Название: Gesammelte Werke
Автор: Ricarda Huch
Издательство: Bookwire
Жанр: Философия
isbn: 4064066388829
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Bei den Einigungsversuchen unter Lutheranern und Zwinglianern trat Martin Butzer in den Vordergrund. Martin Butzer, der Ehestifter, eignete sich wie kein anderer dazu, Getrenntes sich näherzubringen. Er war nicht nur sehr gelehrt, sondern hatte sein Wissen stets bei der Hand und war nie um den passenden Ausdruck und die geschickte Formulierung verlegen. Es wird erzählt, daß er bei einem Religionsgespräch, während der Gegner seine Thesen aufstellte, Briefe an Freunde schrieb, dann, als der andere mit seinem Vortrage fertig war, den Inhalt desselben kurz zusammenfaßte, den Vorredner fragte, ob er den Sinn seiner Behauptungen richtig wiedergegeben habe, und als dieser bejaht hatte, ihn widerlegte. Er konnte an einem Tage mehr schreiben, als zwei Schreiber abschreiben konnten. Indessen ist es jetzt beschwerlich, seine langen Briefe und weitschweifigen Abhandlungen zu lesen, während jeder Satz Luthers blühend und packend ist wie einst. Auch in seinen unserem Interesse etwa entrückten Schriften blitzt seine lebendige Persönlichkeit, und durch ihre zeitlich gebundene Wahrheit leuchtet die ferne Klarheit der ewigen. Vor dem Zauberwort des großen Dichters verdorrt das flinke Wort des systematischen Kopfes zu Stroh. Der lebende Butzer jedoch war nicht nur ein redegewandter und überzeugungstreuer Mann, er erkannte auch bereitwillig die Überlegenheit Luthers an. Seit er zuerst in Heidelberg durch seine holdselige Rede hingerissen war, hat er nie in der Verehrung des Reformators gewankt, sich nie durch seine Härten, die gerade er vielfach erfuhr, irremachen lassen, sondern den beleidigten und entrüsteten Zwinglianern, deren Ansichten er teilte, immer wieder beizubringen versucht, daß man den Helden der Reformation, den Auserwählten Gottes, nehmen müsse, wie er sei, den Blick für seine Größe sich durch Empfindlichkeit nicht dürfe trüben lassen.
Noch während des Reichstages reiste Butzer mutig nach Koburg, um Luther für die Einigung zu gewinnen, und fand den vulkanischen Riesen zugänglicher als sonst. Allein zwischen Wolken und Vögeln hatte er wieder glückliche Tage, wo er träumte und dichtete, wenn auch die verjagten Dämonen zuweilen um so wütender zurückkehrten. Hier schrieb er den wundervollen Brief an den Kurfürsten Johann, dessen Herz, seinem Herrn Gott und seinem Herrn dem Kaiser gleich treu ergeben, doch nicht beiden dienen konnte; es war, als wolle er ihn durch Musik trösten, deren er selbst, wenn er in Melancholie verfallen war, so sehr bedurfte, denn er schrieb Worte, wie man Akkorde auf der Harfe greift. Auch an Melanchthon schrieb er behutsam und liebevoll beruhigend, obwohl er mit seiner ängstlichen Nachgiebigkeit durchaus nicht einverstanden war. Zwingli hatte inzwischen unter der Einwirkung von Luthers Gedanken seine Auffassung vom Abendmahl gewandelt, so daß er die Anwesenheit von Christi Leib annahm; dieser Umschwung erleichterte die Verständigung mit Luther. Hoffnungsvoll eilte Butzer weiter; aber nun wies ihn Zwingli ab, der die Besonderheit seiner Meinung betont wissen wollte. Der Tod Zwinglis, der im folgenden Jahre in dem unglücklichen Kriege mit den katholischen Orten fiel, räumte das größte Hindernis der Einigung hinweg. Die süddeutschen Städte, die den Rückhalt an Zürich und Bern verloren hatten, suchten Anschluß an das Luthertum. Oekolampad, der mit Zwingli einig gewesen war, starb ein Jahr nach ihm an der Pest. Butzer, der theologische Führer des wichtigen Straßburg, auf den das Ansehen des Verstorbenen überging, war der Vorkämpfer einer Verständigung. Seinem unermüdlichen Wirken ist es hauptsächlich zu danken, daß im Jahre 1536 die Wittenberger Konkordie zustande kam. Seine Meinung, daß Luther, der Erwählte Gottes, als solcher vor allen anderen zu ehren und daß er gutmütig und leicht zu beeinflussen sei, wenn man ihm nur nicht widerspreche, trug den Sieg davon und bewog die süddeutschen Theologen, ihn in Wittenberg aufzusuchen. Hier gab es erneute Schwierigkeiten; denn Luther, der sich brieflich zu allem bereit erklärt hatte, zog sich auf seinen alten Argwohn zurück, es sei den Süddeutschen doch nicht rechter Ernst mit der Annahme der realen Gegenwart Christi im Abendmahl. Schließlich drehte sich der Streit um die Frage, ob auch der Gottlose den Leib Christi empfange, was Butzer und seine Partei nicht zugeben wollten. Luther hatte nicht unrecht, wenn er dachte, daß ihre Vorstellung vom Abendmahl im Grunde immer noch sehr von der seinigen abweiche, daß sie an das Zusammenströmen des unsichtbaren Leibes mit dem sichtbaren Brot nicht glaubten; aber er überzeugte sich von ihrer Frömmigkeit und ihrem aufrichtigen guten Willen, auf seine Gedanken einzugehen und ließ es dabei bewenden. Nach einer kurzen Beratung mit seinen Freunden verkündete er den harrenden Gästen, daß er sie als Brüder annehme. Alle diese Männer, die so schwer um ihren Glauben gerungen und so innig nach Verständigung sich gesehnt hatten, СКАЧАТЬ