Название: Gesammelte Werke
Автор: Ricarda Huch
Издательство: Bookwire
Жанр: Философия
isbn: 4064066388829
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Wie ein dünner farbloser Faden ziehen sich Religionsgespräche zwischen den verschiedenen christlichen Parteien durch die folgenden Jahrzehnte. Jedes deutsche Land, das das Evangelium annahm, hatte seine Besonderheiten in der Lehre und in den Bräuchen und konnte nur unter mühseligen Weiterungen zu einer Art von Einigung mit den übrigen gebracht werden. Noch schwieriger, eigentlich aussichtslos waren die Verhandlungen zwischen Katholiken und Protestanten, obwohl dem versöhnlichen Melanchthon und dem Formulierungskünstler Butzer auf katholischer Seite zuweilen Männer gegenüberstanden, die, wie der edle Contarini, eine Verständigung von Herzen wünschten. In Hinsicht auf die Priesterehe und das Abendmahl in beiderlei Gestalt waren die Altgläubigen nachgiebig; aber schon die verschiedene Auffassung der Messe bildete ein unüberwindliches Hindernis. Karl V. begünstigte die Gespräche. Sie waren gewissermaßen Vorläufer des Konzils, das nach allgemeiner Aussage der Spaltung und allem Streit ein Ende machen sollte. Wenn man sich vertrug, wenn der Kaiser den gewaltsamen Eingriff zurückhielt, war es, weil man auf die gütliche Entscheidung des Konzils hoffte. Ob ein Konzil, das die Katholiken als solches anerkannten, frei sein konnte, wie die Protestanten forderten, daß es sein müsse, das wurde nach einem stillschweigenden Übereinkommen nicht untersucht. Auch das zeigt, wie schwer man sich entschloß, eine dauernde Trennung ins Auge zu fassen.
Die Befreiung des Adlers
Während des Reichstags zu Augsburg träumte es einmal Melanchthon, der evangelische Prediger Aquila, derselbe, den Sickingen auf seiner Burg beherbergt hatte, sei in einen Sack gesteckt worden; da sei Luther gekommen und habe ihn befreit. Luther antwortete auf Melanchthons Bericht davon: »Solltest du etwas wider das Evangelium beschließen und den Adler in einen Sack stecken, kommen würde dann, ich zweifle nicht, Luther, um den Adler herrlich zu befreien.« Als er von den Zugeständnissen Melanchthons an die Katholiken durch erbitterte Freunde unterrichtet wurde, war er außer sich. »Ich berste vor Zorn und Entrüstung«, schrieb er dem getreuen Justus Jonas. »Meine Bitte ist, brecht die Unterhandlung ab und kehrt zurück. Sie haben unsere Konfession, und sie haben das Evangelium. Wollen sie es zulassen, mögen sie es tun, wollen sie es nicht, mögen sie hingehen, wo sie hingehören. Wird ein Krieg daraus, so werde er draus; wir haben genug gebeten und getan.« Es war ihm klar, daß eine Verständigung nicht möglich war, weil der Papst Unterordnung unter sein Regiment fordern würde und die Protestanten darin nicht einwilligen konnten, ohne ihren Grundgedanken, der sie unmittelbar unter Gott und die Heilige Schrift stellte, preiszugeben. So war seine Ansicht, daß man sich mit einer pax politica begnüge, das heißt, daß man gegenseitig Frieden halte und hinsichtlich des Glaubens beide Teile ihr Bekenntnis ausüben lasse. Dieser Wunsch sollte sich als eine Folge der Umstände erfüllen. Nachdem der Ausschuß, ohne etwas ausgerichtet zu haben, auseinandergegangen war, atmeten die Evangelischen auf, die mit wachsender Unruhe Melanchthons Verhalten verfolgt hatten. »So das wahr wird«, schrieb der Augsburger Arzt Gereon Sailer, »ist es um die christliche Freiheit geschehen.« Wieviel auch von Seiten der Protestanten selbst gegen die christliche Freiheit gesündigt worden war, Freiheit war doch der Kern ihres Glaubens, und sie war in Gefahr, von listigen Vogelstellern im Garne gefangen zu werden. Luther schrieb dringende Briefe an den Kurfürsten und die Freunde, worin er jedes Zugeständnis ablehnte. Der Kaiser zwar wollte durchaus zu einem Ergebnis kommen und ließ neue Verhandlungen einleiten; aber sie endeten erfolglos. Es schien nun keinen anderen Ausweg mehr zu geben als Krieg, den von Anfang an gefürchteten. Da zeigte sich wieder, daß der Zusammenhang unter den Ständen doch noch größer war als die Abhängigkeit der katholischen Stände von Papst und Kaiser: sie wollten keinen Krieg in deutschen Landen. Einige Fürsten waren persönlich untereinander befreundet, so besonders der streng katholische Herzog Heinrich von Braunschweig mit Philipp von Hessen, die Kurfürsten von Mainz, Trier, Köln mit ihm und Sachsen. Trotzdem, da die Evangelischen von jetzt ab unnachgiebig einen »friedlichen Anstand«, die pax politica, verlangten, kam es zu einem Reichstagsabschied, der unbedingte Unterwerfung von ihnen forderte. Die protestantischen Fürsten und 16 Städte lehnten den Abschied ab, darunter Augsburg und Ulm, die sich durch Kaisertreue immer ausgezeichnet hatten und denen der Entschluß nicht leicht wurde. Es war, als hätten sie die Worte aus einem Brief Gereon Sailers vernommen und zu Herzen gezogen: »Die Wiedertäufer haben recht zu sagen, daß ein Christ nicht nur gelehrt sein soll, sondern standhaft.« Zum Äußersten entschlossen, versammelten sich die protestantischen Stände – es waren Sachsen, Hessen, Ansbach, Lüneburg, Anhalt, die Grafen von Mansfeld und mehrere Städte – in Schmalkalden, einem unter hessischer und hennebergischer Hoheit stehenden Städtchen, und schlossen einen Bund zur Verteidigung mit den Waffen, falls einer von ihnen mit den Waffen sollte angegriffen werden. Dabei war der Kaiser nicht ausgenommen, wie es sonst üblich war. Der Beschluß, Einheit in den Kirchenbräuchen herzustellen, was das Bestehen einer evangelischen Kirche noch deutlicher machen sollte, kam nicht zur Ausführung; nicht mit Unrecht wandte Memmingen ein, das sei eine papistische Sitte. Angesichts der augenscheinlichen Gefahr wünschte man möglichst viele Glaubensgenossen in den Schmalkaldischen Bund aufzunehmen; sogar der Beitritt der Schweizer wurde ins Auge gefaßt unter der Bedingung, daß Zwingli in der Auffassung des Abendmahls sich Luther anschlösse; da Zwingli das ablehnte, wurde nichts daraus. Indessen die niederdeutschen Städte Lübeck und Braunschweig, zwei reiche, kraftvolle Republiken, wurden Mitglieder, sogar die entfernten nordischen Städte Riga, Reval und Dorpat suchten Anschluß. Frankreich näherte sich den Verbündeten trotz seiner dem Kaiser gegebenen Versprechungen, und der Sultan rüstete sich, um den im Reich sich vorbereitenden Bürgerkrieg auszunützen. Ohne daß es ausgesprochen wurde, waren die Erbfeinde des Reiches, Frankreich und die Türken, Bundesgenossen der Protestanten im Reich. Wiederum drückte auf Karl die Zange Frankreich und Türkei. Die Protestanten hatten auf dem Reichstage erklärt, keine Türkenhilfe leisten zu wollen, bevor ihnen nicht Friede gewährleistet sei. So mußte er sich zum Nachgeben entschließen. In Nürnberg kam im Jahre 1532 ein Religionsfriede zustande, den auch die päpstlichen Abgesandten billigten; der heranrückenden Türkengefahr gegenüber kam dem Papst jetzt selbst die Augsburger Konfession annehmbar vor, und er erinnerte sich, daß die Lutheraner doch auch Christen seien. Der Kaiser erließ einen Befehl, daß bis zum Konzil, oder falls dies binnen Jahresfrist nicht zustande käme, bis zum nächsten Reichstage, die Stände der Religion und anderer Gründe wegen einander nicht bekriegen, berauben, verfolgen, überziehen und belagern sollten. In einem besonderen Mandat versprach er dazu noch die Einstellung aller in den Religionssachen gegen die Protestanten anhängigen Prozesse. Sofort erntete Karl den Lohn für sein Einlenken; seit vielen Jahren war kein so starkes Heer gegen die Türken zusammengebracht, wie es jetzt geschah. Nürnberg stellte freiwillig doppelt so viel Truppen als seine Veranschlagung vorschrieb, und in ähnlicher Weise beeiferten sich gerade die Evangelischen alle zu zeigen, daß, wenn sie Gott mehr gehorchten als dem Kaiser, sie doch dem Kaiser das Seine zu geben von Herzen bereit wären. Angesichts dieser großartigen Einigkeit und Bereitschaft des Reiches wagte Suleiman seinen so pomphaft angekündigten Angriff nicht und trat den Rückzug an, es kam nicht zur Schlacht, die die beiden habsburgischen Brüder, schon in Wien harrend, selbst anzuführen willens waren. Nicht mehr dies Kriegsglück, wohl aber den Religionsfrieden erlebte Kurfürst Johann noch; er starb kurze Zeit, nachdem derselbe beschlossen war. Es war dem wahrhaft frommen und treuherzigen Fürsten vergönnt, in Frieden nicht nur mit Gott, sondern auch mit seinem Kaiser dahinzugehen, und das Reich, für das sich kaum einer unter den Fürsten mit solchem Ernst verantwortlich gefühlt hatte, in einmütiger Wirksamkeit zu sehen, bevor er es verließ.
Als Luther sich entschloß, seinen Grundsatz, das Wort dürfe nicht mit den Waffen verteidigt werden und die Fürsten wären dem Kaiser zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet, aufzugeben, war es, als sei eine Fessel von ihm abgefallen. In einer »Warnung an seine lieben Deutschen« sagte er, wenn es zum Kriege oder zum Aufruhr komme, wolle er seine СКАЧАТЬ