Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto
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Название: Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte

Автор: Louise Otto

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204908

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СКАЧАТЬ der größeren Mädchen hörend, die an den Nähtischen saßen, noch lieber das Nothkehlchen beobachtend, das zahm im kleinen Arbeitszimmer hin und wieder lief – wenn ich einmal »ein mal herum« glücklich ohne verlorene Maschen gestrickt hatte, ward mir als Belohnung erlaubt, dem Nothkehlchen einen Kürbiskern zu verabreichen – die Aussicht auf dieses Vergnügen war noch am Ersten im Stande mich bei der widerwärtigen Arbeit anzuspannen. Dabei war es seltsam, daß, während andere Kinder anfänglich so fest strickten, daß die Nadeln kaum zu erschieben waren, meine Maschen viel zu locker ausfielen und die Lehrerin zu der geistreichen Bemerkung veranlaßten: man sähe, wie gern ich das Stricken an den Nagel hinge, denn meine Maschen wären groß genug dazu. Die kleinen Fingerchen, denn ich war ein sehr schwächliches Kind, konnten aber die Stahlnadeln kaum dirigiren und ich segnete stets den Moment, wo die Strickstunden beendet waren. Auch habe ich mich später noch lange geplagt, bis ich einen Strumpf wirklich allein vom Anfang bis zum Schluß regelrecht fertig stricken konnte – allein es galt, wie gesagt, damals für nothwendig, daß jedes Mädchen ihre Strümpfe selbst stricke; ich hatte Freundinnen, die es eigenhändig bis zu hundert Paar gebracht und zu einer Ausstattung galten wohl meist so viel als erforderlich. Gewebte Strümpfe kamen anfänglich nur in ganz feiner Qualität auf, so daß sie meist nur zu Ballstrümpfen benutzt wurden. Sie hatten erst nur schlechte Façons bis die Industrie sie auf den Stand der heutigen Vollkommenheit brachte. Da man die Strümpfe früher mit ganz breiten, äußerst mühsamen Rändern versah, später mit durchbrochenem Fußplatt, so gehörte dazu schon gleiche Kunstfertigkeit wie zum Spitzen-, Gardinen-Decken-, Börsen-, Käppchen-Stricken u.s.w.

      Wird jetzt von manchen Seiten das Stricken ganz für überflüssig erklärt, so möchten wir dennoch dem nicht beistimmen. Es giebt im Frauenleben immer Stunden wo ein Strickstrumpf nicht zu verachten. Man kann so gut dabei lesen, vorlesen in häuslichem Kreis, im Garten spazieren gehen, plaudern. Der Strickstrumpf läßt stets unsern Gedanken den freiesten Spielraum und es wird doch etwas Nützliches dabei fertig – denn es ist doch mehr als Vorurtheil, daß ein selbstgestrickter Strumpf besser hält als ein gewebter. Da in den früheren Zeiten das weibliche Lesen immer als Zeitverschwendung galt, so war es doch gestattet, wenn man dabei strickte und so geistige Nahrung und realistisches Schaffen miteinander Hand in Hand gingen. Was wäre in früherer Zeit aus so mancher weiblichen Bildung geworden, wenn nicht die strengen Mütter, sobald sie das Strickzeuch in der Hand der Töchter dabei sahen, ihnen das Lesen gestattet hätten! Auch wir Schwestern saßen an allen Abenden, wo kein Besuch da war, um die Mutter am Tisch herum und strickten, wobei jede entweder für sich in einem Buch las und es mäuschenstill im Zimmer war, oder nur eine strickte und vorlas, indeß sich dann die Andern auch mit andern Handarbeiten beschäftigten. –

      Auf die langweiligen Strickstunden folgten dann die etwas unterhaltenderen Nähstunden; da ich kränklich war und nicht zu viel sitzen sollte, der Schulunterricht aber doch einige Tagesstunden in Anspruch nahm, so war ich oft Monate lang vom Nähunterricht dispensirt; indeß hieß es dann auch wieder, daß es im letzten Schuljahr und dem darauf folgenden Jahr nachgeholt werden könne. Nach der obigen Schilderung kann man denken, daß es sich besonders darum handelte, gut Wäsche nähen zu können und daß eben darauf aller Fleiß verwendet ward, indeß Häkeln, Stricken und andere weibliche Kunstarbeiten erst in zweiter und dritter Linie folgten. All dieser Unterricht war durchaus empirisch. Es gab noch keine »Schallenfeldsche« und andere Lehrmethoden dafür, es gab keine Musterzeitungen, keine Schnitt und Zeichenvorlagen, keine angefangenen Arbeiten u.s.w., es gab auch keine geprüften Lehrerinnen dazu. Irgend ein in weiblichen Arbeiten geübtes älteres Mädchen entschloß sich, das Stundengeben an Mädchen gebildeter Familien zum Erwerb zu wählen. Meine Nählehrerin war die Schwester eines Malers, mit dem sie zusammenwohnte und hatte einige Mädchen in Pension. Auch bei ihr spielte ein Vögelchen eine große Rolle. Ein schmetterndes Kanarienvögelchen, das immer auf ihrem hohen Kamm saß und oft genug an unseren Arbeiten zauste und sie beschmutzte. Sie wollte durchaus nicht Fräulein genannt sein, sondern gab der »Mamsell« den Vorzug und prägte ihren ländlichen Pensionärinnen ein, daß sie zu gewöhnlichen Leuten immer »Sie,« zu »distinguirten« Personen aber immer »Ihnen« zu sagen hätten. Wie witzelten wir heimlich über diese und andere ihrer komischen Manieren! Allein sie war doch eine sehr respectable Person und etwas von dem Kunsttalent ihres Bruders war auch auf sie mit übergegangen.

      Da es keine Nähmaschinen gab, so war das Weißnähen gerade zu einer seltnen Stufe der Accuratesse und Verschiedenartigkeit gediehen und forderte keine geringe Geschicklichkeit. Doch da in allen Dingen Uebung den Meister macht, so gelangten Viele zu dieser Meisterschaft, da in einem geordnetem Haushalt der alten Zeit die Töchter eben fast den ganzen Tag der Näharbeit widmen konnten und dieselbe beinah als Hauptsache galt. Man saß darum dazu auch gern plaudernd beisammen, oder ließ sich dabei vorlesen, wenn man die nöthige Ruhe erzielen konnte und mehrere Mädchen beieinander weilten, die sich dann wechselnd im Vorlesen ablösten. Daher kam es wohl auch, daß die Mädchen in früherer Zeit allerdings im Durchschnitt, da der Schulunterricht ein weit geringeres Zeitmaß in Anspruch nahm, als jetzt, zwar viel weniger – wissenschaftlich unterrichtet, aber dafür wieder viel belesener waren, als man es jetzt findet.

      Es war wie gesagt damals nothwendig, daß die weiblichen Hände Wäsche nähten, sie leisteten und ersparten dem Hause etwas und da es, wie gesagt, doch wieder manchmal nicht so viel zu nähen, auszubessern und zu sticken gab, als eben dazu bei fleißiger Gewöhnung Zeit war, so hatte es ja auch etwas für sich, auf Vorrath zu nähen, so bald man nur so glücklich war, auf Vorrath anschaffen zu können. Aber daneben erging man sich auch in Stickereien aller Art. Da es keine Musterzeitungen, keine vorgedruckten Muster auf dem betreffenden Material, keine Metallschablonen und alle diese Hilfsmittel der Gegenwart gab, in frühester Zeit nicht einmal Geschäfte, in denen man das Material zu den Buntstickereien wie: Perlen, Seide, Wolle, Canevas und andern Stoff gleich vereinigt fand, so mußte man sich selbst zu helfen suchen, so gut wie es eben ging. Diese Selbsthilfe kam zwar nicht immer den gefertigten Arbeiten zu Gute – aber doch dem weiblichen Geist, Talent dem Erfindungsvermögen, der Phantasie und Geschicklichkeit. Wenn damals eine Dame eine Arbeit ihrer eignen Hand verschenkte, so hatte sie in der That mehr Werth als heutzutage: es war in der Regel keine Schablonenarbeit, es waren sinnige Gaben, welche vortheilhaft das eigne Nachdenken sehr in Anspruch genommen hatten, so z.B. die bunten Plattstickereien in Wolle und Seide, die zum Theil der Malerei, zum Theil der Natur selbst nachzuahmen suchten. Freilich wurden, wie nothwendig diese, eine Zeit lang auch alle Namen und Weißstickereien, auch die meisten Canevasarbeiten, anfänglich im Rahmen ausgeführt, so lag darin für die jungen Mädchen die Gefahr, sowohl schief als engbrüstig zu werden. Vernünftige Lehrerinnen und Mütter drangen darauf, daß die Mädchen sich gewöhnten, bald die rechte, bald die linke Hand oberhalb des Rahmens zu haben, oder, wenn schon Neigung zur Rückgradsverkrümmung vorhanden war, überhaupt die Linke oben zu halten, was, wenn man es einmal gewöhnt, im Grunde auch leichter war, als das Wechseln – doch blieb immer das viele Gebücktsitzen schädlich – zumal für Kurzsichtige, welche ja anders den ihren Augen gemachten Zumuthungen gar nicht entsprechen konnten. Denn diese erreichten z.B. den allerhöchsten Grad, als es Mode ward, von Canevasmustern in Mosaikcanevas oder Lignon mit ganz seiner Seide zu sticken – es waren Miniaturarbeiten, die zum Herüber- und Hinübersehen, zum Abzählen nöthigten und so feiner Art, daß oft Wochen gebraucht wurden, ehe die fleißigste Arbeiterin ein kleines Bild in eine Brieftasche und dergleichen zu Stande brachte. Welche Zeitverschwendung! Mit Erschrecken denke ich selbst an die eigne zurück, denn diese Arbeiten fielen gerade in meine Jugend- und Liebeszeit – und darum muß ich doch sagen, sie erregten Staunen nicht allein um ihrer Zierlichkeit, sondern auch um der Geduld willen, die dabei geübt werden mußte. Man dachte eben dabei an die Mutter, die Freundin, den Geliebten, an Diejenigen, welche diese mühsame Arbeit empfangen sollten, man freute sich an der Arbeit gerade weil sie so viel Zeit und Arbeit erforderte, man hoffte durch ein solches Opfer, durch eine solche Anstrengung seine Liebe zu beweisen. Die jetzige Zeit sieht das anders an. Man hat ohne Zweifel sehr recht, solche Arbeiten jetzt geradezu für Wahnsinn, für Zeitverschwendung, für Versündigung an seinen Augen zu erklären und umsomehr, als man das höhere Motiv dabei übersieht – aber man sollte consequent sein und auch an die Zeitverschwendung denken, welche in der Anfertigung der heutigen Damentoiletten liegt! Damals war diese so einfach, daß man wenige Zeit brauchte, СКАЧАТЬ