Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ hatte, durchaus nicht glauben wollen und so den richtigen Zeitpunkt versäumt. Nach der Erstürmung der Ehrenberger Klause durch Georg von Mecklenburg mußte sich der gichtkranke Kaiser zu eiliger Flucht entschließen. Wenn nicht ein feindliches Regiment gemeutert hätte und dadurch eine Verzögerung entstanden wäre, würde er seinen Gegnern in die Hände gefallen sein; er entkam bei Nacht auf zum Teil noch verschneiten Wegen über den Brenner nach Bruneck und von da nach Villach in Kärnten. Vorher hatte er Johann Friedrich die Freiheit gegeben, doch mit der Bitte, ihn einstweilen noch freiwillig zu begleiten; er dachte ihn gegen Moritz auszuspielen.

      Sofort nach dem Einzug der Sieger in Innsbruck begann ein Waffenstillstand, dem Friedensverhandlungen in Passau folgten. Die endgültigen Bestimmungen desselben sollten auf einem Reichstage festgesetzt werden. Der Kaiser indessen, tief getroffen, erfüllt von dem Wunsche, sich zu rächen, raffte sich auf, sowie der Gichtanfall überwunden war, um Metz zurückzuerobern; wie immer war es der Kaiser, der die Grenze gegen den räuberischen Nachbarn schützte. Moritz führte indessen entsprechend seinen Beziehungen zu Ferdinand seine Truppen gegen die Türken. Im Kampfe gegen die Bistümer fuhr Albrecht Alcibiades fort, das deutsche Land zu verwüsten. Die Kriegsfurie dieses Fürsten, der roh aber nicht unbegabt war, der statt aller Grundsätze und Richtlinien den Kampf gegen Pfaffen und Städte proklamierte, dessen von Haß erfüllte Kampflust zuweilen an Raserei streifte, war ein schauerliches Zeichen der allgemeinen Verwilderung. Um die Verworrenheit und das Mißtrauen aller gegen alle zu vermehren, ließ sich der Kaiser aufs neue mit dem ketzerischen Markgrafen ein, während Moritz, der Vorkämpfer der Protestanten, sich mit dem katholischen Herzog Heinrich von Braunschweig verband, um Albrecht Alcibiades, der sich nach Norddeutschland gewendet hatte, unschädlich zu machen. In der ungewöhnlich blutigen Schlacht bei Sievershausen verlor der Herzog von Braunschweig drei Söhne und Herzog Moritz das Leben. Er war nur 32 Jahre alt geworden. Es scheint nicht, daß ihm jemals ein Zweifel an der Richtigkeit seines Handelns gekommen ist, und doch bereute er im Sterben den Wildschaden, den seine Untertanen durch seine Jagdlust erlitten hatten, und setzte eine Summe aus, um sie zu entschädigen. Durch die Gründung der Schulen von Meißen, Grimma und Pforta aus den eingezogenen Kirchengütern hat er seinem Lande eine dauernde Wohltat erwiesen. Menschen, die Herrschersinn und entschlossenen Willen haben und das, was sie wollen, klug und umsichtig ausführen, kann man nicht umhin, in dieser ihrer Art zu bewundern, auch wenn ihre Zwecke nicht edel und ihre Mittel verwerflich sind.

      Nachdem Markgraf Albrecht Alcibiades geächtet und nach Frankreich geflüchtet war, kam die Ruhe der Erschöpfung über das Reich. Die Stände einigten sich über die Streitfragen, die sie trennten: die mit Weimar, Eisenach, Koburg und Gotha abgefundenen Ernestiner ergaben sich in den erlittenen Verlust und erhielten dafür mehr Geld, Bayern verzichtete auf die Pfälzische Kur, auch der noch immer schwebende Anspruch Österreichs auf Württemberg wurde aufgegeben. Anderthalb Jahre nach Moritzens Tod, im Jahre 1555, konnte zu Augsburg der Reichstag eröffnet werden, auf welchem die Befriedung der Religionsparteien endgültig vorgenommen wurde. Der Kaiser konnte sich nicht entschließen, den Protestanten, denen er bisher nur einen zeitlich begrenzten Frieden gewährt hatte, einen dauernden zuzugestehen und damit sein Ziel, die Einigung, aufzugeben; er überließ es deshalb, bereits entschlossen, sich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen, seinem Bruder Ferdinand, den Reichstag zu leiten und so zu handeln, wie er es vor Gott verantworten könne. Trotz der allgemeinen Sehnsucht nach Frieden und der Einsicht, daß es zu einem Ausgleich kommen müsse, dauerte es doch acht Monate, bis die Verständigung erzielt war. Im Kurfürstenrat überwogen die protestantischen, im Fürstenrat die altgläubigen Stimmen, die Städte, die überwiegend protestantisch waren, traten auf diesem Reichstag sehr zurück, zum Teil weil der alte Kämpfer Jakob Sturm, der Stadtmeister von Straßburg, kürzlich gestorben war. Überhaupt hatte das republikanische Element im Reich, das bei der religiösen Umwälzung so tatkräftig mitgewirkt hatte, in den letzten Jahrzehnten starke Einbuße erlitten. Es war ein unaufhaltsamer Niedergang.

      Die Duldung der Neugläubigen erstreckte sich nur auf die Anhänger der Augsburger Konfession; alle anderen Sekten, auch die Calvinisten, waren davon ausgeschlossen. Eine weit schlimmere Beschränkung der nunmehr erreichten freien Religionsübung war, daß sie nur die Stände, also die Regierungen, nicht die Untertanen betraf. Doch wurde den Untertanen, die vom Glauben des Landesherrn abwichen, gestattet, mit ihrer Habe auszuwandern; einzig der burgundische Kreis, die Stammlande des Kaisers, wurden davon ausgeschlossen. Die heikelste Frage betraf die geistlichen Fürstentümer und Stifte, um die so viel Streit bereits entbrannt war. Wenn es den Prälaten, die zum evangelischen Glauben übertraten, freistand, das Gebiet, das sie als gewählte Fürsten auf Lebenszeit regierten, in ein erbliches, ihnen gehöriges Fürstentum zu verwandeln, so war anzunehmen, daß dem Beispiel des Hochmeisters Albrecht von Preußen noch mancher folgen würde, sei es aus eigenem Antrieb oder auf das Drängen der Untertanen. Da der Reichstag sich über diesen Punkt aufzulösen drohte, verkündigte Ferdinand mit Einwilligung der Stände den sogenannten geistlichen Vorbehalt, daß ein geistlicher Reichsstand, der zum neuen Glauben übertrete, seines Amtes entsetzt werde. Damit war, wenn der Vorbehalt in Anerkennung blieb, der Ausbreitung des Protestantismus eine Schranke gesetzt. Die Reichsritterschaft war in den Frieden inbegriffen. Für die Städte wurde bestimmt, daß, wo beide Religionen in Übung gewesen wären, beide bleiben sollten; keine sollte das Recht haben, die andere abzuschaffen. Am Reichsgericht wurden protestantische Beisitzer zugelassen.

      Nach vierunddreißigjährigem Ringen hatte sich der neue Glauben das Recht des Daseins im Reich erkämpft. Wenn auch der Papst den Augsburger Frieden nicht anerkannte, wenn auch die Feindseligkeit und das Mißtrauen der Parteien nicht überwunden waren, so bestand nun doch eine Grundlage für das Zusammenwirken beider und für eine neue Gestaltung des öffentlichen Lebens. Wurde die christliche Freundlichkeit, die den Ständen zum Gebrauch empfohlen wurde, auch nicht immer innegehalten, es machte sich doch geltend, daß zwischen den Fürsten, welche Konfession sie auch bekannten, etwas Gemeinsames war, namentlich der Gegensatz zum Kaiser. Der Augsburger Friede war denn auch mehr ein Sieg der Fürsten als ein Sieg des neuen Glaubens. Die Fürsten gewannen, da sie die Religion des Territoriums bestimmten, an Gewalt über die Untertanen, und die Macht über die Kirche, die die protestantischen Fürsten als oberste Bischöfe erhielten, wurde den katholischen zum Vorbild, dem sie mit Erfolg nacheiferten. Der Grundsatz, daß der Fürst die Religion des Landes zu bestimmen habe, in die lateinische Formel cujus regio ejus religio gefaßt, wirkte sich naturgemäß zum Schaden der Bevölkerung aus. Denen, die nicht in der Lage waren auszuwandern, und die wenigsten waren es, blieb nichts übrig, als sich den Überzeugungen und Launen ihrer Landesherren anzubequemen, was einen verderblichen Einfluß auf ihren Charakter ausüben mußte. Daß Unkatholische, außer wenn sie einer Sekte angehörten, nicht verbrannt wurden, war für das Volk der einzige Zuwachs an Glaubensfreiheit, den sie vor der Vergangenheit voraushatten, immerhin ein unschätzbarer. In der Carolina, dem durch Karl V. eingeführten neuen Reichsgesetzbuch, ist der Artikel über den Ketzerprozeß nicht mehr enthalten. Der Übergang des Absolutismus von der Kirche auf den Staat hatte begonnen; erst im Staat vollendete er sich, da ja, wenn auch die Fürsten und namentlich die Kaiser sich zu Vollstreckern der kirchlichen Gebote gemacht hatten, doch auch ein Gegensatz zwischen Staat und Kirche bestanden und beiden Mächten eine Beschränkung auferlegt hatte. Einstweilen jedoch war der fürstlichen Regierungsgewalt noch eine Schranke durch die Landstände gesetzt; dieser sich zu entledigen war das nächste Bestreben.

       Inhaltsverzeichnis

      Die Schatten werden lang, die Herzen der ergrauten Kämpfer ermatten. Jeder Mensch ist eine Welt, mit jedem, wenn er stirbt, bricht eine Welt zusammen. Oft ist es eine kleine, fast eine Spielzeugwelt, wie ein Kind sie sich aufbaut, zuweilen aber umfaßt sie viele, die heimatlos werden, wenn sie sich auflöst. Wenn der kühle Hauch aus dem Jenseits den wirkenden Menschen anrührt, ein geisterhafter Ton an sein Herz klopft, ein fremder Schauder über ihn hinläuft, wird auch der Glückliche zum Mittelpunkt einer Tragödie. Es ist immer ein Weltuntergang, es ist immer der Sturz einer Hoffnung, der Verzicht auf etwas Gewolltes, der Zusammenstoß eines Ewigkeitswillens mit dem Nichts. СКАЧАТЬ