Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
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Читать онлайн книгу Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe - Levin Schücking страница 114

Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

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СКАЧАТЬ er eingeholt war, die Tür, die in das Kellergelaß führte, und durch welche Traudchen sich eben vor ihm gerettet hatte, zu erreichen; in dem Augenblicke jedoch, wo er über die Schwelle schritt, schoß der Hund dicht neben ihm her, ebenfalls in diesen Raum hinab, wandte sich dann mit Blitzesschnelle und stürzte sich zähnefletschend auf den Studenten, indem er ihm die Vordertatzen auf die Brust setzte und seine Zähne in den Hals des jungen Mannes schlug. Der Überfall war so heftig und unerwartet, daß Hubert rücklings zu Boden fiel und mit dem Kopfe auf die unterste der steinernen Stufen der Wendeltreppe aufschlug, während die Laterne zur Seite geschleudert wurde und erlosch. Das große zornige Tier hielt ihn so gefaßt, daß er an eine Verteidigung nicht denken konnte – eine abwehrende Bewegung hätte ihn in Lebensgefahr gebracht – es hing von der Gnade seines Siegers ab, wie tief er seine Zähne in die Gurgel des unglücklichen jungen Mannes eindrücken wollte. Auch fühlte dieser seine Sinne schwinden, es wirbelte und tanzte ihm vor den Augen – er sah nur noch in plötzlichem hellen Lichtschein ein häßliches, wildblickendes Männergesicht, dem ein Auge fehlte, und über dessen linke Wange eine breite Narbe lief, dicht über seinem eigenen Angesicht; aber es war ihm, als ob dieses fürchterliche Gesicht wie im Kreise sich über ihm bewege, dann, als ob es sich ins Riesige verzerre, und darauf zerfloß es wie ein Bild im Traume; und nun schlossen sich zugleich des unglücklichen Studenten Augen, und er sah nichts mehr.

      Unterdessen war Traudchen, über alle die Gegenstände, welche den Kellerraum erfüllten, fortstolpernd, ein paarmal in die Knie stürzend, und dann wieder in ihrer Angst jäh sich aufraffend, war Traudchen, sagen wir, glücklich aus dem Turm heraus und in den Hof gekommen. Sie flog über den Hofraum fort, um das alte Haus herum, über den zweiten größern Hof, unter den Torbogen des Vorbaues und hier die zwei Stufen hinauf, welche in ihre Wohnung führten. Erst als sie hier angekommen war und die Tür ihrer Wohnung aufgeworfen hatte, wagte sie es, tief Atem holend, sich umzusehen nach ihrem Fluchtgefährten. Sie erblickte ihn nicht – sie wartete eine Minute – zwei – der Student kam nicht. Traudchen fühlte jetzt all ihre Angst zurückkehren. Weshalb kam er nicht – war ihm ein Leids geschehen, hatte man ihn ergriffen, hielt man ihn zurück ...? Traudchen war ein zu entschlossenes Mädchen, um diese Fragen auf sich einstürmen zu lassen und dabei müßig stehen zu bleiben. Sie schritt zurück – leise und unhörbar schlich sie den Weg, den sie gekommen war, um das Haus, wieder auf den dahinterliegenden Hof. Sie hörte nichts – aber sie sah einen Lichtschimmer fallen aus einem der Fenster im obern Teile des Treppenturmes. Als sie den Fuß dieses Treppenturmes erreicht hatte, stand sie lauschend still. Dann rief sie leise: »Bender! Hubert – wo sind Sie?«

      Kein Laut kam zur Antwort.

      Die äußere Tür, welche in den Turm führte, stand offen, so wie eben, als Traudchen hindurch geflohen war. Wahrzunehmen war in der Dunkelheit des Kellergelasses nichts.

      Traudchens Angst verdoppelte sich. Ohne sich jetzt viel darum zu kümmern, ob sie Geräusch mache oder nicht, eilte sie abermals in ihre Wohnung zurück, um sich ein Licht zu holen. Was schadete es jetzt, wenn man sie wahrnahm! Sie konnte die Unwissende spielen und sagen, sie habe ein Geräusch gehört und wolle nachsehen, wie es entstanden. Mit einem flackernden Öllicht – die Laterne hatte ja der Student an sich behalten – kam sie bald nachher in den Turm zurück. Sie stieg hinab, sie hielt das Licht hoch in der Hand – es knisterte noch von der feuchten Nebelluft draußen, durch welche es getragen war, aber es beleuchtete keinen andern Gegenstand in dem düstern Räume als die Vorräte, Kisten und Geräte des Ohms Gymnich. Traudchen arbeitete sich darüber fort, bis an die Tür in der Ecke, die in den Turm hinaufführte. Diese Tür war jetzt verschlossen. Es war von innen der Riegel vorgeschoben. Traudchen versuchte ihn zu heben, wie es früher nach ihrer Anweisung Hubert gemacht; der Riegel leistete Widerstand; er mußte jetzt von innen irgendwie festgemacht sein. Traudchen legte nun das Ohr an die Tür; sie hörte oben im Turm noch eine Tür sich bewegen; dann hörte sie nichts mehr. Aber wie sie so lauschend den Kopf gesenkt dastand, erblickte sie etwas, das sie mit dem höchsten Schrecken erfüllte. Es war Blut. Eine Blutlache stand auf der untersten, in den Kellerraum vorspringenden steinernen Stufe der Wendeltreppe.

      Traudchen zitterte an allen Gliedern. Was war das? Hatten sie ihn ermordet?!

      Sie stand und stand, und wußte vor Schrecken und fürchterlicher Angst nicht zu Gedanken und Überlegung zu kommen. Was sollte sie tun, was beginnen? Zu den Nachbarn laufen und Lärm schlagen und die Menschen auffordern, mit Gewalt in das alte Haus einzudringen? . .. sollte sie davonstürzen und den Ohm im Weinhause aufsuchen und ihn zu Hilfe rufen für den Studenten? ... Sie konnte sicher sein, den Ohm jetzt trunken zu finden, und wenn sie ihm gestand, was sie mit dem Studenten zusammen gewagt, dann war sie vor Mißhandlungen nicht sicher. So entschloß sie sich für das erstere; sie stürzte davon und gedachte den ersten besten Nachbar herbeizurufen. Als sie so atemlos dahinflog und eben den Torbogen des Vorbaues erreicht hatte, öffnete sich von außen, von dem Platze her, das Einlaßtürchen, und eine Gestalt im Mantel, eine Laterne in der Hand, trat ein.

      »Der Ohm!« schrie Traudchen auf, »um Gottes willen, Ohm Gymnich ...«

      Der Mann hob seine Laterne empor, und sie dicht bis vor das Gesicht des jungen Mädchens bringend, das in allen Zügen Entsetzen ausdrückte, sagte er mit einer Zunge, die entweder von Natur oder unter dem Einflüsse jener Stoffe, welche mehr zur Erhöhung der Gesichtsfarbe als der Besonnenheit beizutragen Pflegen, etwas schwer Lallendes hatte:

      »Traud ... wat eß ...?«

      Traudchen erfaßte krampfhaft den Arm ihres Oheims und überschüttete ihn mit einer Mitteilung, welche der Alte, sie mit stieren, beinahe verglasten Augen anstarrend, vernahm.

      »Ohm, wenn Ihr nicht sogleich geht und dem jungen Menschen helft,« sagte sie entschlossen, »so laufe ich und rufe die Nachbarn herbei.«

      Ohm Gymnich sah sie zuerst wieder stier, wie verwundert an; dann brach er plötzlich in eine Flut von Flüchen aus; aber er ging in seine Schlafkammer, öffnete dort das Schlüsselspind, und nachdem er mit einem Bunde rasselnder alter Schlüssel zurückgekommen war, ergriff er seine Laterne, welche noch brennend dastand. Dann verließ er seine Wohnung und ging quer über den Hof, dem Holzschuppen zu ...

      Jungfer Traud hat uns früher gesagt daß der Ohm von dort aus in das alte Haus einzudringen pflegte, wenn er nach langen Zeitabschnitten es einmal betrat. Sie wollte ihm folgen, aber mit einer gebieterischen drohenden Bewegung befahl er ihr, zurückzubleiben.

      Drittes Kapitel

       Jungfer Traud

       Inhaltsverzeichnis

      Trotz des Befehls, in der Stube zurückzubleiben, hielt Traudchen es zwischen den engen vier Wänden natürlich nicht aus. Sie folgte dem Ohm leise bis auf den Hof. Zehn Minuten, vielleicht noch mehr mochten vergehen. Auf den Stadttürmen schlug es halb zehn. Aus dem Hintergrunde des Holzstalles blitzte ein Lichtschein auf; es war der Ohm, der zurückkam.

      »Um Gottes willen, was habt Ihr gesehen, Ohm?« sagte sie, zitternd vor Spannung.

      »Blohß de Lantän' uus!« versetzte der Ohm. »Gangk noh'm Bett. – Kömmer dich nicht drömm; ich sagen deer, et eß dien Unglöck, wann do e Woht dervun sprichs!«

      Ohm Gymnich sprach diese Worte nicht mehr in zornigem, kreischendem Tone wie vorher, sondern ruhig, halblaut. Seine Trunkenheit war mit einem Male verschwunden. Das braune, wettergepeitschte Gesicht zeigte viel mehr Spuren der Betroffenheit und Niedergeschlagenheit als des Zorns. Er nahm ein großes zerlesenes Buch, ein Leben der Heiligen, von der Fensterbank und schlug es vor sich auf; aber Traudchen bemerkte nicht, daß er die Blätter umwandte; er stierte darauf hin, offenbar mit andern Gedanken beschäftigt.

      Das СКАЧАТЬ