Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ Taten nacherlebt, zur Bewunderung oder zum Abscheu hinreißt, trotzdem auch hier dem Häßlichen Größe und dem Hohen das Niedrige beigemischt ist.

      Auch Philipp II. hatte bei seinem Regierungsantritt die Privilegien der Provinzen beschworen; aber er hatte nichtsdestoweniger die Absicht, die Niederlande zu einer spanischen Provinz zu machen. Das wurde offenbar, als er eine neue Kirchenorganisation in den Niederlanden einrichtete, wonach es künftig an Stelle von vier Bistümern, die es bisher gab, dreizehn geben sollte und dazu drei Erzbistümer, deren überhaupt noch keine vorhanden waren, da die Niederlande in dieser Hinsicht von Reims und Köln abhingen. Der Zweck dieser Neuorganisation war erstens die Loslösung der Niederlande in kirchlicher Hinsicht von Frankreich und Deutschland, zweitens die Möglichkeit einer genaueren Überwachung des kirchlichen Lebens und gründlicheren Ausrottung der Ketzer; denn die Bischöfe standen zugleich an der Spitze der Inquisition. Unwillen erregte es auch, daß der König spanische Truppen im Lande ließ, was mit den Privilegien nicht vereinbar war. Er versuchte diese Maßregel dadurch populär zu machen, daß er Oranien und Egmont das Kommando über die Truppen anbot; diese aber entzogen sich der Schlinge und lehnten ab. Philipp mußte nachgeben: zum Jubel der Bevölkerung verließen die spanischen Soldaten das Land. Die Statthalter waren große Herren, sehr selbständig und selbstbewußt, vor allen Wilhelm von Nassau und Egmont. Wilhelm von Nassau, der Sohn Wilhelms des Reichen von Nassau-Dillenburg und der Juliane von Stolberg-Wernigerode, war in seiner Person das Abbild des universalen, locker gefügten, viele Gegensätze umfassenden Reiches. Von einer verwandten Linie, die mit Renatus, dem Sohne jenes Heinrich von Nassau, dessen treue Bemühungen dazu beigetragen hatten, daß Karl V. die Kaiserkrone erhielt, ausstarb, erbte er das Fürstentum Orange in Frankreich und die reichen niederländischen Besitzungen der Familie. Von seinen Eltern, gläubigen Lutheranern, fromm erzogen, wurde er doch, um das Erbe übernehmen zu können, an den Hof der Statthalterin Maria in Brüssel geschickt, um dort im katholischen Glauben vollends ausgebildet zu werden. Die in der Familie herkömmliche Anhänglichkeit an den Kaiser war besonders lebhaft in ihm, und wie er Karl verehrte, so vertraute ihm und schützte ihn Karl; als er seine Titel niederlegte, bestimmte er ihn zum Statthalter der Provinzen Utrecht, Holland und Seeland. Statthalter von Flandern und Artois war Lamoral Graf Egmont, der seine Abkunft auf die Friesenherzöge des 8. Jahrhunderts, Radbold und Aldgild, zurückführte. Das Stammschloß Egmont, uralt, liegt im Nordwesten Hollands am Meer. Im Jahre 1545 verheiratete er sich in Speyer mit einer Schwester Friedrichs von der Pfalz, des späteren Kurfürsten, in Gegenwart des Kaisers und seines Bruders Ferdinand, im Jahre darauf wurde er Ritter vom Vlies, später warb er in England um die Hand der Maria für Karls Sohn Philipp. Im Jahre 1559 fügte er zu seiner hohen Abstammung und allen Ehrungen eine Ruhmestat, den Sieg bei St. Quentin, der Frankreich zu einem für Spanien sehr vorteilhaften Frieden nötigte. Er durfte glauben, sich dadurch Anspruch auf verschwenderische und unveränderliche Gunst des Monarchen erworben zu haben. Egmont war Katholik; aber er wußte, daß sein Sekretär, Herr von Beckerzeel, Protestant war, und hatte nichts dagegen. Diese Kavaliere, die katholisch waren oder die katholischen Gebräuche mitmachten, waren aufgewachsen in der Atmosphäre eines Landes, in dem altgermanische Bauernfreiheit, Freiheit des Welthandels und Weltverkehrs, die Duldsamkeit großer bewegter Seestädte heimisch waren, die Inquisition war ihnen zuwider. In seiner letzten Regierungszeit hatte Karl V. die spanische Inquisition in den Niederlanden einführen wollen, um der wachsenden protestantischen Bewegung entgegenzuwirken. Der Schrecken und die Wut des Volkes darüber waren so groß, daß die Statthalterin Maria eigens nach Augsburg reiste, um ihren Bruder zur Zurücknahme dieser Maßnahme zu bewegen, und sie erreichte auch eine Milderung der Gesetze, besonders aber sorgte sie dafür, daß ihre Handhabung nicht allzusehr von der üblichen abwich. In der spanischen Inquisition sah das Volk den Inbegriff ruchloser Gewaltherrschaft. Allerdings wurden bei der in den Niederlanden geltenden gewisse Rechtsformen beobachtet, es bestanden Vorschriften, nach denen man sich richten konnte; die spanische dagegen spürte die Schuldigen auf, ermunterte zur Denunziation und übte ihre schauerliche Tätigkeit im geheimen und ganz willkürlich aus. Als im Jahre 1563 das Konzil von Trient zum Abschlusse kam, verkündete Philipp II. die Beschlüsse desselben in den Niederlanden und verlangte zugleich, daß die Inquisition schärfer als bisher zugreife; Privilegien sollten ihr gegenüber unwirksam sein. Der hohe Adel war durch die Inquisition nicht unmittelbar betroffen; denn der Protestantismus breitete sich überwiegend in den unteren Schichten des Volkes aus, namentlich in Handwerkerkreisen; aber er nahm die Partei des Volkes, teils weil der religiöse Fanatismus seinem Geiste widersprach, teils um jeden Eingriff der spanischen Regierung in die niederländischen Freiheiten abzuwehren. Als in Antwerpen ein Karmeliter verbrannt wurde, der zum Calvinismus übergetreten war, brach ein Volksaufstand aus: Die Regentin war durch die allgemeine Unzufriedenheit so beunruhigt, daß sie Egmont nach Madrid absandte, um den König zur Milderung der die Inquisition betreffenden Maßnahmen zu bewegen und ihm die Wünsche des Adels vorzutragen. Diese gingen auf Vermehrung der Macht des Staatsrates. Da viel über Übergriffe der Behörden, namentlich in Hinblick auf finanzielle Ausbeutung geklagt wurde, wünschte man sie in Abhängigkeit vom Staatsrat zu bringen; Machterweiterung und Verselbständigung des Staatsrates, in dem die Statthalter der Provinzen vertreten waren, bedeutete zugleich Verselbständigung der Niederlande gegenüber Spanien. Gegen die Absicht des Königs, die Niederlande zu einer spanischen Provinz zu machen, erhob sich der Wille der Niederlande, ihre Freiheiten und ihre Selbständigkeit zu bewahren. Die Seele dieser Bewegung war Wilhelm von Oranien. Als Kind im lutherischen Glauben erzogen, am katholischen Hofe als Katholik aufwachsend, Herr niederländischer und südfranzösischer Besitzungen, dem Kaiser von Herzen zugetan, die französische Sprache bevorzugend, so tritt Wilhelm als eine schwankende Erscheinung in die Geschichte ein, er, von dem das Lied singt: »Wilhelmus von Nassauwe – Bin ick von dütschem Blut – dem Vaterland getrowe – Blew ick tot in den Duudt!« Unter den genußfrohen niederländischen Kavalieren war er einer der reichsten, der vornehmsten, der geselligsten und liebenswürdigsten; als einen charakteristischen Zug bemerkte man an ihm seine Freundlichkeit im Umgange mit Untergebenen. Eine Rückwendung zum Luthertum schien sich zum erstenmal im Jahre 1561 in seiner Heirat mit Anna, der Tochter des verstorbenen Moritz von Sachsen, auszudrücken, die er trotz des Widerstandes des Königs von Spanien und des alten Landgrafen Philipp von Hessen mit beinah erschreckendem diplomatischem Geschick durchsetzte. Philipp von Hessen, der seine durch Moritzens Sieg erwirkte Befreiung um mehr als ein Jahrzehnt überlebt hat, mißtraute dem Abtrünnigen oder Zweizüngigen; Philipp von Spanien konnte eine Verbindung mit der Tochter jenes Moritz, der seinen Vater verraten hatte, eines Ketzers, unmöglich billigen. Es ist anzunehmen, daß Oranien damals schon für alle Fälle sich einen Rückhalt bei den protestantischen Fürsten im Reich zu sichern gedachte. Nicht geringen Einfluß hatte wohl sein jüngerer Bruder Ludwig auf ihn. Dieser, in der festen Gläubigkeit des elterlichen Hauses aufgewachsen, der Liebling der Mutter, ein einfacher, gerader Charakter, immer unbedenklich bereit, sich für seine Überzeugung einzusetzen, hielt sich viel bei dem älteren Bruder auf, dem Familienoberhaupt seit dem Tode des Vaters, und vermittelte den Zusammenhang mit der deutschen lutherischen Familie.

      Zwischen dem Lächeln des Königs und seiner Ungnade liegt nur die Breite eines Messerrückens, sagte man in Spanien. Es war eine Eigentümlichkeit Philipps, daß er diejenigen, deren Untergang er beschlossen hatte, mit ausgesuchter Herablassung behandelte. Wie ein Freund ausgezeichnet kehrte Egmont siegessicher zurück; indessen ließ Philipp die Regentin wissen, daß keinerlei Zugeständnisse gemacht werden sollten. Der Staatsrat sollte nicht gestärkt, die Inquisition sollte nicht gemildert werden. Die Regentin zögerte, den harten Beschluß bekanntzumachen, Oranien, der es offenbar zu einer Entscheidung kommen lassen wollte, bewirkte, daß es doch geschah. In dieser Stunde allgemeiner Besorgnis und Unruhe, grollenden Unwillens im Volke, trat der niedere Adel handelnd auf. Er war geführt von Heinrich von Brederode und Philipp Marnix, Herr von Ste. Aldegonde. Brederode, ein Abkömmling der holländischen Grafen, gehörte durch Geburt dem hohen Adel an, hielt sich aber zum niederen. In ihm kam das niederländische Tafeln und Bankettieren, die elementare Freiheits- und Kampflust nordischen Meervolks zum Ausdruck. Er haßte das Wasser und die Inquisition. »In Eurem Brief«, schrieb er einmal an Ludwig von Nassau, »sprecht Ihr von nichts als von diesen Spitzbuben von Bischöfen und Präsidenten. Ich wollte, die Rasse würde ausgerottet wie die der grünen Hunde: Sie werden immer mit den Waffen kämpfen, die sie von alters her angewandt haben, und bis zu Ende habsüchtig, brutal, eigensinnig СКАЧАТЬ