Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ als das Lamm unter Wölfen. Viele nahmen an, er werde vom Papst und dessen bösartigem Anhang zu Gewalttaten gedrängt, er persönlich sei milde nach der angeborenen Art des Hauses Österreich und komme mit versöhnlicher Gesinnung.

      Karl war damals 30 Jahre alt, jung, aber ein fester, selbständiger Charakter, seiner ungeheuren Macht gewachsen. Er konnte haben, als hätte er nicht: er ließ sich naßregnen, um sein Barett zu schonen, aber er konnte kaiserliche Pracht entfalten, wenn sein Ansehen es erforderte; es war eine Aufgabe, der genügt wurde. Als er während des Schmalkaldischen Krieges bei Ingolstadt lagerte, ließ er sich unter dem heftigsten Bombardement durch den Feind von dem damals berühmten Mathematiker Petrus Apiani – er hieß Bienewitz und stammte aus Meißen – ein astronomisches Instrument erklären. Einige Jahre zuvor hatte er den Gelehrten in den Adelsstand erhoben und zum Pfalzgrafen ernannt. Dem Mathematikprofessor war nicht wohl zumute, er hätte lieber einen sicheren Winkel gesucht; allein der großmütige Karl, so erzählt der Berichterstatter, stand ganz unerschrocken da und hörte aufmerksam zu, obwohl es so gefährlich zuging, daß eine vierpfündige Stückkugel mitten durch das kaiserliche Zelt flog. In jeder Lage eine stolze Haltung zu bewahren, gehörte zum Kaisertum. Karl V. war ein durch und durch vornehmer Mensch. War es eine Folge der Erziehung oder das Bewußtsein seiner allen Menschen übergeordneten Stellung, er trat niemals prahlerisch, laut, aufdringlich auf, aber er ließ sich von keinem Auge schwach oder von Leidenschaft überwältigt sehen. Er liebte nur wenige Menschen, vor allen seine Schwestern und am meisten seine Frau, diese mit innigster Hingebung; im allgemeinen war er, wenn auch zurückhaltend, doch verbindlich und liebenswürdig, ja er wußte einen Ton vertraulicher Herzlichkeit anzuschlagen, wie die Deutschen es liebten. Ein Feinschmecker und nicht so mäßig, wie seine Ärzte es vorschrieben, war ihm doch die wüste Ausschweifung der deutschen Fürsten im Essen und Trinken widerwärtig, und er ließ das gelegentlich merken. Er stand zwischen ihnen wie ein Tierbändiger, der zufällig ohne Waffen zwischen Tiger und Panther geraten ist, darauf angewiesen, sie durch seine gelassene Haltung und seinen festen Blick zu beherrschen. Bis zu einem hohen Grade gelang ihm das; sein vornehmes Wesen und seine Selbstbeherrschung imponierten den Deutschen und wirkten stark auf sie, die zum größeren Teil ganz anders waren, naiv und roh, gewohnt, sich gehen zu lassen, und die sich deshalb gegenseitig in ihren Schwächen durchschauten. Trotzdem er von Anfang an das Luthertum vollständig abgelehnt hatte, rühmten ihn gerade verschiedene Reformatoren, einige waren geradezu bezaubert von ihm. Melanchthon erschien er wie ein Heros des Altertums, den dazu noch Milde ziert.

      In der Tat war Karl nicht nur nicht grausam, sondern er zog, wenn es sich tun ließ, die gelinden Mittel den gewaltsamen vor; aber er war durch und durch Kaiser und Staatsmann, und wenn seine politischen Zwecke sich nicht anders erreichen ließen, konnte er sehr hart sein. Da Einigkeit der Stände zur Bekämpfung der Türken notwendig war, hielt er es für seine Pflicht, Einigkeit zu erzwingen. Die Bekämpfung der Türken war die Aufgabe des Kaisers wie der Herren von Österreich, die Bekämpfung der Häresie hing unzertrennlich damit zusammen. Daß er gewaltsame Unterdrückung der Ketzerei nicht verschmähte, sie wohl für die bequemste und sicherste Art hielt, zum Ziele zu kommen, bewies sein Verhalten in den Ländern, die ihm unmittelbar unterworfen waren oder seinen Standpunkt teilten, in den Niederlanden und in Spanien. Das war keine besondere Härte seinerseits, sondern geltendes Recht, das jetzt nur strenger ausgeübt wurde. Indessen, Karl war weder kleinlich noch eigensinnig; da im Reich die Verhältnisse anders lagen, schlug er hier andere Wege ein. Er war hier auf den guten Willen der Stände angewiesen, konnte nicht schlechtweg befehlen, was er natürlich lieber getan hätte. Nicht einmal auf die katholischen Stände konnte er unbedingt zählen, denen ihre Libertät fast ebenso heilig war wie ihr Glaube; vielleicht war ihm kein protestantischer Stand so feind wie die katholischen Bayernherzöge, die nicht nur nach Böhmen trachteten, sondern das Kaisertum gern an die Wittelsbacher gebracht hätten. Von dem Kurfürsten Albrecht von Mainz wußte man nie, ob er nicht doch heiraten und sein Bistum säkularisieren würde. So nahm denn sein gefürchteter Einzug ins Reich zuerst einen freundlichen Schein an. Sein Reichstagsausschreiben sagte, daß er mit Hilfe der Stände dahin wirken wolle, daß eine einige wahre Religion angenommen werde, damit, wie sie alle unter einem Christus lebten und stritten, sie auch alle in einer Gemeinschaft der Kirche lebten. Er erklärte sich bereit, die Meinungen der Stände anzuhören; die Protestanten sollten ein schriftliches Bekenntnis ihres Glaubens einreichen dürfen: Das war ein den Vertretern des Papstes höchst widerwärtiges Zugeständnis. Gleich nach der Eröffnung des Reichstages begannen freilich die Schwierigkeiten, indem der Kaiser wollte, daß alle Stände sich an der Fronleichnamsfeier beteiligten, was die evangelischen ablehnten; allein, man kam über den Gegensatz hinweg, und die Protestanten setzten sogar durch, daß die religiöse Frage vor der Türkenhilfe behandelt würde und daß der Kaiser ihr mündliches Bekenntnis anzuhören einwilligte. Es war dies die berühmte Confessio Augustana, die von Melanchthon verfaßt war, und die nun am 25. Juni in der etwa 200 Menschen fassenden bischöflichen Kapelle von dem kursächsischen Kanzler Bayer in deutscher Sprache vorgelesen wurde. Er sprach so laut, daß die unten im Schloßhof versammelte Menge den Wortlaut verstehen konnte. Während des zwei Stunden dauernden Vortrags herrschte vollkommene Stille, und der Kaiser hörte aufmerksam zu; da er nur seinen niederdeutschen Dialekt sprach, wird er wenig verstanden haben. Es war ein großer, für die Gemüter der Protestanten erschütternder Augenblick. Sie, deren Führer geächtet war, so daß er nicht in Augsburg anwesend sein konnte, hatten ihren verfemten Glauben vor Kaiser und Reich bekannt. Er war damit aus einer verdammten Winkelketzerei zu einer öffentlichen Tatsache geworden.

      Gleichwohl, und obwohl das Bekenntnis auf manche Katholiken einen starken Eindruck gemacht hatte, war der Erfolg anders, als die Protestanten erwartet hatten. Der Kaiser ließ von mehreren katholischen Theologen, unter denen Eck, Luthers alter Feind, der Wortführer war, eine Erwiderung, die Confutatio, verfassen, die er zwar, da er sie zu grob fand, zu mildern befahl, die aber in der Sache gleichblieb, den unnachgiebigen katholischen Standpunkt vertrat und alles, was die Augustana aus der Heiligen Schrift erwiesen zu haben glaubte, als irrig bestritt. Daraufhin betrachtete der Kaiser die Neugläubigen als widerlegt und verlangte schlechthin Unterwerfung der Besiegten. Es war, da die Protestanten das entrüstet ablehnten, eine förmliche Entzweiung und Auflösung des Reichstages zu befürchten. Dahin wollten es aber der Kaiser und die Mehrzahl der katholischen Stände doch nicht kommen lassen; schon früher in Aussicht genommene Ausgleichsverhandlungen wurden eingeleitet, was besonders dem Kaiser angenehm war; er meinte, da Katholiken und Protestanten in wesentlichen Punkten des Glaubens übereinstimmten, müsse ein beide Teile einigendes Bekenntnis zu ermitteln sein. Ein Ausschuß wurde eingesetzt, in den von beiden Seiten je zwei Fürsten, zwei Juristen und drei Theologen gewählt wurden. Unter den katholischen Theologen war der bedeutendste Eck, unter den evangelischen Melanchthon, der seinen Kurfürsten auf den Reichstag begleitet hatte. Die furchtbare Tragik der Glaubensspaltung offenbarte sich bei diesen Verhandlungen in der Seele Melanchthons, eines ihrer unglücklichsten Opfer. Der Humanist, der von Luthers beherrschendem Geiste in die Theologie hineingerissen war, der zwar von der Wahrheit des evangelischen Glaubens überzeugt, aber von Luthers Glaubensglut nicht beschwingt war, zitterte unter der Verantwortung, die ihm aufgeladen war.

      Daß die Einheit des Glaubens erhalten werden müsse, darin waren alle einig; hatte doch ein Schisma stets für etwas überaus Verderbliches, ganz Unerträgliches gegolten. Auch dachten die Evangelischen nicht an Absonderung von der Kirche, sondern wollten die wahre katholische Kirche sein und wollten, daß die Katholiken das einsähen; diese konnten darin nur eine unerhörte Anmaßung und Auflehnung der Ketzer sehen. Während von Ausgleich und Vermittlung gesprochen wurde, dachte jede Partei im Grunde nur, wie sie die andere zu sich hinüberziehen könnte, ohne von ihrer Wahrheit das Geringste aufzugeben. Melanchthon dachte anders, er war wirklich bereit, um des Friedens willen nachzugeben.

      Der Vater Melanchthons war ein Waffenschmied gewesen, dem Kaiser Maximilian aus Freude über einen von dem Meister verfertigten Harnisch ein Wappen verliehen hatte; einen Löwen, von dessen Tatzen die eine auf einem Hammer, die andere auf einem Amboß ruhte. Philipp, der Sohn, trat ungerüstet und nicht wie ein Löwe ins Leben. Er hatte einen schnellen und scharfen, aber nicht sehr in die Tiefe gehenden Verstand, er war zart und empfindlich und litt schmerzlich unter Angriffen, was nicht hinderte, daß er selbst СКАЧАТЬ