Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
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Читать онлайн книгу Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe - Levin Schücking страница 109

Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

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СКАЧАТЬ fragte Hubert Bender neckend.

      Jungfer Traudchen schüttelte abermals ihre schön gerundeten Schultern.

      »Abscheulich!« sagte sie.

      »Nun, das wollte ich eben,« fuhr der Student fort. »Ich wollte Sie ein wenig in die Stimmung bringen, wo man auf Spukgeschichten kommt, und ich hoffe, die Jungfer wird uns dann einmal auch etwas von ihrem kuriosen alten Hause erzählen, über das Jungfer Traud sonst immer nur schnippische Antworten gibt, wenn man sie danach fragt.«

      »Vergebliche Mühe, Monsieur Bender. Von dem alten Hause erfahren Sie nun gerade nichts!«

      »Was ist mit dem alten Hause?« fragte Professor Bracht.

      »Ei, das wissen Sie nicht?« rief der Student aus – und Traudchen Gymnich dachte im stillen: man muß in der Tat solch ein Gelehrter sein, um nicht zu wissen, was jedes Kind weiß!

      »Das Haus«, fuhr Hubert Bender fort, »ist das, in dessen Vorbau Traudchen bei ihrem Ohm wohnt, und zu welchem dieser die Schlüssel hat, das große alte Haus hinter St. Georg...«

      »Und dieses Haus?«

      »Steht öde und verlassen,« antwortete der junge Mann; »man hat niemals gesehen, daß irgendein Mensch hineingegangen, noch daß einer herausgekommen wäre; auf der Treppe vor der Tür liegt ein Steinhaufen, der jedem unmöglich macht, die Tür zu öffnen. Und doch muß jemand darin wohnen, denn in der gestrigen Nacht habe ich deutlich Rauchwolken über das Dach aufsteigen sehen.«

      »Nachts?« warf der Gelehrte wie zweifelnd ein.

      »Ich habe scharfe Augen, Professor, und bei reinem Sternenhimmel ist es sehr wohl wahrzunehmen, wenn eine Esse Rauch gibt. Die Fenster meines Hinterstübleins gehen auf einen Haufen von allerlei kleinen Häusern und Hintergebäuden hinaus; unser altes Haus aber ragt hoch darüber weg, und ich sehe vortrefflich die Essen, das Dach und die oberste Fensterreihe seiner Hinterfronte, an deren Ende ein hoher stumpfer Turm sich erhebt.

      »Und was sagt Traudchens Ohm dazu?« fragte der Professor.

      »Traudchens Ohm«, versetzte der Student, »sagt, wenn er nüchtern ist, nichts, und wenn er getrunken hat, verflucht er seine Seele dem Satan und allen Höllengeistern darauf, es habe seit mehr als zehn Jahren keines Menschen Fuß die Schwelle überschritten, aber es spuke eine ganze Legion von Teufeln darin.«

      »So nehme Sie doch die Schlüssel, Jungfer Traud, und gehe morgen am Tag hinein, um nachzusehen, wer darin ist,« sagte der Professor.

      »Der Ohm hat die Schlüssel,« antwortete Traudchen, die des Studenten Erzählung von der rauchenden Esse überrascht und mit großer Teilnahme angehört hatte; »und«, fuhr sie fort, »ich glaube, er erwürgte mich, wenn ich davon anfinge und ihm die Schlüssel abverlangte.«

      »Ja, es gibt einige wunderliche Häuser!« hub der Professor nach einer Pause wieder an, »einige wunderliche Häuser. Zu meiner Zeit war ein altes Haus am Gereonsdriesch, das stand auch seit vielen Jahren leer und verlassen, denn niemand wollte hineinziehen; aber so oft in der nächsten Nachbarschaft jemand sterben sollte, sah man oben am Hause aus einem kleinen Treppenturmfenster einen grinsenden alten Bauer herausschauen, mit langem blonden Bart, einer roten Weste und weißen Hemdärmeln.«

      Traudchen Gymnich hatte bei dieser Erzählung ihr Strickzeug in den Schoß fallen lassen und sah gespannt, mit glänzenden Augen, den Professor an.

      Hubert Bender fand es jedoch nicht für gut, das Gefühl des Gespenstergrauens in ihr zu mächtig werden zu lassen.

      »Wenn wir die Geschichte anatomieren könnten, werter Herr Professor,« sagte er, »so würde sich als Kern wohl irgendein harmloser Kappesbauer herausschälen lassen, der einmal in das Haus geraten und die Treppe hinaufgestiegen ist ...«

      Der Professor schüttelte den Kopf. »Es ist nicht ein-, es ist zehnmal wahrgenommen worden!«

      »Traudchen,« fuhr der Student fort, »lassen Sie mich heute abend in das Haus ein. Sie können ja die Schlüssel sicherlich bekommen. Ich möchte gar zu gern herausbringen, wer drin ist.«

      Traudchen Gymnich schwieg eine Weile. Die Wahrheit war, sie hätte es auch gar zu gern gewußt, wer in dem verschlossenen rätselhaften Hause sein Wesen treiben könne.

      »Ich weiß Sie nicht hineinzulassen,« sagte sie jedoch kurz abweisend nach einer Pause. »Und wenn ich's auch wüßte, der Ohm Gymnich ...«

      »Der Ohm Gymnich stört uns nicht. Der opfert sich abends von sieben bis zehn im Wirtshause, wo er auf der harten Bank sitzen und den eiskalten Wein trinken muß, wie er sagt, dem öffentlichen Wohle und der Ordnung der städtischen Angelegenheiten auf.«

      »Wenn Ihnen nun der Spuk ein Leids antäte?« warf lächelnd Jungfer Traud ein.

      »Darüber würden Sie doch nicht trauern!« entgegnete neckend Hubert Bender, »Ich bin auch bereit, zur Vorsicht unsern würdigen Professor als Doktor mitzunehmen, um mir die Halswirbel wieder einzurichten, im Fall ich bei dem Abenteuer ein Unglück hätte und der Teufel mir das Genick ein wenig aus der Ordnung brächte.«

      »Allein lasse ich Sie jedenfalls nicht hinein!« sagte das junge Mädchen nachdenklich.

      »Wenn Sie also nicht etwa selbst Lust haben ...«

      »Und wer sagt Ihnen, daß ich keine Lust habe?«

      »Dann desto besser!« rief Hubert fröhlich aus. »Dann aber auch gleich und ohne Zeitverlust!«

      Traudchen Gymnich schien noch einige Unschlüssigkeit zu hegen. Dem Rätsel auf die Spur gekommen wäre sie freilich unbändig gern. Was sie aber abhielt, sich mit dem kecken Studenten nachts allein in ein dunkles, unheimliches Haus zu wagen, das war am Ende wohl weniger Gespensterfurcht, denn Traudchen war ein höchst resolutes und »kurz angebundenes« Kind; das bewies schon ihre Gleichgültigkeit gegen des Professors gelehrten osteologischen Apparat in ihrem Rücken. Nein, vielleicht hatte sie andere Bedenken, die eine stumme, Sprache in dem großen, offenen, fragenden Blicke fanden, welchen sie jetzt auf Hubert Bender richtete. Hubert Bender aber beantwortete diesen Blick mit einem andern, ebenso offenen, dessen Sprache Traudchen genügend scheinen mußte. Doch enthielt ihre Antwort nicht gleich eine Zusage.

      »Was in dem verschlossenen alten Hause eigentlich vorgeht, hätte ich schon lange gar zu gern gewußt«, sagte sie nur. »Von dem Ohm Gymnich bringt man nicht einmal heraus, wem es denn eigentlich zugehört. Ich denke mir aber, es muß eine große Herrschaft sein, denn einigemal habe ich gesehen, daß der Ohm Briefe mit großen roten Wappensiegeln darauf bekam. Und es war sonderbar, daß der Ohm dann jedesmal den Abend eine Stunde früher ins Wirtshaus ging und später daraus heimkehrte wie gewöhnlich, und jedesmal mit einem tüchtigen Haarbeutel, als ob er irgendeinen Ärger gehabt habe.«

      »Vielleicht auch eine besondere Freude!« meinte Hubert.

      »Oder eine Geldsendung!« bemerkte der Professor.

      »Wie oft«, fuhr Traudchen fort, »habe ich mich als Kind schon hinter ihn geschlichen, wenn er einmal an einem hellen, warmen Tage das Spind in seiner Schlafkammer aufschloß und die großen rostigen Schlüssel herausnahm und dann durch unsern Holzstall auf die wurmstichige kleine Bogentür zuschritt, die links zur Seite in das alte Haus führt! Aber so leise ich auftreten mochte, er hörte mich doch und mit einem drohenden: »Maach dich fott, do neuscheerige Krott!« wurde ich fortgejagt, und das Türchen schloß der Ohm, wenn er eingetreten, СКАЧАТЬ