Gesammelte Werke. Ricarda Huch
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Ricarda Huch страница 178

Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

Серия:

isbn: 4064066388829

isbn:

СКАЧАТЬ und stimmte selbst in ihren Gesang ein; er war so musikalisch, daß er sofort hörte, wer schlecht oder falsch sang. Neben der Musik waren Tiere und Blumen seine liebste Unterhaltung. Wie Luther in seinen letzten Jahren still den Pflanzen und Tieren auf dem Gut seiner Frau zusah und an die Schweine, die sie züchtete, träumerisch tiefsinnige Betrachtungen knüpfte, so freute den Kaiser nichts so sehr, als unter den Orangen und Kastanien und zwischen den Blumenbeeten von San Yuste, die er selbst angelegt hatte, umherzuwandeln und dem Plätschern des Springbrunnens zuzuhören.

      In diesen Jahren mehrte sich die lutherische Ketzerei in Spanien. Sowohl in Spanien wie in Italien fehlte die allgemeine Grundlage für die Reformation, wie sie in Deutschland bestanden hatte: der Gegensatz von Papst und Kaiser, die finanzielle Ausbeutung durch die Kurie, die Ablenkung der hohen Geistlichen von ihren eigentlichen Aufgaben durch fürstliche Stellung, die Verweltlichung und Verwilderung des Klerus. Unter den Königen Ferdinand und Isabella und dem großen Kardinal Ximenes war in Spanien bereits eine Reformation vollzogen; es besaß seitdem sowohl gelehrte und gebildete, wie fromme und in jeder Hinsicht tüchtige Geistliche, und der geeinte und gefestigte Staat hatte sich eine weitgehende Selbständigkeit gegenüber der Kirche gesichert. Das Luthertum wendete sich in beiden Ländern, Italien und Spanien, an das religiöse Denken und Fühlen einzelner Persönlichkeiten, und an solchen fehlte es nicht. Es ist merkwürdig, daß mehrmals italienische Geistliche, die nach Deutschland kamen, um den neuen Glauben zu bekämpfen und sich mit Eifer dieser Aufgabe widmeten, sich von seiner Wahrheit überzeugten, so jener Vergerio, der Luther in Wittenberg aufsuchte, um ihn zum Besuch des Konzils aufzufordern, so die Spanier Augustin Cazalla und Domingo de Guzman. Die Schnelligkeit, mit der durch ihre Anregung in Sevilla und Valladolid das Luthertum sich unter Menschen aller Schichten ausbreitete, läßt schließen, daß es ganz Spanien ergriffen hätte, wenn nicht von der wohleingerichteten Inquisition sofort die ersten Keime erdrückt wären. Als Karl von dem Übertritt der ihm bekannten und von ihm geschätzten Priester unterrichtet worden war, feuerte er seine Tochter Juana, die während ihres Bruders Abwesenheit die Regierung führte, Philipp selbst und die Inquisition an, unnachgiebig die Ketzerei auszurotten, bevor sie um sich greifen könne. Er war gegen das Luthertum, das er nicht hatte überwinden können, ebenso leidenschaftlich erbittert, wie Luther gegen das Papsttum, wenn er seinen Haß auch weniger grob äußerte. Persönlich war der Kaiser sehr gutmütig; auch wenn er mit Recht zürnte, verzieh und vergaß er schnell, und in seinem Testament sorgte er väterlich für den letzten Küchenjungen unter seiner Dienerschaft. Mit Kummer sah er die nichts Gutes verheißende Anlage seines Enkels Carlos, der ihn besuchen durfte; wie anders, hübsch, gewandt, aufgeweckt, war sein Sohn Juan, der mit den Pflegeeltern nach Yuste kam! Aber den Vorschlag, diesen begabten Sohn in die Erbfolge einzureihen, wies er mit Entrüstung zurück.

      Karls niederländischer Arzt machte die Bemerkung, daß Leute, deren Säfte verdorben seien, oft gesund erschienen, um dann plötzlich zusammenzubrechen. Der Kaiser wurde zwar zusehends schwächer und litt unter vorübergehenden Verstimmungen; aber im ganzen war er heiter und zufrieden und bereitete sich auf einen langen Aufenthalt im Kloster vor. Sein Feind war die unordentliche habsburgische Eßlust, wie der Beichtvater einer österreichischen Prinzessin es ausdrückte. In dieser Beziehung halfen bei Karl keine Warnungen: er konnte nicht aufhören, sich an den Aalen, Forellen und Austern zu delektieren, mit denen die Anhänglichkeit der Familie und der Granden ihn versorgte. Oft und oft langten Maultiere an, die mit den Dingen, die er liebte, beladen waren; bald waren es Katzen oder Papageien, bald Leckereien. Im Februar des Jahres 1557 war er fröhlich in Yuste eingezogen; an einem der letzten Augusttage 1558 saß er angegriffen und etwas fiebernd auf einer Altane, die die Sonne beschien. Er bedurfte immer irgendeiner Wärmequelle; war es nicht die Sonne, mußte es ein Feuer im Kamin oder die mit Eiderdaunen wattierte Jacke sein, die seine Tochter ihm geschenkt hatte. Nun saß er in der Sonne und betrachtete lange ein Bild der Kaiserin, die vor zwanzig Jahren gestorben und die ihm das Liebste auf Erden gewesen war. Es war der letzte Tag, den er im Freien zubrachte, einige Wochen später starb er bewußt und gefaßt. Sein Wunsch war, neben seiner Frau in Granada bestattet zu werden, wo er die ersten Tage des Glücks an ihrer Seite erlebt hatte; aber Philipp übertrug die Gebeine seiner Eltern in das von ihm gegründete Kloster Escorial. Kurz vor seinem Ende hatte er noch den Tod seiner Schwester Eleonore erleben müssen, die er geliebt und doch seinen politischen Plänen geopfert hatte. Einige Wochen nach ihm starb auch seine Schwester Maria, die kurz zuvor noch zu seiner Freude eingewilligt hatte, die Regentschaft in den Niederlanden wieder zu übernehmen.

      Es ist überliefert, daß der Kaiser, als er nach der Schlacht bei Mühlberg in Wittenberg weilte, mit seinem Gefolge die Stiftskirche besucht habe, und daß Alba am Grabe Luthers seinem Herrn geraten habe, die Gebeine des großen Ketzers herausreißen zu lassen. Das habe Karl abgelehnt mit den Worten, er führe Krieg mit den Lebenden, nicht mit den Toten. Diese beiden Mächtigsten ihrer Zeit, der vornehme Herr der großen Welt und der sächsische Bauer, wie Luther sich gern nannte, waren sich doch in manchen Punkten ähnlich. Beide hatten einen gebrechlichen Körper, den sie mit Willenskraft beherrschten, beide wurden in ihren späteren Jahren so oft von Krankheit heimgesucht, daß man von Pausen der Gesundheit sprechen könnte. Die Schwermut war bei Karl ein stetig begleitender Schatten, bei Luther verdichtete sie sich zu krampfhaften Anfällen. Hätte Luther nicht die Klöster zerstört, so würde es ihn vielleicht auch gelockt haben, sich dort vor der Welt zu verbergen. Menschen, die eine große Idee vertreten und eine schwere Verantwortung tragen, Kämpfer, die aus mancher Wunde bluten, mögen immer einige Züge gemeinsam haben. »Im Himmel, auf Erden und in der Hölle bekannt«, hat Luther in seinem Testament von sich gesagt. Er war sich seiner Majestät bewußt, so gut wie Karl V.; aber wie dieser deutete er nur selten auf den Stern auf seiner Brust.

      Allmählich wurde die Bühne leer, auf der so leidenschaftlich gerungen worden war; die Mitkämpfer auf beiden Seiten, die Zeugen der großen Epoche, verschwanden. Schon im Jahre 1539 war der erbitterte Feind Luthers, Herzog Georg von Sachsen, gestorben, einer der tüchtigsten unter den deutschen Fürsten, nachdem auch er sich, vom Unglück getroffen, in zweideutige Handlungen verwickelt hatte. Als sein ältester Sohn kinderlos starb, entschloß er sich dazu, den jüngeren zu verheiraten, obwohl er geisteskrank war, damit er, wenn doch vielleicht ein Sprößling erzielt würde, das Herzogtum nicht seinem protestantischen Bruder überlassen müßte. Da auch dieser Sohn bald nach der widernatürlichen Heirat starb, dachte er daran, sein Land dem Hause Habsburg zuzuwenden, wurde aber durch den Tod an der Ausführung des gewagten Planes verhindert.

      Martin Butzer begab sich, da er das Interim nicht annehmen wollte, nach England, um an der Hochschule von Cambridge Vorlesungen zu halten. Er hatte schon seit längerer Zeit Beziehungen zum Erzbischof Cranmer, verlebte nun fröhliche Stunden als dessen Gast, den englischen Freundeskreis durch deutsche Lieder und Gesänge erfreuend, an denen sie großes Wohlgefallen hatten. Der 60jährige Butzer war immer noch ein schöner Mann und gewann die Gunst der vornehmen englischen Damen; aber er vermißte die deutsche Wärme und die ganze deutsche Behaglichkeit, die zu schaffen Frau und Töchter ihm nach England folgten. Der junge König Eduard, der sich Butzers Schüler nannte, schenkte ihm Geld zu einem deutschen Ofen. Immer lebendig aufnehmend und erlebend studierte Butzer die öffentlichen Einrichtungen Englands, fand, daß Volksschulwesen, Gefängniswesen, Gesetzgebung, Ackerbau und Künste noch sehr im argen liegen und meinte, daß England besonders zur Industrie geeignet sei und durch sie groß werden könne. Seine erste Vorlesung über den Epheserbrief wurde von Professoren und Studenten aller Fakultäten besucht. Er starb im Jahre 1551 und wurde in der Kirche von Cambridge beigesetzt. Fünf Jahre später, als die katholische Maria zur Regierung gekommen war, wurden seine Gebeine aus dem Grabe gerissen und verbrannt. Sein Freund und Beschützer, der Erzbischof Cranmer, mußte lebend den Scheiterhaufen besteigen.

      Den Tod der Maria von England, seiner Schwiegertochter, erlebte Karl V. noch in San Yuste und begrub damit die Hoffnung, die ihn so sehr beglückt hatte, den alten Glauben in England wiederhergestellt zu sehen. Elisabeth, die Tochter der Anna Boleyn, war an den neuen gebunden, auf Grund dessen ihr Vater die Ehe mit ihrer Mutter hatte schließen können.

      Das Trauerspiel, wie Erasmus den Einbruch des Luthertums zu nennen pflegte, war beendet, die Spieler, die es aufgeführt hatten, waren versunken. СКАЧАТЬ