Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto
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Название: Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte

Автор: Louise Otto

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204908

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СКАЧАТЬ sich nicht nur persönliche, es knüpfen sich zeitgeschichtliche Erinnerungen an sie und diese bieten zugleich ein culturhistorisches Material.

      Wenn hier auch nur diejenigen Moden – speciell die Frauenmoden geschildert werden sollen, deren ich mich nicht immer vom eigenen Tragen, aber doch vom eignen Anschauen entsinne, so mögen sie nicht allein das Bild der weiblichen Entwickelungsgeschichte der letzten funfzig Jahre vervollständigen helfen, sondern auch daran gemahnen, wie selbst im oft gescholtenen »Unsinn« der Mode doch auch ein gewisser Sinn liegt, und wie sie nicht allein das Product der Willkür der Gewerbtreibenden oder tonangebenden Damen sind, sondern ein Product der Zeit, die sie hervorbringt, wie sie gern anknüpfen an die vorherrschenden, speciell auch an die Interessen der Zeitgeschichte und Politik.

      Ich datire auch meine Mode-Erinnerungen von Meißen-Dresden her, meiner Vaterstadt und der sächsischen Residenz, die ihr so nahe lag, daß natürlich ihre Moden sofort die unsrigen wurden. Die Herrschaft der Mode giebt zwar der ganzen civilisirten Welt immer so ziemlich gleichmäßig dieselben Gesetze, aber einzelne Modifikationen werden doch in verschiedenen Staaten und Städten vorgenommen, und so erscheint mir die Angabe des Ortes, aus dem meine Erfahrungen stammen, nothwendig. Dresden, eine gemüthliche Residenz, die von je von einer Menge Fremder besucht ward, früher so vorherrschend von Italienern, Polen, Franzosen wie jetzt von Engländern, Amerikanern und Russen, gestattete in Bezug auf Toiletten stets größere Mannigfaltigkeiten und Freiheiten, wenn auch sonst der Hof einen unausgesprochenen Druck ausübte und Rücksichten der Etikette ängstlich gewahrt werden mußten. Auch besondere Verbote herrschten: es durfte z.B. bis zum Jahre 1848 kein echter weißer Sammet zu Hüten verarbeitet werden, außer für den Hof, eben so wenig durfte Jemand echten Hermelin tragen; auch Paradiesvögel hatte der Hof sich vorbehalten. Die Schröter-Devrient war die Erste, die in den dreißiger Jahren einen solchen im Palmsonntags-Oratorium, wo sie mitwirkte, zu tragen wagte.

      Ich will aber noch weiter in der Zeit zurückkehren und etwa mit 1827 beginnen. Die ersten Moden, die mich an meiner Mutter interessirten, verherrlichten revolutionäre Namen und Thaten: Ypsylantie-Krausen und ein Bobelina-Shawl. Dem Heldenpaar des griechischen Freiheitskampfte ward in der Mode gehuldigt. Die Krausen, wie Demetrius Ypsylantie sie getragen haben sollte, waren sehr breit von Tüll in eigenthümliche Glockenfalten gebracht und mit langen breiten Enden zusammengeknüpft. Den Bodelina-Shawl hatte meine älteste Schwester aus bunter Seide streifig selbst filet gestrickt. Unten war er mit Quasten zusammengezogen. Er konnte sowohl mehrfach um den Hals als über den Kopf nach Art eines griechischen Fez gewunden werden. Der griechische Freiheitsheld und das kühne Heldenmädchen waren damals die populärsten Gestalten, man sah sie in allen Wachsfiguren-Kabinetten, auf allen Bilderbogen, man gab sie den Kindern als Puppen – ich segne noch heute mein Geschick, das sie mir zugeführt, denn ich halte es für sehr bedeutsam, womit ein Kind spielt und was für menschliche Ideale ihm vorschweben – in jener Zeit des Niederdruckes und der Erstorbenheit alles politischen Lebens war der Philhellenismus der einzige Aufschwung, der wenigstens noch die Fähigkeit zeigte, mit einer Volkserhebung zu sympathisiren. Freilich hatte dies Interesse etwas offizielles – es fand statt mit hoher, obrigkeitlicher Erlaubniß, denn einmal war der Kampf ja »hinten weit in der Türkei«, zweitens handelte er ja auf »klassischem« Boden und erhielt dadurch einen philologischen Beigeschmack, und drittens war er ja christlich, da er gegen den alten Reichsfeind unterm Halbmond ging! –

      Wenn mich meine Mutter auf dem Schoß hielt, so schwebt sie mir immer vor in vorn übereingnder gelegten Ueberröcken von leichter Seide, schottisch, grün, roth, gelb, schwarz, braun ziemlich klein karrirt, der Rock wenig gefaltet und schräg geschnitten: im Winter zum Ausgehen in einem Pelz von rothseidenem Rips mit Bär besetzt, dazu einen kolossalen Muff von gleichem Pelzwerk, vor dem ich mich ordentlich fürchten konnte; als der Bär nicht mehr modisch war, bekamen wir Kinder Krausen daraus, in denen unsere kleinen Gesichter ganz verschwanden. Ich hatte überhaupt immer das Glück, aus den alten Sachen meiner Mutter neue zu bekommen, weil sie für mich am Besten reichten – das hatte zwei Seiten, es machte mich zuweilen mißvergnügt, weil ich selten etwas wirklich Neues, sondern doch immer nur »abgesetzte« Sachen bekam, und dann freuten, aber verwöhnten mich auch die guten, seinen, weichen Stoffe. Es herrschten überhaupt damals noch Seide und Leinen mehr vor, wie später die Baumwolle, das änderte sich erst mit dem Abschluß des Zollvereins, wo die Seide sehr im Preise stieg. Das Vorurtheil gegen die Baumwolle ging bei meiner Mutter auch dahin, daß sie den Teint verderbe, wir durften um den Hals zu den damals allgemein ausgeschnittenen Kleidern nie andere als seidne oder leinene Tücher tragen, die erstern waren auch schottisch karrirt, die letztern hatten große Krausen und wurden bald über, bald unter den Kleidern getragen.

      »Ostindischer Nanking« war auch ein sehr beliebter Stoff in gelblicher Naturellfarbe. Wir Kinder bekamen Ueberröckchen daraus, mit bunten Börtchen gestickt, die über weißen, gestickten, vorn sichtbaren Unterröckchen offen getragen wurden. Der Stoff war ziemlich theuer, aber auch unverwüstlich, kam angeblich aus England und war dann nach Gründung des Zollvereins auch nicht mehr echt zu haben. Alle Damen trugen als Straßentoilette Ueberröcke wie die erwähnten daraus, für das Haus Kleider mit Falbeln, meist mit weißen Börtchen benäht. Herren trugen Pantalons daraus, auch Westen und Ueberröcke – ein Kostüm, wie man es jetzt nur auf dem Theater sieht, wenn irgend Jemand, der im Zusammenhang mit der ostindischen Kompagnie steht – bekanntlich ein Lieblingsthema R. Gottschall's – auf die Bühne gebracht wird. Die Gedanken an Ostindien und seine Nabobs bewegten damals mit einer Sehnsucht, an deren Erfüllung aber doch Niemand glaubte, die Gemüther – nur in Ostindien und in Amerika hielt man es für möglich, Reichthümer zu erwerben, im letzteren doch nur durch Arbeit und Geschick, in jenem aber durch süßes Nichtsthun und Schwindel, und beneidete die Engländer, denen dieser jetzt nicht mehr ungewöhnliche Weg offen stand! Es gab damals ja noch keine Zettelbanken, Gründungskomité's und Aktiengesellschaften, bei denen man jenes höchste Ziel der materialistischen Lebensanschauung erreichen konnte. Mit verzweiflungsvoller Resignation blickte man auf die Söhne Albions und hüllte sich in ihren – ostindischen Nanking, um doch etwas von dort zu haben! – Auch die Kaschmir-Shawls erhielten in dieser Zeit eine weitere Verbreitung, sie wurden wirklich als Shawls getragen, nicht, wie später, vierfach zusammengelegt; ein weißer, mit eingewirkten bunten Palmetten an den Enden, war wohl das kostbarste Toilettenstück meiner Mutter. Was aber den Wollstoff betraf, den man hauptsächlich zu Hauskleidern trug, so gönnte man keineswegs England den Vorrang vor dem Vaterlande – ein deutsches gab es damals nicht, ich denke hier also nur an mein sächsisches, das auch im Namen des Fabrikats vertreten war: der »englische Merino« war nämlich ein ungleich schlechterer und auch billigerer Stoff als der »sächsische Merino«. Man hatte jenem im Verdacht, mit Baumwolle gemischt zu sein, er war leichter gewebt, aber doch von starrer Härte und hatte einen unangenehmen Glanz, man nahm ihn nur für Hauskleider, während der sächsische salonfähig war. Aus ihn ging später der Thibet und Kaschmir hervor, dieses Ideal aller wollenen Stoffe, was Weichheit, Feinheit, Faltenwurf und Haltbarkeit betrifft.

      Daß wir aber neben der Politik und Ostindien die Kunst nicht vergessen: die »Sonntagskrausen«, zur Nachahmung Henriette Sonntag's, der trefflichen Koloratursängerin, forderten auch neben den Ypsilantiekrausen ihre Rechte, eben so wie die gepufften Agathe-Aermel, die an den »Freischlitz« erinnern, die volksthümlichste aller Opern – schon damals!

      Nun zu einem durch die jetzige Mode so viel besprochenen Gegenstand: das Haar. Als Kind trug ich es in herabhängenden, mit bunten Schleifen zusammengeflochtenen Zöpfen; bei Kindern, die so starkes und langes Haar hatten wie ich, ward es dreiflechtig, oder russisch geflochten und zwar in zwei Paar Zöpfen, in welche noch zwei kleine Seitenzöpfchen einmündeten. Meine Schwestern, die mir abwechselnd das Haar machten, waren häufig ungehalten über dieses tägliche Flechten von sechs Zöpfen, die noch dazu kein Ende nahmen, denn mein Haar reichte bis über die Kniee hinab. Meine Mutter trug gleich andern Damen Locken à la neige, es waren an beiden Seiten dicht übereinander gehäufte Lockenberge und eben darum anfänglich – falsch; noch ein Ueberbleibsel aus jenen Zeiten, wo die Damen so hochgethürmte, mit falschen Wülsten versehene Kopfputze trugen, daß sie sich mußten frisiren lassen und an Balltagen, wo die Friseure schwer herumkamen, manchmal СКАЧАТЬ