Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ der Schnelligkeit, mit der der Orden sich ausbreitete, kann man sehen, daß die Menschen im allgemeinen nicht den Drang haben, selbst zu denken, selbst sich eine Überzeugung zu bilden und sie zu vertreten, daß sie vielmehr gern sich zum Werkzeug machen lassen, besonders wenn die Möglichkeit des Aufstiegs gegeben ist und man sich einbilden kann, als Glied einer Gemeinschaft etwas Besonderes und anderen überlegen zu sein. Menschen zu Gefäßen einer vereinfachten und übersichtlich zubereiteten Weltanschauung und zu gefügigen Werkzeugen zu machen, ist verhältnismäßig leicht, wenn die Menschen im Besitz dieser Weltanschauung sich für auserwählt halten können. Luther fand wenige, die freie Christenmenschen, Herren aller Dinge und zugleich freiwillige Knechte aller sein wollten.

      Erziehung und Erziehung zu unbedingtem Gehorsam war jedoch nicht der Ausgangspunkt von Loyolas Wirken. In ihm war ein sehr starker Hang, etwas Großes zu tun, wohl damit etwas Großes geschehe, vornehmlich aber doch, daß es durch ihn geschehe. Nachdem sein Bein durch eine Kugel getroffen und er dadurch aus seiner soldatischen Laufbahn herausgerissen war, nahm er sich die großen Taten großer Heiliger zum Vorbild, anfänglich sich noch ganz in den gewohnten Geleisen haltend, indem er die Eroberung Jerusalems plante. Durch die Übertragung weltlicher Ideale auf das geistliche Gebiet kam in seine Haltung etwas Schiefes; sein Drang, sich auszuzeichnen, blieb derselbe, was aber durch die Demut des Heiligen vor anderen und vor ihm selbst verschleiert werden mußte. Indessen blieb der heroische Schwung seiner Seele echt, und er wußte ihn seinen Gefährten und Nachfolgern einzuhauchen. Er übte eine starke persönliche Anziehungskraft aus, zunächst auf Frauen, aber auch auf Männer. Seine Gesichtsbildung war vornehm, es prägte sich wohl das Bedeutende seines Geistes darin aus. Im Umgang mit Gefährten entdeckte er die Kraft, die von ihm ausging, seine Fähigkeit, Seelen zu durchschauen und zu beherrschen, und damit wuchs seine Neigung dazu. Nicht naive plumpe Herrschsucht erfüllte ihn; er verallgemeinerte seine Erfahrungen und schuf aus der gewonnenen Kenntnis der menschlichen Seele ein System der Seelenbeherrschung und Seelenführung im Dienste der Kirche. Als er den Plan, Jerusalem zu erobern, hatte aufgeben müssen, widmeten er und seine Gefährten sich der Krankenpflege, die zugleich Askese war. Je mehr er aber in das wirkliche Leben eindrang, desto deutlicher begriff er die Notlage der Kirche, und daß ihr Verfall und ihre Schwäche sie verschuldet hatten. Nun erst erfaßte er es als seinen Beruf, Menschen zu sammeln und zu erziehen, die die Kirche mit neuer Glaubensglut erfüllten, den Klerus aufrichteten, die ketzerischen Sekten, vor allem die Protestanten überwänden. Er wollte General eines unwiderstehlichen Heeres werden, das seine Befehle durch ihn vom Papste selbst empfinge. Als es ihm gelungen war, den Papst von der Wichtigkeit seiner Idee zu überzeugen, so daß er die Ordensgründung genehmigte, hatte er nach mühevollen Irrwegen seine endgültige Bestimmung erreicht.

      Der erste Jesuit, der bei Gelegenheit des Religionsgespräches nach Deutschland kam, war ein Savoyarde, Peter Faber, Sohn einer armen bäuerlichen Familie, weit mehr als Loyola von ursprünglicher katholischer Frömmigkeit erfüllt. Er strebte aufrichtig nach Vollkommenheit, die er durch Askese, Abkehrung von der Welt, gehorsame Ausübung aller kirchlichen Vorschriften zu erlangen hoffte. Der Anblick von Reliquien konnte ihn zu Tränen rühren. In seiner Art, die Menschen zu behandeln und die Ketzer zur Kirche zurückzuführen, fiel Schlangenklugheit mit Taubeneinfalt zusammen. Daß die Religionsgespräche keine Frucht brachten, fand er selbstverständlich, er hielt derartige Versuche der Verständigung für verfehlt. Man solle, sagte er, sich auf Erörterungen mit den Ketzern nicht einlassen, viel weniger sie bekämpfen, sondern ihnen mit Liebe begegnen und ihnen, wo immer möglich, helfen. Die Hauptsache aber sei, den katholischen Klerus zu beeinflussen. Schuld am Entstehen des Luthertums trage die Entsittlichung des Klerus, hätte der seine Pflicht getan und den Laien als erbauliches Vorbild vorgeleuchtet, würde niemand sich von der Kirche getrennt haben. Falsch sei es, die Abtrennung als eine Gelehrtenstreitigkeit über Dogmen aufzufassen; der einzige Beweis, der hier not tue und gelte, wären gute Werke und Selbstaufopferung bis zum Tode. Nur Heilige könnten die Abtrünnigen zur Kirche zurückführen. In der Verwerfung der guten Werke sah er den wichtigsten Unterscheidungspunkt der alten und neuen Lehre. Luther hatte gesagt, in betreff des Lebens könne man Nachsicht üben, aber die Lehre müsse richtig und unerschütterlich sein. Es war das ein Punkt, der von Anfang an innerhalb des Protestantismus Widerspruch fand. Daß die Früchte so schlecht waren, mußte man es nicht der Lehre zuschreiben? Nicht ohne Großartigkeit setzten die ersten Jesuiten hier ein. War Luther der menschlichen Schwäche weit entgegengekommen, indem er sagte, der Mensch sei nicht imstande, die Klostergelübde zu halten, flößte Faber den Menschen den heroischen Glauben ein, aus Liebe zu Gott auch das Übermenschliche leisten zu können. Etwas von dem Schwung, der Loyola und seine ersten Gefährten bewegte, ging in der Tat auf diejenigen über, die mit Faber in Berührung kamen. Die Tatsache, daß einer da war, der mit Leidenschaft und Hingebung an die Kirche glaubte, erweckte ihr ebenso überzeugte Anhänger. Das Blut begann den gelähmten, fast verendenden Organismus wieder zu durchströmen. Ein Führer trat auf, der Soldaten um eine heilige Fahne sammelte, Kampfbereite, Ehrbegierige sowie Müßige und Neugierige strömten hinzu. Als die wesentlichen Mittel der Kirche, die Seelen zu Gott zu führen, bezeichnete Faber drei: Beten, Beichten und Kommunizieren. Alle drei waren in der Kirche fast erstorben, nun drängten sich mehr und mehr Andächtige zum Beichtstuhl und zur Messe. Zu diesen Mitteln kamen als wirkungsvollstes die von Loyola ersonnenen Exerzitien, die von der dankbaren Kirche der Eingebung des Heiligen Geistes zugeschrieben wurden.

      Es ist schwer zu verstehen, warum die Exerzitien einen so gewaltigen Einfluß ausübten. Vermutlich wurde es als wohltätig empfunden, daß ein Führender das Denken von Menschen, die des Denkens ungewohnt waren, weckte und anleitete. Es war eine Gymnastik des Kopfes, das den Köpfen so wohltat wie dem Körper das Turnen. Sie wurden in eine bestimmte Vorstellungswelt eingeführt und dazu angeleitet, sich Vorstellungen anschaulich zu machen. Sie mußten die Hölle sich so vorstellen, daß sie die Hitze des Feuers spürten und den Rauch schmeckten, das Leiden Christi am Kreuz so, daß sie sein Blut fließen sahen und seine Schmerzen fühlten. Die vielleicht noch nie zur Sammlung ihrer Gedanken auf einen überirdischen Gegenstand gekommen waren, ließen sich die Knetung ihres geistigen Lebens gern und wehrlos gefallen. Unter denen, die zuerst gewonnen wurden, waren einige Fugger aus Augsburg. Mit den Exerzitien konnten zunächst nur die Gebildeten bearbeitet werden, weil die Jesuiten Ausländer, Spanier oder Savoyarden, und der deutschen Sprache nicht mächtig waren. Ihre Tätigkeit in den Spitälern und Gefängnissen jedoch kam den Armen zugute und wurde von ihnen verstanden. Es ging von diesen Männern, die nicht stritten, niemand beschimpften, die Gutes taten, wo immer sie konnten und die Liebe Gottes und der Kirche verkündeten, eine Kraft aus, die weithin wirkte. Sehr bald wurden sie von den katholischen Fürsten bemerkt, namentlich von Ferdinand von Österreich und von den Herzögen von Bayern. Sie baten sich vom General in Rom Ordensmitglieder aus, bauten ihnen Häuser und Kirchen, statteten sie reichlich aus. Sie verdienten die Auszeichnung durch ihre unermüdliche und erfolgreiche Tätigkeit.

      Städte, die wir als durchaus katholisch kennen, Wien, Passau, Bamberg, Würzburg, waren damals teils protestantisch, teils religiös verwildert unter einem sittenlosen, gleichgültigen Klerus. Peter Canisius, der erste deutsche Jesuit, sagte: »Wir übertreffen die Juden an Wucher, die Türken an Völlerei und Trunksucht, die Heiden an Geiz und Schlechtigkeit, die Tiere an Unzucht und Ausschweifung. Unsere Kirchen sind nicht Bethäuser, sondern Schwätz-, Kauf- und Tanzhäuser.« Das alles änderte sich, als in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts deutschsprechende und deutsche Jesuiten in Deutschland erschienen. Was ihren Einfluß sehr verstärkte, war, daß die Freigebigkeit der Fürsten sie instand setzte, Schulen zu gründen, deren Besuch unentgeltlich war, und daß die Schulen gut waren. Diese Anstalten waren so mustergültig, daß auch Protestanten gern ihre Kinder hinschickten. Bedenkt man, wie roh die Lehrer damals waren, wie erbarmungslos die Kinder verprügelt wurden, ist schon die Vorschrift, daß die Schüler mit Liebe zu behandeln seien, eine Umwälzung. Allerdings war das gute Beispiel zuerst in den Schulen der ›Brüder vom gemeinsamen Leben‹ gegeben, die den Jesuiten in mancher Hinsicht zum Vorbild dienten. Die Schüler genossen guten Unterricht und gute körperliche Pflege. Loyola hatte sich bald von übertriebener Askese abgewendet; denn er wollte, daß der Körper des Jesuiten zum Kampfe für Christus und die Kirche stark gemacht werde. Eine geistige Askese bestand in der Aufopferung des Willens und der Einsicht, ja eigentlich der ganzen Persönlichkeit; СКАЧАТЬ