine starke Besatzung, weniger wohl, um den Vitalienbrüdern zu drohen, als den Danzigern zu zeigen, daß er auch hier über die Schiffahrt Herr sein wolle.
Er beging das ganze Schloß von den Böden bis zu den Kellern hinunter. Bei dieser Revision kam er auch zu den Kammern im Kellergeschoß des Haupttores, die als Gefängnisse benutzt wurden. Einige derselben fand er besetzt mit wild aussehenden, bärtigen Gesellen. Wer sind die Leute, fragte er, und weshalb sind sie eingekerkert?
Das sind die Seeräuber, gnädiger Herr, wurde ihm geantwortet, die im Frühjahr von dem Danziger Kapitän Halewat eingebracht sind. Er hat sie gefangen mit Hilfe einiger von den Brüdern des Ordens, deshalb ist den Danzigern das Gericht über sie untersagt. Herr Johann von Schönfels hat ihnen aber nicht ans Leben wollen, sondern meinte sie besser aufzubewahren, bis man sie gegen gefangene Ordensleute auswechseln könnte. So sind sie halb und halb vergessen.
Schlagt uns lieber die Köpfe herunter, rief einer von den Gefangenen, dem der rote Bart über das zerfetzte Kleid bis zum Gürtel hinabhing, als daß ihr uns hier wie räudige Hunde auf faulem Stroh liegen laßt ohne Luft und Licht. Oder gebt uns die Freiheit, damit wir's den Danzigern eintränken können. Ich denke, wir sind beide gleich schlecht auf sie zu sprechen.
Der Komtur warf den Kopf auf. Wer ist der freche Bursche?
Der freche Bursche ist Marquard Stenebreeker, antwortete der Rotbart mit verbissenem Lachen. Ich hoffe, Ihr habt von ihm gehört.
Als von einem kühnen Räuberhauptmann – in der Tat. Es ist schade, daß man Euch nicht zur rechten Zeit um einen Kopf kürzer gemacht hat, die unverschämte Zunge wäre gleich mitgegangen. Nun mag ich meinem Vorgänger nicht die Nachlese halten. Es kann sein, daß Ihr noch einmal Euren Preis habt, darum soll man Euch weiter füttern. Aber wahrhaftig, die Luft ist schlecht und das Stroh faul. Ich will nicht, daß Ihr uns die Pest ins Schloß bringt. Gebt ihnen ein reinliches Gefängnis mit einem Luft- und Lichtloch nach dem Wasser hinaus. Den Danzigern, sagt Ihr, wollt Ihr's eintränken? Das gefällt mir. Vielleicht findet sich einmal Rat und Gelegenheit dazu. Wenn ich allein mit ihnen nicht fertig werde, will ich mir Euren Beistand erbitten.
Er ging lachend weiter. Marquard Stenebreeker und seine Gesellen aber konnten mit seinem Spruch zufrieden sein. Sie wurden noch selbigen Tages ein Geschoß höher einquartiert, erhielten frisches Stroh und fortan auch bessere Kost. Das Licht- und Luftloch freilich war so eng, daß ein menschlicher Leib sich schwer durchzwängen konnte, und mit dicken Eisenstäben verwahrt. An ein Entweichen war daher nicht zu denken.
Sobald der Komtur sein Regiment im Schlosse festgestellt hatte, ging er an die Ausführung seiner weiteren Pläne, ohne sein Kapitel mit langen Beratungen zu behelligen. Den Bürgermeister der Jungstadt nebst seinem Kumpan und die sechs Ratmannen ließ er zu sich entbieten, und sie erschienen sogleich in ihren Feiertagskleidern. Die beiden Kämmerer hatten den rückständigen Zins von den Häusern mit, der während des Krieges nicht eingezogen war, und legten ihn auf den Tisch nieder. Ihr hättet nicht warten sollen, schalt der Komtur, bis man euch mahnte. Sie entschuldigten sich, so gut sie konnten.
Ich will's näher untersuchen, sagte der Gebietiger in rauhem Tone. Es wundert mich überhaupt, daß ihr Jungstädter nicht vorwärts und in die Höhe kommt. An der Herrschaft Unterstützung hat es euch wahrlich nicht gefehlt. Schämt euch! Ich erwarte in Zukunft bessere Dinge von euch!
Der Bürgermeister verneigte sich tief. Brecht nicht so leicht über uns den Stab, gnädiger Herr, bat er. Der Handel ist wie ein Baum. Man kann nicht einen Stamm in die Erde stecken und sagen: Nun blühe und trage Früchte. Und wär's die fruchtbarste Erde, der Stamm bleibt dürr, und was man darauf hängt, das fällt wieder ab. Ein Baum, gnädiger Herr, will aus kleinem Keim aufwachsen und seine Wurzeln langsam ins Erdreich strecken, sich zu befestigen. So ist es auch mit dem Handel. Es nützt nicht, daß man ein stattlich Kaufhaus erbaut und Waren auflegt und Geld in den Beutel füllt. Der Handel hat seine alten Straßen und Verkehrsplätze, und wer dort gehen und verkehren will, muß zugelassen sein von denen, die Besitz ergriffen haben. Die aber im Besitze sind, halten zusammen. Wie sollen wir etwas unternehmen gegen die mächtige Hansa? Die Lübecker lassen niemand in den Bund, der nicht frei über sich verfügen kann, und wir –
Er stockte und trocknete den Schweiß von der Stirn. Der Komtur lachte auf: Aha, da steckt's! Ihr möchtet frei sein wie die Rechtstädter. Hat der Orden nicht genug an dem einen Wespennest?
Gnädiger Herr, entschuldigte der Bürgermeister, wir sind allezeit dem Orden treu und ergeben gewesen und haben nicht größere Freiheit begehrt, als uns billig gewährt worden. Aber scheltet nicht unsere Schwäche. Wohin sollen wir uns wenden? Überall nimmt die Rechtstadt Danzig an den hanseatischen Privilegien teil und schließt uns aus. Kommen wir nach London, da haben wir Deutsche keine Sicherheit, außer im Stahlhof. In Brügge mag der Orden seinen Bernstein verkaufen, aber wer sonst Handel treiben will, muß der Faktorei genehm sein. Seit zwei Jahren haben die preußischen Städte von König Albrecht ihre eigene Vitte erlangt zwischen der Lübecker Vitte und den dänischen Buden am Strande. Wer setzt aber den Vogt dort ein? Die Danziger Rechtstadt mit drei anderen großen Städten. Und wenn wir nun unsere Schuten schicken zur Schonenzeit, den Hering zu fischen, da treibt man uns fort. Und so geht's auch im St.-Petershof zu Groß-Nowgorod und in Wisby und im Kontor zu Kauen. Der Orden kann uns nicht schützen; er ist selbst allerorten ungern gesehen, wo er mit seinen Waren Handel treibt, und alle Feindschaft der Rechtstadt schreibt sich daher.
Der Komtur schlug mit der Faust auf den Tisch. Da könnt Ihr recht haben. Aber wir wollen ihren Übermut wohl dämpfen, bei der Jungfrau Maria und allen Heiligen sei's geschworen! Sie sind nicht so frei, als sie sich's dünken. Ihr aber überleget, wie wir zu unser beider Nutz Hand in Hand gehen.
Damit verabschiedete er den Rat der Jungstadt. Die Ratmannen trennten sich schweigend und schlichen in ihre Häuser. Jeder aber dachte wie der andere: Der neue СКАЧАТЬ