Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

Серия:

isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ sich bei so viel täglicher Plage und Enttäuschung das Weiterleben ohne die treuen Begleiter der ersten Kämpfe? Ohne den geliebtesten, den edelsten, ohne Staupitz, der die Flamme des Glaubens in seinem Herzen entzündet hatte? Und wie, wenn sie recht hätten? Sie kamen einer nach dem andern, anklagend, drohend: Warum hast du dein Werk zerstört? Warum die gefährliche Lehre, daß der Mensch allein durch den Glauben selig werde? Daß die Werke zur Seligkeit nicht nur nichts nützen, sondern schädlich seien? Nun bleiben die Werke aus, die dem Papsttum reichlich zuströmten und vielerlei Gutes bewirkten. Es fehlte nie an Mitteln für die Spitäler, für die Schulen, für die Armen, zur Erhaltung von Geistlichen und Lehrern. Jetzt gibt niemand mehr. Warum nicht genießen, sich wohl sein lassen, die Begierden austoben, da Gott seine Gnade umsonst gibt, da er die guten Werke verachtet? Staupitz hatte geschrieben: »Sie teilen und scheiden jetzt die Werke vom Glauben, gleich als möchte man unvergleicht mit dem Leben Christi recht glauben. O List des Feindes, o Verleitung des Volkes! Derjenige glaubt gar nicht in Christum, der nicht tun will, wie Christus getan hat. – Der böse Geist gibt seinen fleischlichen Christen ein, man werde ohne die Werke gerechtfertigt, mit Anzeigung, als hätte es Paulus dermaßen gepredigt, wie ihm fälschlich und mit Unwahrheit wird aufgelegt. Paulus hat wohl wider die Werke des Gesetzes, die aus Furcht und nicht aus Liebe entspringen, in welche die Gleißner ihr Vertrauen gründen und des Menschen Heil in wichtige äußere Werke setzen, disputiert und gestritten und beschlossen, daß dieselbigen Werke nicht gut, nicht verdienstlich, sondern verdammlich seien; die Werke aber, die im Gehorsam der himmlischen Gebote, in Glauben und Liebe geschehen, hat er nie übel gedacht und von ihnen nichts denn das Beste geredet, ja sie zu der Seligkeit not und nütze verkündet.« Mein Freund und Vater, warum siehst du mich streng an? Habe ich nicht gewarnt und gesagt, aus dem Glauben fließen die Werke von selbst, und es sei kein rechter Glaube, der nicht Werke wirke? »Du hast es gesagt, als es zu spät war, du hast es mit halber Stimme gesagt, nachdem du mit lauter gesagt hattest, daß der Glaube allein ohne Werke selig mache. In der Verblendung deines Stolzes und Eigensinns hast du mich der Feigheit geziehen. Und stand ich nicht neben dir vor Cajetan? Habe ich nicht das Evangelium gepredigt, als du noch in den Banden der Kirche lagest? Ja tief, tief warst du in den Banden der Kirche verstrickt! Und jetzt verfolgst und verlästerst du alle die, die dasselbe glauben, was du damals so unbedingt, so hingegeben glaubtest, als Bösewichter und Teufel! Warst du denn damals böser, als du jetzt bist? Warum kannst du meinen Schatten nicht mehr ertragen, der ich dir lebend der teuerste aller Menschen war? Sieh die Welt an, wie sie früher war, und sie an, was du aus ihr gemacht hast. Damals sangen Chöre von Mönchen und Nonnen vor dem ewigen Licht, die Bilder der Heiligen blickten tröstend auf die Betrübten, die Menschen auf dem Felde und das Vieh auf der Weide waren umfangen von der Gnade, die Erde war voll von der Anbetung Gottes. Und jetzt? Die Prediger zanken und verfluchen sich auf den Kanzeln, das Volk ist der Predigten müde, nachdem es Schimpfen und Lästern von seinen Hirten gelernt hat; es ist eine unheilige, dürre Welt geworden. Nur ein Stand hat bei dem Wechsel gewonnen: die Fürsten.« Blutige Schatten winden sich aus der Nacht! Münzer, Hubmaier und viele andere, zerrissen von der Folter, erschlagen, verbrannt, ertränkt. Was wollt ihr von mir? Habe ich euch zur Schlachtbank geführt? Warum habt ihr die Welt verwirrt mit unsinnigen Lehren? »War es unsinnig, daß wir die Kirche nicht dem weltlichen Regiment ausliefern wollten? Wäre es nicht besser, daß der römische Papst sie regierte, als daß die Fürsten es tun? Siehst du nicht, daß der Antichrist, da er aus der Kirche ausgetrieben ist, in den Staat schlüpft? Wie stimmt die Staatskirche zu deiner Lehre vom allgemeinen Priestertum, vom Recht der Gemeinde, ihre Hirten selbst zu wählen? Ist es fein, daß die Säufer, die Wüteriche, die Hanswurste in das Wort Gottes hineinpfuschen, Predigern befehlen und ihre Untertanen heute Weiß und morgen Schwarz glauben lassen? Unseliger, wie willst du dich rechtfertigen, wenn Gott die Seele deines Volkes von dir fordert?«

      Ich habe es nicht gewollt. Es ist Menschenlos, daß wir den Fuß setzen, wo wir Raum finden, wir gehen enge, steile Pfade und merken plötzlich, daß wir in eine Schlinge geraten sind. Und doch müssen wir weiter und müssen den Fuß immer mehr in die Schlinge verwickeln. Wer stand mir in meinem Kampfe bei? Nur Fürsten hatten den Willen dazu und die Macht. Ich sah wohl, um was es ihnen zu tun war: auch die besten wollten nicht nur das reine Wort Gottes, sondern ein gestärktes und bereichertes Fürstentum dazu. Sie wollen tafeln und jagen und schöne Frauen liebhaben, und Gott soll Segen dazu geben. Wo aber ist denn einer, dem ich die Kirche freudig übergeben könnte? Der Papst ein Wolf, die Fürsten Wölfe, das Volk eine Herde von Wölfen und Schafen. Wenn der Glaube leidet und die Völker leiden, ach, ich leide mehr als alle. Meine Feinde sagen, daß ich den Fürsten geschmeichelt habe, daß ich sie beschimpfe, solange sie dem Papst anhängen, und sie zu Göttern mache, wenn sie lutherisch werden. Muß denn nicht eine Ordnung sein? Muß nicht irgendwo Befehl und eine Macht sein, dem Befehl Gehorsam zu verschaffen?

      »Mag das in weltlichen Dingen sein; aber im Glauben? Hast du nicht selbst gesagt, daß Gott den Glauben gibt? Daß der Glaube sich nicht zwingen läßt? Daß jeder mit seinem Glauben selbst vor Gott stehen muß? Kein Priester solle sich zwischen Gott und den Menschen drängen? Aber nun hast du die Fürsten dazwischengeschoben. Wenn heute ein Fürst deinen Katechismus aufrichtet, müssen seine Untertanen nach deinem Katechismus beten; wenn er morgen stirbt und sein Sohn den Thron besteigt, müssen sie deinen Katechismus auf den Kehricht werfen und nach einem anderen beten, den du verfluchst. Dahin ist es mit deiner neuen Lehre von der Obrigkeit und mit deiner Erkenntnis Gottes gekommen. Mögen alle Menschen Kinder Gottes sein, die Fürsten sind selbst Götter. Sie haben es endlich durch dich erreicht, daß sie niemanden mehr über sich haben, nicht den Kaiser und nicht Gott. Von ihnen empfangen die Völker den Glauben; der Gott im Himmel ist ihnen ferner gerückt als jemals. Im Papsttum haben die versammelten Priester über den Glauben der Völker entschieden, jetzt entscheidet ein einziger Laie in den Stunden, wo er nicht betrunken ist. Du sagst, es muß eine Obrigkeit sein. Warum durftest du dich denn dem Papst widersetzen, der deine Obrigkeit war? Warum dürfen sich die Fürsten dem Kaiser widersetzen, der ihre Obrigkeit ist? Warum die Gemeinden den Bischöfen, die ihre Obrigkeit sind? Ist die Freiheit nur für dich und für das deutsche Volk die Knechtschaft? Als die Bauern den Kopf unter das Beil legen mußten, wandtest du dich ab und sagtest: ihnen geschieht recht.

      Wiederum Schatten, Bauern, triefend von Blut und Schweiß, ausgestoßen, verlassen von Gott und den Menschen. Rohe einfältige Bauern; aber sind sie nicht auch Ebenbilder Gottes? Hattest du ihnen nicht eine bessere Zukunft verheißen?

      Ist das nun das Glück und die Freiheit und der Reichtum des deutschen Volkes, die ihnen werden sollten, wenn die Herrschaft des Papstes gebrochen wäre? Wenn das Geld nicht mehr nach Rom und in die Ablaßkästen flösse? Nun fließt das Geld des Volkes in die Kisten der Fürsten, damit sie desto mehr fressen und saufen können. Der Adel zieht die Stiftungen ein, die seine Väter der Kirche machten zur Ehre Gottes und zur Unterstützung der Armen. Vielleicht werden einige Schulen davon gegründet; aber die Lehrer und die Geistlichen darben. Während die Fürsten ihre Schlösser mit unnützem Prunk füllen, verelenden die Bauern und verarmen die Städte. Aber Reichtum und Armut zusammen wird der Bürgerkrieg verschlingen. Denn wer aufmerksam horcht, vernimmt ein gedämpftes Klirren von Waffen und huschende Schritte von Knechten, die zu den Werbeplätzen eilen. Wenn der Türke den rechten Augenblick erspäht, wird er über den Trümmern des Reichs, das sich selbst zerfleischt, seine Herrschaft aufrichten. Niemals wäre Einigkeit so nötig gewesen wie jetzt. Im Osten ist ein Wall nach dem andern gefallen, die heidnische Flut wälzt sich heran.«

      Habe ich denn Uneinigkeit gewollt? Habe ich das Reich auseinanderreißen wollen? War einer im Reich, der die Reform nicht wollte? Warum haben sie das Wort Gottes nicht vernommen?

      »Das Wort Gottes! Deine, deine Worte hast du gewollt, daß sie hören! Du willst der einzige sein, der es recht verstanden hat. Viele sagen, Zwingli habe es besser verstanden. Sieh, wieder ein blutiger Schatten. Warum ergriffest du die Hand nicht, die er dir in Marburg bot? Mag sein, daß er hochmütig, überheblich, rechthaberisch war, warest du es nicht noch mehr? Er wünschte doch Frieden mit dir. Er war ein aufrechter Mann und ging für seinen Glauben in den Tod. War es christlich, über seinen Tod zu frohlocken? War es christlich, um der verschiedenen Auslegung eines Herrenwortes willen des Herrenwortes zu vergessen, das Liebe und Nachsicht gebietet? СКАЧАТЬ