Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
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Читать онлайн книгу Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe - Levin Schücking страница 118

Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

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СКАЧАТЬ solle, um zu versuchen, im Weißen Falken mehr über die geheimnisvollen Reisenden in Erfahrung zu bringen. Auch auf der Post, wo sie Pferde genommen, war vielleicht über sie, über die Reiseroute, welche sie eingeschlagen, etwas zu erfahren. Aber Traudchen war zu ermüdet, sie sehnte sich zu sehr, mit ihren Gedanken eine Weile allein zu sein, und so setzte sie den Weg nach ihrer Wohnung fort. Als sie dieselbe erreicht hatte und damit beschäftigt war, die kleine Einlaßtür zum Vorbau zu öffnen, wurde sie plötzlich durch eine Berührung ihrer herabhängenden linken Hand erschreckt. Sich umwendend sah sie die abscheuliche Bestie, den großen Weißen Hund, der gestern die Katastrophe über sie gebracht, neben sich stehen und sie aus seinen braunen intelligenten Augen anschauen.

      »Sultan!« rief eine Stimme, wenige Schritte von ihr entfernt. Traudchen erzitterte heftig, sie erkannte diese rauhe Stimme, und aufschauend sah sie den Mann daherkommen, den sie gestern mit Hubert belauscht hatte, den Herrn im grünen Rock, der oben im alten Hause am Kamin der Dame gegenübergesessen.

      Vielleicht Wäre sie erschrocken über diese Erscheinung, hätte sie ihn an seiner Stimme auch nicht wiedererkannt. Sein Gesicht war nicht beschaffen, um einem jungen Mädchen, bei einsamer Begegnung wenigstens, großes Vertrauen einzuflößen. Ursprünglich mochte es regelmäßig, männlich und schön gewesen sein, aber jetzt zeigte es sich in hohem Grade entstellt; es fehlte ihm ein Auge; über die linke Wange lief von dem erstorbenen Auge herab eine starke Narbe bis zum Munde; das gesunde Auge hatte einen unheimlichen Ausdruck, weil es groß und stier war und sich jeden Moment unter einem breiten Augenlide barg, so daß es aussah wie das eines Raubvogels. Das Kinn war männlich breit, stark ausgebildet und glatt geschoren; der Mund war klein, edel geformt, aber die aufgeworfenen Lippen trugen ein Gepräge von Sinnlichkeit, zu dem noch ein Ausdruck von mürrischer Weltverachtung, der in den hängenden Mundwinkeln seinen Sitz hatte, hinzukam.

      »Erschrick nicht, mein Kind,« sagte der Mann mit etwas spöttischem Tone, als er neben Traudchen angekommen war und ihr zum Gruße nicht ohne Freundlichkeit zunickte, »erschrick nicht vor dem Hunde. Es ist das gutmütigste Geschöpf auf der Welt.«

      »Er sieht bös genug aus,« erwiderte Traudchen, die bald den Hund, bald den Fremden mit ihren großen, dunkeln, forschend von einem zum andern irrenden Blicken anstarrte; »er sieht sehr böse aus, und wenn er mir gehörte, so würde ich ihn lieber totschießen als leben lassen!« Und dabei fixierte Jungfer Traud die Bestie mit einem plötzlich so scharf aufflammenden Blicke, als wünsche sie nichts mehr und inniger, als daß sie ihn damit tot zu ihren Füßen hinstrecken könne.

      »Totschießen!« lachte der Fremde etwas gezwungen auf. »Du mußt wissen, schönes Kind, daß es ein Hund aus der Camargue ist, wenn du jemals von dieser Gegend gehört hast; und daß ich ihn nicht mit großen Kosten aus Frankreich mitgebracht habe, um ihn hier totschießen zu lassen. Aber genug davon. Wohnt hier ein Herr Gymnich?«

      »Der Ohm Gymnich ... kommt wohl vor Abend nicht zu Hause, und dann geht er bald wieder aus, in seine Gesellschaft ... Sie täten am besten, Herr, wenn Sie es mir auszurichten aufgaben, was Sie ihm sagen wollen.«

      »Das kann ich allerdings, mein Kind. Ich suche ein kleines Privatquartier in der Stadt, um es auf einige Wochen zu bewohnen, und dann suche ich eine Person zur Aufwartung, die meine Zimmer imstande hält und für mein Frühstück sorgt. Ich bin deshalb an deinen Ohm Gymnich von einer Person, die ihn kennt, gewiesen und empfohlen worden«.

      »Es steht hier ganz in der Nähe ein Quartier frei«, versetzte Traudchen nachdenklich und mit so gleichgültigem Tone wie möglich, während ihre Gehirnfibern in raschester und angestrengtester Tätigkeit waren, »und was die Aufwartung angeht, so bin ich bereit, die zu übernehmen, denn da der Ohm Gymnich den ganzen Tag in der Fabrik ist, so habe ich freie Stunden genug übrig.«

      »Du selbst?« fragte der Fremde lächelnd und, wie es schien, etwas überrascht.

      »Weshalb nicht?«

      »Nun, offengestanden, mein Kind, es ist mir schon vorgekommen, daß so hübsche junge Mädchen, wie du eins bist, sich ein klein wenig vor mir fürchteten!«

      Dabei nahmen seine Züge ein faunisches Lächeln an, welches sie sehr häßlich machte.

      »Ich fürchte mich vor niemand!« versetzte Jungfer Traud mit eisiger Kälte.

      »Aber doch vor Hunden?«

      »Ja, vor Hunden. Man hat Fälle, wo sie Menschen umgebracht haben.«

      »Hm!« räusperte sich der Capitaine des chasses, und es war auffallend, wie plötzlich er den scherzhaften Ton fallen ließ, den er angeschlagen hatte. »Umgebracht haben! Das wäre ja schrecklich. Sultan ist dazu nicht imstande. Er ist nichts als ein großes Kalb, nur mit einem zottigern Pelz, als gewöhnlich Kälber ihn haben. Aber um bei der Sache zu bleiben – ich werde dir wöchentlich einen Taler zum Lohn geben – wird dir das genügen?«

      »Vollständig!«

      »Gehen wir«, versetzte er. »Aber weißt du, Kind, daß. du dich mir als Dienerin verdungen hast, ohne nur meinen Namen zu kennen?«

      »Ist das nötig?« fragte sie gleichmütig.

      »Nötig? Nun, du mußt doch wissen, wie du mich zu nennen hast!«

      »Wie heißen Sie denn?«

      »Ripperda... Herr von Ripperda hast du mich zu nennen.«

      »Ich will es mir merken.«

      Vor einem gutaussehenden Bürgerhause an der Ostseite des Georgsplatzes hielt sie an und hieß den Fremden in die offene Haustür eintreten. Eine reinlich gekleidete Bürgerfrau kam ihnen aus der Küche entgegen.

      »Ich bringe Ihr einen Mietsherrn für Ihre leeren Zimmer, Frau Zappes!« sagte Traudchen, und Frau Zappes war augenscheinlich sehr zufrieden damit. Auch der Fremde erklärte sich befriedigt mit der Wohnung und dem Preise.

      »Hat Sie nichts von Herrn Bender gehört, Jungfer Traud?« fragte Frau Zappes, als der Herr das Haus verlassen.

      »Nichts!« versetzte Traudchen, das errötende Gesicht abwendend.

      »Er ist die Nacht nicht nach Hause gekommen und macht doch sonst keine Übernächtigen Studentensuiten mit!«

      Traudchen zuckte die Achseln und spielte die Unwissende. Dann eilte sie, von der gesprächigen Frau sich loszumachen und heimzukehren.

      Viertes Kapitel

       Ein Opfer der Nemesis

       Inhaltsverzeichnis

      Der Capitaine des chasses, oder, da wir jetzt den Namen des einäugigen Herrn mit der Schmarre kennen, Herr von Ripperda, entfernte sich unterdes mit seinem großen Hunde von dem Hause der Frau Zappes, um sich mit gemächlichem Schritt in das Innere der heiligen Stadt zu vertiefen. Er hielt das Haupt etwas gesenkt und den Blick auf den Boden geheftet, seine Blicke fesselte weder das Marktgewühl auf dem Weidmarkt, wo die Weiber der Kappesbauern ihren Gemüsehandel trieben und durch obligate Zungenübung dabei den Beweis führten, daß rhetorische Kunst noch immer, wie schon zu Ciceros und Demosthenes' Zeiten, ein schönes Eigen freistädtischer Gemeinwesen sei – noch die malerische Gruppe der »Funken«, jener berühmten reichsstädtischen Krieger in roten Röcken, die plaudernd und schmauchend ihren militärischen Pflichten vor dem Wachthäuschen oblagen. Auch die merkwürdigen düstern Häuser mit Erkern und СКАЧАТЬ