Gesammelte Werke. Ricarda Huch
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Ricarda Huch страница 170

Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

Серия:

isbn: 4064066388829

isbn:

СКАЧАТЬ Christ darüber wohl hätte zum Juden werden mögen. »Und wenn ich ein Jude gewesen wäre und hätte solche Tölpel und Knebel gesehen die Christenheit regieren, so wäre ich wohl eher eine Sau worden denn ein Christ.« Sie hätten die Juden behandelt, als wären sie Hunde, nicht Menschen, hätten sie gescholten und ihnen ihr Gut genommen, und den Getauften hätte man kein christliches Leben gewiesen, sondern sie der Papisterei und Möncherei unterworfen. Hätten die Apostel, die auch Juden waren, mit uns Heiden gehandelt wie wir mit den Juden, so wären nie Christen aus den Heiden geworden. »Haben sie denn mit uns Heiden brüderlich gehandelt, so sollen wir wiederum brüderlich mit den Juden handeln, ob wir etliche bekehren möchten: denn wir sind auch selb noch nicht alle hinan, schweig denn hinüber.« Er ging so weit, das Volk der Juden über alle anderen Völker zu stellen, weil Gott in ihm Fleisch geworden sei. »Und wenn wir gleich hoch uns rühmen, so sind wir dennoch Heiden und die Juden von dem Geblüt Christi: wir sind Schwäger und Fremdlinge, sie sind Blutfreund, Vettern und Brüder unseres Herrn.« In späteren Jahren wurde er anderen Sinnes, wozu vielleicht beitrug, daß König Ferdinand in seinen Ländern die Juden beschützte, während er die Protestanten verfolgte. Damals hoffte er, daß einige sich bekehren möchten, jetzt war er zornig, weil sich noch nicht alle bekehrt hatten. Im Jahre 1536 wies Johann Friedrich alle Juden aus dem Kurstaat aus, ohne daß Luther es zu hindern suchte. Als einer seiner Tischgenossen sagte, die Juden seien gute Ärzte und zu allem zu brauchen, entgegnete er, das hätten sie vom Teufel. Der Graf von Mansfeld hatte, um sich eine Einnahme zu verschaffen, Juden in seinem Gebiet, Luthers Heimat, aufgenommen, wünschte sie aber nach einiger Zeit wieder loszuwerden, weil die Untertanen sich über Wucher beklagten. Nun schrieb Luther ein Buch »Von den Juden und ihren Lügen«, in dem er geradezu zu einer Judenverfolgung aufforderte. Man sollte, riet er, ihre Synagogen und Häuser zerstören, ihnen ihre Bücher nehmen und ihren Rabbinern verbieten zu lehren. Er hatte vergessen, daß er sich einst gerühmt hatte, zu den Reuchlinisten zu gehören. Auf seiner letzten Reise nach Mansfeld, wo er einen Streit der beiden Mansfelder Grafen schlichten wollte, begleitete ihn diese neue Verfolgungswut. Er erzählte seiner Käte, daß eine Gräfin von Mansfeld die Juden beschütze, daß er aber seine Meinung gröblich sagen wolle. Daneben bemühte er sich, die streitenden Brüder zu versöhnen, was so schwierig war, daß er meinte, die ganze Welt müsse frei von Teufeln sein, da sie alle seinetwegen in Eisleben zusammengekommen wären. So leidenschaftlich geschäftig, fühlte er sich doch im Innern alt, kalt und müde. »Ich habe mich satt gelebt«, schreibt er. Seine Angehörigen und Freunde umgibt der Zornige, an sich und aller Welt Verzweifelnde mit der besonderen Mischung von liebkosender Wärme und herzlichem Humor, die den Luther verrät. Als er erkrankte und starb, waren sich alle der Größe des Augenblicks bewußt. Dieser Tod erschütterte die protestantische, ja die christliche Welt. Nie zuvor hatte ein Deutscher so mächtig auf die geistige Entwicklung des Abendlandes gewirkt.

      »Ich kann kaum den Augenblick erwarten«, schrieb Luther im Mai 1530 an Melanchthon, »wo ich diesen meinen Geist mit gewaltiger Nacht und mit göttlicher Majestät umkleidet sehen soll.« Noch sechzehn Jahre hatte er in Kampf und Schwäche und Ungenügen ausharren müssen; nun war der Adler befreit. Das Netz menschlicher Gebrechlichkeit war zerrissen, groß und gut zog der Überwinder in das Geisterreich ein.

       Inhaltsverzeichnis

      Sieben Jahre nachdem Butzer die Wittenberger Konkordie zustande gebracht hatte, begab es sich, daß der Zürcher Buchdrucker Froschauer Luther eine von Zürcher Theologen herausgegebene lateinische Bibelübersetzung zuschickte. Er hatte vermutlich, den menschlichen Gepflogenheiten entsprechend, einen Dankbrief erwartet; anstatt dessen schrieb Luther, Froschauers Geschenk möge aus gutem Herzen gekommen sein, aber da es eine Arbeit der Zürcher Prediger sei, mit denen er keine Gemeinschaft haben könne, sei es ihm leid, daß sie sollten umsonst arbeiten und noch dazu verloren sein. »Sie sind genugsam vermahnt, daß sie sollen von ihrem Irrtum abstehn und die armen Leute nicht so jämmerlich mit sich zur Hölle führen.« Die Schweizer waren empört, Bullinger, Zwinglis Nachfolger, machte seinem Zorn über Luther Butzer gegenüber Luft. Was würde, schrieb er, der große Reuchlin dazu sagen, daß die Hochstraten und Pfefferkorn in Luther wieder erstünden. Butzer war ebenso wie Melanchthon erschrocken und tief bekümmert. Mit Vorwürfen oder Vorstellungen, schrieb er dem Landgrafen, sei bei Luther nichts auszurichten, er würde nur noch heftiger ausbrechen; »ich kenne den Mann«, setzte er hinzu. Trotzdem zürnte er weniger ihm als den Zürchern, die Luther gereizt hätten; man müsse diesen großen, von Gott auserwählten Mann so nehmen, wie Gott ihn gegeben habe. Was er am meisten fürchtete, war, daß Luther von allen deutschen Reformatoren Unterschrift unter eine Verfluchung der Zürcher fordern werde; es war schon ein Gewinn, daß das nicht geschah. Doch verfaßte er ein »kurzes Bekenntnis vom heiligen Sakrament«, in dem er sich unmißverständlich von den verteufelten, der Höhe zugehörigen Zürchern trennte. Sie vergalten es ihm mit einer womöglich schärfern, weil persönlichen Antipathie.

      Wehe denen, die sich Einigung zum Ziel gesetzt hatten. Der Kaiser bemühte sich um die Einigkeit der Deutschen, Butzer um die Einigkeit der Protestanten, beide umsonst. Butzer sah die Vergeblichkeit seines Kampfes und kämpfte entschlossen weiter, denn etwas anderes gab es nicht; das Dasein der Protestanten hing davon ab. Der Nürnberger Frieden war ihnen nur auf begrenzte Zeit verliehen und nur den damaligen Anhängern der Augustana, nicht denen, die seitdem das Evangelium angenommen hatten, noch denen, die es künftig annehmen würden. Ihren Glauben ausbreiten, das wollten aber die Protestanten, daran wollten sie nicht gehindert sein. »Die Protestanten sind seltsame Leute«, sagte ein kaiserlicher Botschafter zum Bürgermeister Welser von Augsburg, »sie wollen ein Fürstentum nach dem andern unter sich bringen und dennoch haben, man solle ihnen Frieden zusagen.« Die größten Schwierigkeiten verursachte die Frage der Kirchengüter: die Altgläubigen bestanden auf ihrer Rückgabe, die Protestanten wollten nicht nur die schon eingezogenen behalten, sondern sie überall an sich nehmen, wo künftig ihr Glaube zur Herrschaft käme. Es hätte schließlich hingehn mögen, wenn zum Beispiel ein Kurfürst von Köln das Evangelium angenommen und dann abgedankt hätte: dann hätte es einen Ketzer mehr im Reich gegeben; aber wenn er sich, wie der Hochmeister von Preußen getan hatte, zum erblichen Fürsten machen, seine Untertanen zu seinem Glauben bekehren und alle Geldquellen seines Territoriums für seine Regierung in Anspruch nehmen wollte, das würde bedenkliche Folgen für die Katholiken haben, konnte ihnen nicht gleichgültig sein.

      Schon 1521 auf dem Reichstage zu Worms hatte Alexander gesagt, es sei den Fürsten nicht so sehr um Luther wie um die Kirchengüter zu tun, und im Jahre 1537, als die Schmalkaldener Verbündeten tagten, sagte ihnen der kaiserliche Vizekanzler Dr. Held ins Gesicht, ihnen liege mehr am Kirchengut als am Glauben, obwohl doch nach dem Evangelium es nicht der Reichtum sei, der zur Seligkeit führe. Zwar antworteten die Beschuldigten, erst sie hätten die Kirchengüter ihrer wahren Bestimmung zugeleitet; aber sie konnten dabei kaum ein reines Gewissen haben, wenigstens die Fürsten nicht, von denen viele nach dem Ausdruck Luthers geizige Wänste waren, die an sich rissen, was ihre Juristen als herrenloses Gut bezeichneten. Selbst der Kurfürst von Sachsen schlug das Kirchengut zum Teil zu seiner fürstlichen Kammer und würde es noch mehr getan haben, wenn die Stände sich nicht eingemischt hätten, denen es unlieb war, daß der Landesherr sich auf diese Weise von ihnen unabhängig machte. Ulrich von Württemberg, der überhaupt in den kirchlichen Dingen als Autokrat auftrat, gebrauchte die eingezogenen Güter zur Schuldentilgung, einzig der Landgraf Philipp verwendete alles stiftungsgemäß für Kirche, Armenpflege und Schulwesen. Gegen Butzer äußerte er sogar einmal, es sei besser, man ließe viele Sachen, die man jetzt für Religionssachen ausgebe, fallen und bliebe allein auf der lauteren Religion, das heißt auf dem göttlichen Werk, dem Sakrament und der Liebe des Nächsten, und ließe die geistlichen Güter fahren. Butzer lehnte diese Ansicht ab, auf der vielleicht auch Philipp nicht dauernd bestanden haben würde; er meinte, wenn man die Religion wolle, müsse man auch die Instrumente der Religion behalten. Er hob hervor, daß der Landesherr ein Unrecht tun würde, wenn er das Geld zum Unterhalt der Kirche durch Besteuerung seiner ohnehin schon zu sehr belasteten Untertanen aufbringen wollte. Als Organisation ist nun einmal das Überirdische СКАЧАТЬ