Schattenkinder. Marcel Bauer
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Название: Schattenkinder

Автор: Marcel Bauer

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783898019002

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СКАЧАТЬ Hanseatischen Regiment an die Westfront gezogen und hatte bei Noyon in Nordfrankreich seine Feuertaufe bestanden. Sein Regiment habe im Stellungskrieg schwere Verluste erlitten, was seiner Überzeugung, dass er für eine gerechte Sache kämpfte und am Ende den Sieg davontragen werde, nichts anhaben konnte. Leider war es aber anders gekommen. Die Schuld dafür wies Meyer unfähigen Politikern zu, die den kämpfenden Truppen in den Rücken gefallen seien.

      Meyers Ehefrau Gerda war eine geborene Scholl und stammte aus gutem hanseatischem Hause. Neben Hedwig gab es noch den jüngeren Sohn Emil, ein aufgeweckter Junge in Joshuas Alter. Die Kinder begegneten ihren Eltern voller Respekt und redeten sie nur in der dritten Person an.

      Emil hatte einen goldbraunen Teddybären, der Petsy hieß, ein drolliges Kerlchen, das allerlei lustige Geschichten zu erzählen wusste und immer zu Späßen aufgelegt war. Sehr stolz war das Bärchen auf den Knopf in seinem linken Ohr. Das zeichne ihn vor allen anderen Teddybären aus, klärte er den Plüschhasen auf. Die beiden freundeten sich an, obwohl Roro von Natur aus eher reserviert war.

      Als Vertreter des hanseatischen Bürgertums und Mitglied des Deutschen Kaffeevereins war der Konsul sich seiner gesellschaftlichen Stellung bewusst. Um diese zu betonen, gab er sich Mühe, wie ein preußischer Junker zu näseln und redete in der Familie vorzugsweise Bremer Schnack, den örtlichen Dialekt. Man merkte ihm an, dass es ihn einige Überwindung kostete, Jiddisch zu reden, das er nur mangelhaft beherrschte. Von Mendel und Joshua ließ er sich mit »Oheim« anreden. Die Jungen mochten diesen deutschen Onkel wegen seiner überheblichen und herablassenden Art nicht sonderlich. Sie machten sich einen Spaß daraus, ihn abends auf ihrem Zimmer zu parodieren und nachzuäffen.

      Meyers Frau war sehr viel umgänglicher als ihr Mann. Sie verstand sich auf Anhieb gut mit Joshuas Mutter. Während die Männer in der Bibliothek über hohe Politik redeten und die Kinder im Garten spielten, hielten die Frauen nebenan ihren Kaffeeklatsch. Da Joshuas Mutter von Hause aus gut Deutsch sprach, konnten sie sich zwanglos unterhalten.

      Gerda Meyer klagte darüber, dass sie ohne Haushaltshilfe auskommen mussten, weil es Juden durch die Nürnberger Rassengesetze verboten war, Nicht-Juden als Hauspersonal anzustellen. Noch schmerzlicher seien die beruflichen Einschnitte, die ihr Mann in seinem Geschäft erfahren habe. Man habe ihn im Rahmen der Arisierung gezwungen, seine Anteile am Unternehmen, das seinen Namen trug, zu einem Schleuderpreis zu veräußern. Aber man habe ihn nicht entlassen, sondern auf einen untergeordneten Posten abgeschoben, weil er über viele Kontakte ins Ausland verfügte, die über die Jahre gewachsen waren und die für das Unternehmen unerlässlich waren.

      Sie sagte, das antisemitische Klima, das sich selbst in der feinen hanseatischen Gesellschaft breitmache, mache ihrem Mann zu schaffen. Er leide sehr unter den Anfeindungen, die er auf offener Straße erfuhr. Hatten früher die Nachbarn artig den Hut gezogen, wenn sie dem Herrn Konsul begegneten, titulierten Lausbuben aus der Nachbarschaft ihn nun ungestraft als »Saujuden« oder »Judensau«. Vermutlich war diese Demütigung ein Grund dafür, dass Meyer sich auf seine jüdischen Wurzeln besann und bereit war, seinen entfernten Verwandten eine finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen.

      Siegmund Meyer erging sich gerne in weitschweifigen Erörterungen, die er mit zahlreichen historischen Bemerkungen und Anekdoten spickte. Ariel Rozenberg war ein dankbarer Zuhörer, umso mehr als er nicht alles verstand, was der Konsul zum Besten gab. Ungeachtet der widrigen Tagespolitik bezeichnete der Konsul sich als deutscher Patriot. Was seine persönliche Zukunft betraf und die Situation der Juden im Reich, blieb er zuversichtlich. Der Nazi-Spuk werde irgendwann vorüber sein. Danach würden wieder geordnete Zustände im Reich einkehren.

      Seine Überzeugung stützte sich auf die Beobachtung, dass neuerdings alle antisemitischen Parolen aus dem Stadtbild entfernt worden waren. Es fänden auch keine Übergriffe gegen Juden oder jüdisches Eigentum mehr statt. Zu den Olympischen Spielen präsentiere sich Deutschland als gastfreundliches, weltoffenes Land. Alles sei auf einmal viel entspannter. Jüdische Sportler, die aus der deutschen Nationalmannschaft entfernt worden waren, seien mit allen Ehren wieder aufgenommen worden. Deutschland sei eben eine Kulturnation, und daran würden »diese Banausen aus den bayerischen Bergen«, die derzeit in Berlin das Sagen hätten, auf Dauer nichts ändern.

      Dass Meyers zur Schau gestellte Gelassenheit nur gespielt war, sollte der Metzger Rozenberg an den Umständen ersehen, mit der die Geldübergabe stattfand. Statt eine Bank aufzusuchen, begleitete er den Konsul auf den Söller des Hauses, wo dieser unter einer losen Bohle des Fußbodens sein mobiles Kapital verborgen hatte. In einer Schuhschachtel hatte er Bargeld, ausländische Devisen sowie Wechsel und Aktien gehortet. Zur Erklärung sagte er, die Reichsregierung habe Devisenstellen eingerichtet, mit dem Ziel, die Juden auszuplündern. Hier dagegen sei sein Geld sicher und gut angelegt. Dieses Geld würden diese Brüllaffen nicht kriegen, betonte er, als er Rozenberg eine beträchtliche Summe in ausländischer Währung aushändigte.

      Abschließend ließ er Rozenberg einen Schuldschein unterschreiben. Da es immer öfter vorkam, dass aus dem Ausland angewiesene Beträge an jüdische Firmen oder Privatpersonen von der deutschen Bankaufsicht unter fadenscheinigen Vorwänden kassiert wurden, vereinbarten sie, dass Rozenberg die monatlichen Raten für den Kredit nicht nach Deutschland überweisen, sondern auf ein belgisches Sperrkonto einzahlen sollte.

      Nachdem die Mutter die Geldscheine ins Futter ihrer Jacke eingenäht hatte, traten die Rozenbergs voller Optimismus ihre Reise ins »Gelobte Land« an. Von Bremen ging es über Köln nach Aachen. In einem Branchenbuch, das in der Bahnhofshalle auslag, fanden sie die Anschrift eines Gasthofes im Ostviertel von Aachen. Dort wollten sie übernachten, um in Ruhe die Lage an der deutsch-belgischen Grenze zu erkunden.

      Die Wirtin der Pension »Zum Postillion« erwies sich als rabiate Person. Bevor sie die Gäste über die Schwelle ließ, wollte sie die Reisedokumente prüfen. Als sie polnische Pässe sah, setzte sie eine Miene auf, die offenes Missfallen bekundete. Bevor sie den Zimmerschlüssel aushändigte, verlangte sie Vorkasse. Die Einrichtung des Fremdenzimmers war bescheiden. Neben einem Doppelbett gab es zwei Kinderbetten, die für einen Siebenjährigen wie Mendel zu knapp bemessen waren. Immerhin gab es in dem Zimmer fließend Wasser.

      Im Zimmer unterhielten sie sich nur im Flüsterton. Die Mutter schärfte den Jungen ein, den Raum nur auf leisen Sohlen zu verlassen. Wenn sie zur Toilette auf dem Flur müssten, sollten sie sich vorher vergewissern, dass die Luft im Treppenhaus rein sei. Ihr war aufgefallen, dass die Herbergsmutter ständig auf der Lauer lag und keine Gelegenheit ausließ, um ihre Kinder auszufragen und zu behelligen.

      Am nächsten Morgen verließen die Rozenbergs getrennt die Pension. Während die Mutter und Joshua die Kleinbahn nahmen, um den Aachener Dom zu besuchen, machten der Vater und Mendel sich auf die Suche nach den Eifeljuden. Da Mendel aus seiner Schulzeit in Lodz noch einige Brocken Deutsch sprach, hatte sein Vater, der nur Polnisch und Jiddisch sprach, gemeint, dass er ihm bei der Suche behilflich sein könne. Er hatte seiner Frau versprochen, am Abend zurück zu sein.

      Mit dem Zug ging es von Aachen nach Düren. Dort nahmen sie die Eifelbahn. Die erste Station war Euskirchen, eine Stadt, die im »Jiddischen Wort« wegen ihrer prächtigen Synagoge als Zentrum jüdischen Lebens beschrieben worden war. Als sie vom Bahnhof die Straße zum Alten Markt hinuntergingen, fanden sie dort eine seltsame Schautafel, auf der Namen und Fotos von Juden sowie Namen von »Judenknechten« und »Volksverrätern« geheftet waren. Der Pranger jagte ihnen einen solchen Schrecken ein, dass sie beschlossen, schleunigst umzukehren und sich gleich in die nächste Ortschaft zu begeben.

      Den Ort Hellenthal unmittelbar an der belgischen Grenze hatte der Kantor in seinen Briefen mehrmals erwähnt. Als sie mit dem Schienenbus dort eintrafen, waren die Geschäfte bereits geschlossen. Sie sahen, dass auf einigen Rollläden Davidsterne gepinselt waren.

      Als sie ein altes Mütterchen sahen, das über die Straße humpelte, drängte Rozenberg seinen Sohn dazu, sie anzusprechen. Ob sie den Viehhändler Karl Haas kenne, СКАЧАТЬ