Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ er war, gerade jetzt durch seine verhängnisvolle Liebesangelegenheit. Mit Entsetzen sah Martin Butzer die Folgen der Verwickelung, an der er selbst bei seinen nahen Beziehungen zum Landgrafen beteiligt war: während der Reichstag und das Religionsgespräch in Regensburg tagten, näherte sich Philipp dem Kaiser, der über diesen unverhofften Fang hoch erfreut war. Vergebens warnte, flehte Butzer: Philipp war seiner Liebesleidenschaft ebenso ehrlich und entschlossen hingegeben wie seinem Glauben. Diesen gab er nicht preis; aber er verpflichtete sich, dem Herzog von Cleve nicht beizustehen und keine ausländische Macht, weder Frankreich, noch England, noch Dänemark in den Schmalkaldischen Bund aufzunehmen, wogegen der Kaiser ihn vor etwaiger Bestrafung wegen Bigamie sicherte. Die Schuld an diesem Bündnis schrieb er seinen fürstlichen Glaubensgenossen, namentlich dem Kurfürsten von Sachsen zu; hätte der treu zu ihm gestanden, wäre er dieses Schrittes überhoben gewesen.

      Der Feldzug Karls gegen den nun vereinzelten Herzog von Cleve verlief rasch und glücklich. Die Stadt Cleve, beim fünften Sturme genommen, brannte vollständig ab, erschreckt kapitulierte Jülich, der Herzog mußte sich unterwerfen. Karl verzieh ihm und verheiratete ihn mit einer Tochter seines Bruders Ferdinand, nachdem die geplante französische Heirat aufgehoben war. Der Reformation eines großen wichtigen Gebietes war Einhalt geboten. Der Sieg des Kaisers machte Eindruck auf die Stände, die im folgenden Jahre (1544) auf dem Reichstag zu Speyer sich um ihn versammelten. Daß Franz I. im Bunde mit der Türkei war, schadete ihm auch bei den Protestanten, von denen viele geneigt gewesen waren, bei ihm Schutz gegen den Kaiser zu suchen; sie bewilligten außer einer Türkenhilfe eine ansehnliche Hilfe gegen Frankreich, so daß Karl in der ungewöhnlichen Lage war, einen Reichskrieg gegen Frankreich zu führen. Diese Bereitwilligkeit vergalt er mit weitgehenden, mit erstaunlichen Zugeständnissen: er erkannte die bis jetzt vorgenommenen Säkularisationen an, versprach, am Kammergericht protestantische Beisitzer zuzulassen, und verhieß für die Zukunft ein freies Konzil im Sinne der Protestanten, auf welchem die religiösen Fragen erledigt werden sollten. Bis dahin sollte zwischen allen Ständen Frieden und Freundschaft herrschen. Der Papst war über dies Verhalten des Kaisers, wodurch er ihn beiseite schob, als habe er gar nicht mehr mitzureden, so aufgebracht, daß er ein Breve erließ, in dem er Verwahrung gegen die Reichstagsbeschlüsse einlegte, Karl mit Friedrich II. verglich und ihm, wenn er nicht in sich gehe, mit strengen Maßnahmen drohte. Das künstliche diplomatische Geflecht zwischen den europäischen Mächten hatte sich so wunderlich gedreht, daß die protestantischen Stände Frankreich den Krieg erklärten und mit dem Kaiser im Einverständnis waren, während zwischen dem Kaiser und dem Papst ein Krieg drohte. Calvin und Luther antworteten auf das Breve des Papstes, als sei es ihr Haupt, das er angegriffen hatte, Calvin, indem er die Tugenden des Kaisers rühmte, Luther, indem er einen Kübel voll Grobheit über den Papst ausleerte und alle Feindseligkeiten aufzählte, die jemals von Päpsten gegen Kaiser ausgeübt worden waren. Um zwischen den Kaiser und die Protestanten einen Zwiespalt zu bringen, tat Paul III. einen Schritt, gegen den er selbst sowie sein Vorgänger sich immer gesträubt hatten: er eröffnete im Dezember 1545 in der zum Reiche gehörenden Stadt Trient das längst verheißene Konzil. Die Protestanten waren sich darüber einig, daß sie sich einem vom Papst berufenen Konzil nicht unterwerfen konnten, und legten Verwahrung dagegen ein; der Kaiser, der stets das Konzil verlangt hatte, konnte es nun, da endlich ein Papst der Forderung nachkam, nicht ablehnen. Das Allheilmittel, an das zu glauben man übereingekommen war, erwies sich als wertlos. Man hatte immer vom Konzil geredet, während man glaubte, die Abneigung der Päpste würde es nicht dazu kommen lassen; nun war es da und machte nur die Unversöhnlichkeit der Spaltung deutlicher offenbar.

      Der Deutschen bemächtigte sich das Gefühl, daß es zum Kriege kommen müsse. Hatte der Kaiser sie überlistet? Hatte er sie durch großherzige Einräumungen von Frankreich getrennt, um sie dann, eine lange gehegte Absicht ausführend, zu überfallen? Vielleicht, wäre er nicht durch die europäische Lage beschwert gewesen, hätte er eher Gewalt gebraucht; aber, wie es nun einmal war, zog er eine gütliche Vermittlung vor, die ihm um so eher möglich schien, als er meinte, es komme nur auf einige Reformen und Milderungen an, wie viele Katholiken gleichfalls sie wünschten. Mehrfach war ihm von seinen Räten und auch von italienischen Staatsmännern geraten, den Kirchenstaat zu säkularisieren; war es doch offenbar, wie sehr die Päpste durch ihr weltliches Fürstentum von ihrer eigentlichen Aufgabe abgezogen wurden und die ärgerlichsten politischen Verwicklungen ausrichteten. Allein Karl ging darauf nicht ein, sei es, daß er die Schwierigkeit der Ausführung einsah, sei es, daß er nicht außerhalb der Grundformen des mittelalterlichen Weltreiches denken wollte und konnte. Er hätte damit wahr gemacht, was man ihm vorwarf, daß er die Universalmonarchie anstrebe, oder er hätte ein unabhängiges Italien schaffen oder leiden müssen; beides war unmöglich. Im Bewußtsein, daß er das Papsttum erhalten mußte, wenn er Kaiser bleiben wollte, erstrebte er mit allen Kräften eine Einigung, bei der naturgemäß, da Erhaltung des Papsttums Voraussetzung war, die Protestanten am meisten nachgeben und verlieren mußten. Dazu würden sie um so weniger zu bewegen sein, je mehr sie sich durch neue Anhänger verstärkten, und eben das war in letzter Zeit eingetreten. Auf den Kurfürsten Albrecht von Mainz, der zuerst mit dem neuen Glauben geliebäugelt hatte und zuletzt ein katholischer Eiferer geworden war, folgte Sebastian von Heussenstamm, der die Wahl mit Hilfe Philipps von Hessen erlangt hatte und dem Protestantismus zuneigte. Pfalzgraf Friedrich, der alte treue Anhänger des Hauses Habsburg, der 1544 seinem Bruder Ludwig in der Kur gefolgt war, nahm mit seiner Gattin in Heidelberg das Abendmahl in beiderlei Gestalt. Als auch Brandenburg übertrat, waren drei weltliche Kurfürsten evangelisch; als nun noch der Kurfürst von Köln seinen Übertritt vollzog, war die Stimmenmehrheit im Kurfürstenkollegium bei den Neugläubigen. Vielleicht gab es nach dem Tode der kursächsischen Brüder unter den evangelischen Fürsten keinen, der so lauter im Glauben, ohne weltliche Nebenzwecke war wie der alte Hermann von Wied. Anfangs gut katholisch war er im Bestreben, sein Land zu reformieren, das heißt es von Mißbräuchen und Aberglauben zu reinigen, zur Kenntnis der evangelischen Gedanken gekommen, und hielt daran fest, nachdem sie ihm als wahr und gut erschienen waren. Er war entschlossen, lieber sein Fürstentum zu verlieren, als seinen Glauben aufzugeben. Dieser Glaubenswechsel war für Karl äußerst gefährlich; denn dadurch rückte das Luthertum wieder, wie vor dem Clevischen Kriege, gegen die Niederlande vor, wo es ohnehin viele Ketzer gab, und würde sie überfluten, ohne daß er es würde hindern können. Nur die Gewalt konnte das Vordringen der Protestanten aufhalten. Sollte es aber zum Kriege kommen, so mußte er den Augenblick ergreifen, wo sich alles zu seinen Gunsten schickte. Frankreich hatte versprochen, die Protestanten im Reich nicht zu unterstützen, auch mit der Pforte hatte er Frieden geschlossen. Allerdings hatte er fast das ganze Reich gegen sich, ein Gebiet, das reich war an geübten Soldaten; aber seine Spanier waren ihnen gewachsen, und er kannte die Unfähigkeit der Schmalkaldener, sich zu einigen. Seine Brust hob sich im Vorgefühl, die Rebellen zu seinen Füßen zu sehen. »Er wollte«, sagt er in seinen Denkwürdigkeiten von sich, »tot oder lebendig Kaiser in Deutschland sein.« Zunächst setzte er seine diplomatische Kunst ein, um die Gegner zu teilen. Dem Herzog Wilhelm von Bayern machte er Aussicht auf die pfälzische Kur und eine habsburgische Frau für seinen Sohn; dafür blieb er still, unterstützte nur ihn mit Geld. Zwei Hohenzollern, den Markgrafen Albrecht Alcibiades von Kulmbach-Bayreuth und den Markgrafen Hans von Küstrin, gelang es ihm, in seinen Dienst zu ziehen; aber ein noch edleres Wild fing er ein. Moritz von Sachsen, der kürzlich seinem Vater Heinrich gefolgt war, hatte sich schon im Türkenkriege ausgezeichnet und sich dem Kaiser wert gemacht. Er war seinem Vetter Philipp, der zugleich sein Schwiegervater war, ähnlich an Schönheit, Klugheit und Unternehmungslust; aber er hatte nichts von dessen Geradheit, von seiner Wärme und Herzlichkeit in den menschlichen Beziehungen, nichts von seinem Glaubenseifer. Die herkömmliche Feindschaft gegen die ernestinischen Vettern erfüllte ihn ganz, sie suchte vollends nach Betätigung, als Johann Friedrich nicht nur die Stifte Naumburg und Merseburg einzog, sondern auch Schutzherrschaft über das Erzstift Magdeburg geltend machte. Erbitterung und Hoffnung, die Beute dem verhaßten Vetter zu entwinden, trieben ihn auf die Seite des Kaisers. Vielleicht hatte Anteil an dem Abfall die Anziehungskraft, die Karl V. persönlich auf junge Fürsten ausübte. Macht wirkt magisch, doppelt, wenn sie mit Überlegenheit besessen und ausgeübt wird. Karl alterte wie Luther früh; aber nicht im Sinne geistiger oder körperlicher Erschlaffung. Er machte die langen anstrengenden Reisen von einem seiner Länder ins andere zu Pferde, zu Schiff, zu Schlitten, um seinen Pflichten nachzukommen, er СКАЧАТЬ