Gesammelte Werke. Ernst Wichert
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ernst Wichert

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027237517

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СКАЧАТЬ mich nicht verraten, entgegnete Hans wenig beunruhigt.

      Der Wald war nicht der einzige Zeuge dieses Gesprächs, das sich noch eine Weile über so gefährliche Dinge fortsetzte. Liszek, der mit den andern Dienern einige Schritte seitwärts im Grase lag und an dem Flügel eines Vogels nagte, spitzte die Ohren. Verstand er auch nicht alles, was gesprochen wurde, so war doch auch das wenige, zumal wie er sich's zurechtlegte, ganz geeignet, seinem Herrn, dem Bischof, gelegentlich hinterbracht zu werden. Vom Papst und Johann Huß war die Rede gewesen!

      Indessen hatte der Okoniner Bursche den alten Waldmeister in seiner Hütte aufgefunden und des Gutsherrn Bestellung ausgerichtet. Gundrat knurrte und fluchte, machte sich aber doch bereit. Er hatte am Morgen die Knechte aufs Feld geschickt, holte nun einen Teil vom Pfluge fort zu den Waldweideplätzen und schritt dann, die Armbrust über der Schulter und ein kurzes Schwert an der Hüfte, dem See zu, auch im Heidenwall die junge Mannschaft aufrufend. Weiter am Ufer entlang auf bekannten Schleichpfaden ging er der Schlucht zu, an deren oberem Ende die drei alten Eichen standen.

      Er näherte sich ihnen, durch Buschwerk gedeckt, immer nach den Jägern ausspähend. Da hörte er sprechen. Er bog die dünnen Äste zurück und sah Leute im Grase liegen. Dort aber – an den Stamm der mittleren Eiche gelehnt, saß da ihm gegenüber ein Mann, dessen Anblick ihn offenbar mit Schreck erfüllte. Der ganze Körper zuckte, und die Augen starrten auf das Gesicht hin. Eine Sekunde lang stand er wie angewurzelt, aber nur eine Sekunde lang. Dann stieß er ein stöhnendes Ah – er! aus, riß die Armbrust von der Schulter, spannte sie und warf einen Bolzen in die Rinne.

      Blaurot wurde sein Gesicht, zornig flammten die Augen. Er legte den Kolben an die Backe, zielte – die Hände zitterten. Verführer – Mörder! schrie er und drückte ab.

      Der Bleibolzen zischte durch die Luft und schlug in den Eichenstamm ein, keine Handbreit über des Hochmeisters Haupt. Sicher wäre er getroffen worden, wenn er nicht bei dem lauten Aufschrei des Schützen seine Lage verändert hätte. Was war das? rief er jetzt, vom Boden aufspringend und seinen Gegner mit den Augen suchend.

      Hans war zu ihm geeilt. Ein Schuß – dort in die Eiche ist der Bolzen eingeschlagen! Welcher Bube –?

      Wer war der Schütze? fragte Plauen. Wer schrie da – Verführer und Mörder? Ihm nach, Leute! Holt ihn ein – bringt ihn hierher! Er war sehr bleich und sah auch sonst ganz verstört aus. Ich habe die Stimme nicht zum erstenmal gehört, wandte er sich wieder an den Gutsherrn, und mir galt der Schuß. Wer war's – Ihr müßt ihn kennen! In Eurem Walde ist diese Schandtat –

      Gnädigster Herr, fiel Hans ihm in die Rede, straft nicht einen Unschuldigen mit Eurem Zorn. Ich weiß nicht, welcher schändliche Bube – es treibt sich jetzt viel Raubgesindel um – vielleicht, daß man erfahren hat –

      Aber die Stimme, die Stimme –?

      Sie klang heiser und wie von Wut erstickt –

      Verführer – Mörder –

      Ich vernahm die Worte kaum deutlich. Nach dem Ton – aber das ist unmöglich!

      Der Hochmeister sah finster vor sich hin. Die Freude an diesem Tage ist mir verdorben, sagte er. Nicht weil mein Leben gefährdet war – das steht überall in Gottes Hand, und stets hab' ich es eingesetzt mit leichtem Mut. Aber die Stimme – das war ein Feind, auf den ich nicht rechnete. Mörder – Verführer … Er sprach immer leiser in sich hinein, zuletzt ganz unverständlich. Dann schüttelte er sich, als ob er etwas abwerfen wollte, richtete den Kopf hoch auf und rief in herrischem Tone: Die Pferde herbei! Wir reiten heim.

      Zwei von den Dienern hatten in dem unbekannten Walde bald die Verfolgung aufgegeben und eilten zu den Pferden zurück, des Hochmeisters Befehl auszuführen. Einige andere durchsuchten noch die Gebüsche in der Schlucht und drüben am Rande eine Strecke ins Gehölz hinein. Am flinksten war Liszek hinter dem Schützen her gewesen. Er hatte genau die Richtung gemerkt, aus welcher der Ruf kam, und sich in der Nähe gar nicht aufgehalten. Indem er dreist zulief und zu beiden Seiten ausspähte, sah er hinter einem Busch eine Gestalt auftauchen und sich eiligst in der Richtung nach dem See hin entfernen. Er verdoppelte nun seine Anstrengungen und war bald dem Fliehenden auf den Hacken. Steht, rief er ihm zu, oder ich sende Euch einen Bolzen nach, der besser treffen soll als der Eure!

      Der Waldmeister mußte einsehen, daß es ihm nicht gelingen könne, sich seinem Verfolger zu entziehen und den Heidenwall zu erreichen. Das Blut kochte in seinen Adern, das Herz klopfte bis zum Halse hinauf. Schweiß stand auf der knochigen Stirn, und die Knie zitterten vom schnellen Lauf in solcher Erregtheit. Er stellte sich mit dem Rücken gegen einen Baum, spannte seine Armbrust und sagte, mühsam Atem schöpfend: Was wollt Ihr von mir? Keinen Schritt weiter – Ihr seid des Todes!

      Liszek winkte beruhigend mit der Hand. Mann gegen Mann – nicht schießen! Lieber geben Antwort. Wer seid Ihr?

      Gundrat überzeugte sich, daß er's nur mit diesem einen zu tun habe und setzte die Armbrust ab. Ein alter Mann, wie Ihr seht, entgegnete er, ein unglücklicher Mann, dessen Auge nicht mehr sicher ist und dem die Hand zittert. Oder traf mein Bolzen ihn doch, den schändlichen Verführer meines Kindes – den Buben, der mich zum Mörder machte? Nein, nein, nein, er traf nicht! Es gibt keinen gerechten Gott!

      Liszek horchte auf und bekreuzte sich bei den letzten Worten.

      Den Buben – hahaha! Ihr sprecht wenig respektvoll von Eurem gnädigen Herrn Hochmeister.

      Der Alte schrak zusammen. Hölle und Teufel! Der Mann unter der Eiche war –? Die Augen schienen ihm aus dem Kopf treten zu wollen. Wer war der Mann?

      Ja, Ihr müßt ihn doch kennen, wenn Ihr ihm an die Kehle wollt! Heinrich von Plauen, Hochmeister des Deutschen Ordens, kein Geringerer.

      Gundrat sank in die Knie. Heinrich von Plauen – er! rief er. Der Gast meines jungen Herrn –!

      So seid Ihr des Junkers von der Buche Waldmeister, den er an den drei Eichen erwartete. Aber was sprecht Ihr da? Das ist eine schwere Anklage für einen Hochmeister des Deutschen Ordens. Getraut Ihr Euch, sie aufrechtzuerhalten?

      Gundrat ballte die Fäuste. Ich hasse ihn! Er hat mein Leben vergiftet, er hat mich aus Heil in Unheil gebracht! Ja – ich hatt' ihn erkannt. Er war's – er war's gewißlich.

      Mehr als zwanzig Jahre sind darüber hingegangen. Aber wären's fünfzig – ich könnte mich nicht täuschen – er war's! O Mechthild – mein Kind, mein armes Kind! O unseliger Vater! Er schlug mit den Händen gegen die Stirn und raufte sein graues Haar.

      Liszek überkam etwas wie Mitleid, während er zugleich schlau zu überlegen bemüht war, wie diese unverhoffte Entdeckung sich könnte ausnützen lassen. So trat er nun zu ihm und suchte ihn aufzurichten. Wenn Ihr Rache nehmen wollt, sagte er, dazu könnte mit der Zeit vielleicht Rat werden. Ich diene dem Bischof von Kujawien, der des Hochmeisters Feind ist. Habt Ihr einen Anschlag gegen Plauen, so eröffnet Euch dem hochwürdigen Herrn ohne Anstand im Beichtstuhl – der Vergebung Eurer Sünden seid Ihr sicher. Das sagte er in polnischer Sprache.

      Gundrat stieß ihn unwillig zurück. Ich brauche keinen Pfaffen! rief er. Meine Sünde ist so groß, daß sie im Beichtstuhl nicht vergeben werden kann. Nicht Gott – der Teufel ist mächtig in mir. Fort mit Euch! Rührt mich nicht an! Wollt Ihr mich verraten, das steht bei Euch. Ich bin Gundrat, der Waldmeister, und meine Hütte weiß jedes Kind zu finden. Es ist so viel Ungerechtigkeit in der Welt – warum soll der Mann nicht zu Gericht sitzen über mich und den Stab brechen? Heinrich von Plauen – er! Hahaha, die Welt – die schöne Welt!

      Er lachte wie ein Verrückter, daß es weithin durch СКАЧАТЬ