Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ verklagt werden sollten. Allein, da er sich nicht deutlich darüber erklärte, was unter Glaubenssachen zu verstehen sei, gingen die Prozesse wegen der Kirchengüter zum Schaden der Protestanten weiter. Das Reichskammergericht zählte das, was die Protestanten als Glaubenssachen angesehen wissen wollten, zu den Landfriedensbruch- und Spoliensachen. Die Protestanten halfen sich schließlich damit, daß sie das Reichskammergericht in bezug auf diese Sachen rekusierten; sie hätten es überhaupt rekusiert, wenn es ihnen nicht doch davor gegraut hätte, das einzige Organ der Reichseinheit zu zerstören. In den Augen des Papstes waren die protestantischen Stände Kirchenräuber und ohne weiteres der Acht verfallen.

      Als Karl V. im Jahre 1540 wieder ins Reich kam, hatte er einen großen Schmerz erlebt: seine geliebte Frau, Isabella von Portugal, war gestorben. So groß war sein Schmerz, daß es des ernstlichen Zuredens seiner Räte bedurfte, um ihn vom endgültigen Eintritt in ein Kloster zurückzuhalten. Wenn er sich seitdem noch mehr als sonst in Schwarz kleidete, war das der Ausdruck tiefempfundener Trauer. Sehr zum Unterschied von den deutschen Fürsten, die oft kaum das Trauerjahr verstreichen ließen, bevor sie die Nachfolgerin der Verstorbenen heimführten, heiratete er nicht wieder. In Haltung, Tatkraft, gewissenhafter Pflichterfüllung hatte er nicht nachgelassen. Obwohl er damals schon mehrfach unter heftigen Gichtanfällen gelitten hatte, saß er unermüdlich zu Pferde, setzte sich jeder Witterung aus, untersuchte er alles, achtete er auf alles selbst. Seine ersten Siege hatten ihm seine Feldherren erfochten; später wurde er auch im Kriege der Führende. Er strebte seinem Großvater Maximilian nach und hat ihn übertroffen, zum Teil weil er reicher an Mitteln war, aber auch weil er sicherer und stetiger seine Ziele verfolgte. Seine größte kriegerische Tat war die Eroberung von Tunis, das ein Statthalter des Sultans eingenommen hatte; er setzte sie gegen vielfachen Widerspruch und unter großen Schwierigkeiten durch, um diesen Punkt nicht zu einer Verbindungsbrücke zwischen Frankreich und der Türkei werden zu lassen. Denn Franz I. scheute sich nicht mehr, nachdem er schon immer mit der Türkei zusammengearbeitet hatte, geradezu ein Bündnis mit dem Erbfeind der Christenheit einzugehen, ein Zeichen, wie die mittelalterliche Welt, die auf dem gemeinsamen Interesse der christlichen Nationen beruhte, auch ohne den Protestantismus sich aufgelöst hatte. Ernste Gemüter gerade unter den Protestanten waren über die Schamlosigkeit des französischen Königs entsetzt; Karl V. erschien als der Glaubensheld. Trotz dieses Sieges und obwohl es gelang, zum Teil durch die Bemühungen der Königin Eleonore, Franzens Gattin und Karls Schwester, einen Frieden zwischen den Monarchen zustande zu bringen, so daß sie zeitweise als brüderliche Freunde auftraten, blieb der Gegensatz bestehen und führte immer wieder zu kriegerischem Ausbruch; Franz wollte nicht auf die Eroberung, Karl nicht auf den Besitz Mailands verzichten. Fortwährend von Frankreich und der Türkei bedrängt, setzte Karl den Evangelischen gegenüber die entgegenkommende Politik fort, deren Ziel die vermittelnde Einigung war. Da die Protestanten von einem durch den Papst berufenen Konzil nichts mehr wissen wollten, bequemten sie sich zu dem vom Kaiser vorgeschlagenen Religionsgespräch, das der Ersatz oder Vorläufer eines Nationalkonzils sein sollte. Es begann im Jahr 1541 in Worms; Redner waren die altbewährten Fechter Melanchthon und Eck. Melanchthon war, um seine Schwäche vom Augsburger Reichstage vergessen zu machen, sehr unnachgiebig. Eck war der alte geblieben, höchstens in seinen Eigenheiten gesteigert, und brüllte so laut, daß man es drei Straßen weit hörte, zum Gelächter der die schöne Rede schätzenden Italiener. Bald nach dem nichts Gutes verheißenden Beginn verlegte der Kaiser das Gespräch nach Regensburg, wo er einen Reichstag eröffnete. Damals sah ihn der zum Unionsversuch beschiedene Martin Butzer. »Alles an ihm ist kaiserlich«, schrieb er, »Worte, Taten, Mienen, Gebärden, auch seine Freigebigkeit. Niemand, der nicht seine Elastizität und Schnelligkeit, seinen Ernst und seine Majestät bewunderte. Er vermöchte viel, wenn er ein Kaiser Deutschlands und ein Knecht Christi sein wollte.«

      Obwohl in Regensburg als Vertreter des Papstes der reformfreundliche Venezianer Gasparo Contarini anwesend war, der hoffte, es werde möglich sein, den Katholizismus allmählich von innen heraus im lutherischen Sinne umzugestalten, ohne daß die Einheit der Kirche angetastet würde, gelang es nicht, das Unvereinbare zu vereinen. Sowohl der Papst wie Luther lehnten eine Verständigung durchaus ab. Der sehr enttäuschte Kaiser machte nunmehr den Vorschlag, beide Parteien sollten sich an das sogenannte Regensburger Buch halten, das heißt an diejenigen Artikel des Glaubens, in welchen im Laufe des Gesprächs Übereinstimmung erzielt war; in Hinsicht auf die nicht verglichenen sollten sie sich gegenseitig tolerieren. Der erste Vorschlag zur Duldung ging von Karl und den ihm nahestehenden Räten aus. Um das Gelingen desselben zu fördern, tat er einen höchst überraschenden Schritt: er schickte eine Gesandtschaft an Luther, den Geächteten, um ihn zur Annahme des Vorschlags zu bewegen. Es war der erste und einzige Augenblick, wo die beiden großen Gegner in unmittelbare und freundliche Beziehung zueinander traten. Der Kaiser täuschte sich nicht, wenn er Luther für duldsamer hielt als seinen Fürsten: er gab, wenn auch halb widerwillig, seine Zustimmung, zog sie aber nachher, von Johann Friedrich gedrängt, zurück. Der erzürnte Papst wollte von Duldung von vornherein nichts hören. Man könnte es begreifen, wenn der Kaiser, nachdem alle seine Versuche, eine gütliche Einigung herbeizuführen, von den Häuptern der Parteien zurückgewiesen waren, sich sofort kriegerischer Lösung des Problems zugewendet hätte. Allein die europäische Lage war so, daß er es für notwendig hielt, vorher Frankreich und die Türkei auszuschalten. Zunächst griff er den Herzog von Cleve an, mit dem er über den Besitz von Geldern in Streit geraten war.

      Die Lage der Protestanten war um 1540 so günstig, wie sie noch nie gewesen war. Mit Ausnahme von Braunschweig-Wolfenbüttel, dessen Herzog streng katholisch und kaiserlich war, hatte ganz Norddeutschland das Evangelium angenommen, Köln und Pfalz waren im Begriff überzutreten, ebenso der Herzog von Cleve, der den Niederrhein beherrschte. Eine Zeitlang machte sich die Abneigung der Fürsten gegen die Zentralgewalt und der eifersüchtige Haß Bayerns auf Österreich so sehr geltend, daß ein protestantisch-katholisches Bündnis gegen den Kaiser möglich schien. Mit Bayern stand der Landgraf von Hessen jahrelang in geheimen Unterhandlungen, die ihm kaum ganz geheuer vorkommen konnten bei der unverhohlenen Falschheit des bayrischen Kanzlers Leonhard von Eck, dessen Äußerung erzählt wurde: wenn man schon Brief und Siegel nicht hielte, so wäre es doch in 60 Jahren alles vergessen. Aufrichtig waren nur sein Wille, Bayern trotz aller Intrigen mit den Protestanten beim alten Glauben zu erhalten, und sein Haß auf die Habsburger.

      Indessen, auch ohne Bayern waren die Protestanten an Zahl stark. Butzer war überzeugt, wenn sie einmütig und fest am Reichstage aufträten, würden sie ihre Forderungen durchsetzen: Aufhebung des Wormser Ediktes und des Augsburger Reichstagsabschieds und Einstellung der Prozesse am Reichskammergericht, gerechtere Besetzung desselben. Aber weder Einmütigkeit noch Festigkeit war zu erreichen. Die Fürsten konnten es nicht lassen, die Städte zu kränken, deren sie doch ihres Geldes und ihrer guten kriegerischen Ausrüstung wegen durchaus bedurften: Sie schoben ihnen die größte Last der Bundesbeiträge zu, behandelten sie als ihnen untergeordnet, sprachen ihnen wohl gar die Reichsstandschaft ab und unterdrückten nicht einmal immer ihr Gelüsten, sich die in ihrem Gebiet liegenden Reichsstädte zu unterwerfen. So bedrängte der Herzog von Württemberg Eßlingen. Aber auch die Städte waren nicht unbedingt zuverlässig. Abgesehen davon, daß diejenigen, welche nach den kaiserlichen Ländern handelten, auf diese Beziehungen Rücksicht nehmen wollten, hielten es namentlich die vornehmen Geschlechter und reichen Kaufleute in hergebrachter Weise mit dem Kaiser, der der Grund ihrer Freiheit war und sie bei ihrer Freiheit schützte, während sie Ursache hatten, den Fürsten zu mißtrauen. In den Zünften, die die eigentliche Stütze der evangelischen Gesinnung waren, trat dieser Gesichtspunkt zurück; aber die Regierungen befanden sich, soweit sie protestantisch waren, in einem quälenden Zwiespalt. Von den Fürsten verfolgte jeder ein besonderes Interesse, das ihn zu einem anderen in Gegensatz brachte. Johann Friedrich, dessen natürliche Schwerfälligkeit durch vieles Trinken noch vermehrt wurde, der wie ein gereizter Stier immer nur den einen Punkt sah, auf den er gerade losstürzte, bemächtigte sich einiger Landesteile, auf die sein Vetter Moritz, Herzog von Sachsen, gleichfalls Anspruch erhob, und erbitterte dadurch diesen, der ihn ohnehin nicht leiden konnte. Nur ein einziger war kühn, tätig, willens, durchzuführen, was er für zweckmäßig erkannt hatte, bereit, sich für seinen Glauben einzusetzen, das war Landgraf Philipp von Hessen. Mit der Reinheit und Sachlichkeit eines Kindes hatte er als Jüngling das Evangelium СКАЧАТЬ