Название: Gesammelte Werke
Автор: Ricarda Huch
Издательство: Bookwire
Жанр: Философия
isbn: 4064066388829
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Der Augsburger Religionsfrieden
Zur Begründung seines Verhaltens führte Melanchthon an, daß man sich dem Kaiser unterwerfen müsse, damit doch wenigstens gute evangelische Pfarrer im Amte blieben und die Kirche nicht ganz veröde. Es ist der Grund, der bei Umwälzungen oder Vergewaltigungen immer von denen vorgeschützt wird, die bequemes Sichfügen dem Widerstand und seinen für sie schädlichen Folgen vorziehen. Sie verkennen, daß eine Regierung, die stark genug ist, sich gewaltsam einem Volke aufzudrängen, erst recht nicht durch die allmähliche Wirksamkeit einzelner beeinflußt wird, daß vielmehr ziemlich schnell diese einzelnen umgewandelt werden. Indessen, es dachten nicht alle wie Melanchthon. Wenn es schmerzlich ist, zu sehen, wie die Führer der Protestanten, militärische und theologische, durch Uneinigkeit, Geiz, Schwäche, Verrat die erkämpfte Glaubensfreiheit einbüßten, so verweilt man gern bei der aufrechten Gesinnung derer, die nicht wankten. Etwa 400 Prädikanten sollen ihre Stellen aufgegeben und ihr Heim verlassen haben. Brenz, der Reformator von Schwäbisch-Hall, flüchtete auf eine Warnung hin, die ihm auf der Straße gegeben wurde, ohne sich von den Seinigen zu verabschieden; er ließ seine kranke Frau zurück, die mit ihren Kindern von der Stadt ausgewiesen wurde und bald darauf starb. Butzer und sein Freund Fagius hielten sich in Straßburg unnachgiebig, bis Jakob Sturm, der einst so tapfere Städtemeister, die treuen Mitkämpfer vieler Jahre zum Wohle der Stadt ihres Amtes zu entsetzen nötig fand. Sie gingen nach England, mit dessen führenden Protestanten Butzer Beziehungen unterhielt. Die meisten Flüchtenden wurden von ihren Gemeinden, die sie liebten und verehrten, ebenso vermißt, wie sie ihren Wirkungskreis vermißten. Von den Städten hielten sich Konstanz und Magdeburg. Mit wundervollem Heroismus warf Konstanz den Überfall eines spanischen Heeres zurück, dann aber, da die katholischen Orte nicht zuließen, daß ein protestantisches Gemeinwesen in den eidgenössischen Bund aufgenommen würde, mußte die tapfere Stadt ihre Reichsfreiheit aufgeben und die österreichische Herrschaft anerkennen. Alle Prädikanten wurden ausgewiesen, der Reformator von Konstanz, Ambrosius Blaurer, der Freund Butzers und Zwinglis, hatte die Stadt schon verlassen. Ungebändigt blieb das stolze Magdeburg, die Zuflucht vieler Vertriebener und Rebellen, darunter Amsdorff, Luthers alter Freund, und Flacius, gleichfalls ein unbedingter Anhänger Luthers.
Es zeigte sich hier, wieviel besser eine entschiedene, klar ausgeprägte Überzeugung dem Unglück widersteht, als eine, die vielleicht reicher und eindringender, aber unbestimmter ist; Sicherheit und Bestimmtheit hatte auch Luther immer als das Wesen des Glaubens bezeichnet. Johann Friedrich, der von Anfang an unerschütterlich fest, bisweilen unbequem starr im Glauben gewesen war, zeigte in der Gefangenschaft eine so großartige Haltung, daß er, der so manchen Anlaß zu Tadel und Spott gegeben hatte, der Dicke, Schwerfällige, Ungestalte, nicht nur die Bewunderung der Glaubensgenossen erregte, sondern auch von den Spaniern, die ihn zu bewachen hatten, mit Ehrerbietung behandelt wurde. Das Interim lehnte er ab, da er durch Annahme eines Buches, dessen Inhalt dem Wort Gottes widerspreche, die Sünde wider den Heiligen Geist begehen würde. Als der Kaiser ihm, um ihn mürbe zu machen, seine lutherischen Bücher wegnehmen ließ, sagte er lächelnd, er habe das gelernt und bei sich, was in den Büchern stehe. Sein Gesellschafter blieb Lukas Cranach, der sich von dem ihm wohlwollenden Kaiser die Gnade ausgebeten hatte, die Gefangenschaft seines Fürsten teilen zu dürfen. Der unglückliche Philipp, eine ganz auf Tätigkeit eingestellte Natur, noch jugendlich beweglich, geriet über den Verlust seiner Freiheit in solche Verzweiflung, daß er sich erbot, das Interim anzunehmen und auch seine Untertanen dazu zu veranlassen; als der Kaiser nicht darauf einging, nahm er eine würdigere Haltung an. Gelassen sich zu fügen lag nicht in seinem Temperament; einen Fluchtversuch, den er plante, mußten die Unglücklichen, die ihm dabei behilflich gewesen waren, mit dem Tode büßen. Ein Fußfall der Königin Maria und der Landgräfin Christine, Philipps zurückgesetzter Frau, die fußfälligen Bitten verschiedener Fürsten erweichten den Sinn des Kaisers nicht; er war überzeugt, Philipp würde, was er auch etwa verspräche, sowie er frei wäre, wieder Unruhen erregen, und er wollte die unvergleichliche Stellung, die er errungen hatte, nicht gefährden lassen. Seit Karl dem Großen hatte sich kein Kaiser wieder so wie er jetzt als Herr des Erdkreises betrachten können. Als in den Jahren 1546 und 1547 nacheinander Luther, Heinrich VIII. und Franz I. starben, mochte es ihm scheinen, als habe Gott selbst ihm seine Feinde und Nebenbuhler vor die Füße gelegt. Auch Paul III. starb, der böse Greis, der ihn so oft getäuscht und umgarnt hatte, es starben Herzog Wilhelm von Bayern und sein Kanzler Leonhard von Eck, die falschen Freunde, die Ergebenheit heuchelten, während sie Ränke gegen ihn spannen, und der Thronfolger, Herzog Albrecht, war mit einer Habsburgerin verheiratet. In diesem Augenblick der Verwirklichung seines hohen Strebens beging Karl einen Fehler, zu dem ihn fast ebenso wie staatsmännische Berechnung sein Herz drängte. Er glaubte seinen Sohn Philipp zu seinem Nachfolger in der Kaiserwürde machen zu können. Das Kaisertum, ein aus dem Altertum abgeleitetes, durch uralte Weissagungen geheiligtes Weltamt, sollte zugleich ein habsburgisches Familienunternehmen werden. Sämtliche Glieder der Familie waren zu ihm berufen und mußten ihm dienen. Wenn Karl V. dies seinem Sohne zuwenden wollte, so glaubte er wohl, es durch die spanische Macht, am sichersten zu stützen; aber es trug dazu auch sein Gefühl für diesen, seinen Eltern so unähnlichen Sohn bei, auf den er die Liebe für seine verstorbene Frau übertragen hatte. Ihm wollte er auch Mailand geben, um seine italienische Stellung zu stärken; Neapel war ohnehin spanischer Erbbesitz. Er wußte, daß er dadurch seinen Bruder Ferdinand und dessen Sohn Maximilian kränkte, die sich als Herren von Österreich zum Kaisertum bestimmt glaubten, ebenso die Kurfürsten, in deren Wahlrecht er eingreifen würde, und schließlich das deutsche Volk, das seinen Sohn als Ausländer betrachtete; aber er glaubte die Schwierigkeiten durch kluge Diplomatie und durch das Übergewicht seiner Macht überwinden zu können. Sein feines Urteil versagte auch seinem Sohne gegenüber nicht; er wußte, daß er nicht geeignet war, den Deutschen zu gefallen; aber auch das, glaubte er, würde sich durch guten Rat und vorsichtiges Benehmen ausgleichen lassen. Den deutschen Fürsten zu gefallen, mußte sich Philipp sogar im Trinken üben, ohne es doch zu einem richtigen »überschwenglichen Saufen« von innen heraus bringen zu können. Auch die Höflichkeit, die er aufbrachte, glaubte man ihm nicht; er konnte nicht verhehlen, daß er ein verschlossener, versteckter, hochmütiger, gefährlicher Fremder war. Nach vielen unfreundlichen Auseinandersetzungen mit Ferdinand trafen die Brüder ein Abkommen, wonach eine zwischen den Linien abwechselnde Nachfolge verabredet wurde; aber die Besorgnisse und Unzufriedenheit der deutschen Habsburger waren nicht beschwichtigt. Auch die katholischen Fürsten wollten von Philipp nichts wissen, während Maximilian, Ferdinands Sohn, in dem ein Überschuß habsburgischer Liebenswürdigkeit und Verführungskunst zusammengeströmt war, alle Herzen gewann. Die Aussicht auf eine Nachfolge Philipps, der nun einmal Spanier war und blieb, nicht wie sein Vater auf sein edles deutsches Blut pochen konnte, brachte dem deutschen Volk zum Bewußtsein, wohin es geraten war. Die Anwesenheit der spanischen Regimenter, die Karl ins Reich geführt und noch nicht entlassen hatte, erregten allgemeinen Widerwillen. Man haßte die spanischen Soldaten wegen ihrer Habgier und Grausamkeit; sie waren in dieser Beziehung wirklich ärger als die deutschen. Dieser Haß des Volkes, dessen König Karl war, griff auf ihn hinüber: man fing an, den Fremden in ihm zu sehen. Der religiöse Gegensatz trat vorübergehend zurück vor dem nationalen Gegensatz gegen Spanien und vor den gemeinsamen Standesinteressen. Allen Fürsten war ihre Souveränität das höchste Interesse: zerfleischten sich auch die Raben untereinander, darin waren sie einig, daß sie keinen Geier haben wollten. Am meisten zum Widerstande entschlossen waren natürlich die protestantischen СКАЧАТЬ