Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto
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Название: Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte

Автор: Louise Otto

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204908

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СКАЧАТЬ noch ein weiter schwarzer Tüllshwal vervollständigte, zur Rosenzeit eine weiße Rose an der Brust, häufig mit der einer – Kindesmörderin verglichen, oder doch mit einem Mädchen aus dem Mittelalter, das zum Schaffott ging. Vielleicht auch sollte dies Kostüme an »Antigone« gemahnen, die man eben damals, um der Antike mehr als den deutschen Dichtern zu huldigen, mit Mendessohn's Musik auf die Bühne brachte; vielleicht auch unausgesprochen den »Weltschmerz« vertreten, der noch in voller Blüthe stand. Ich habe zuweilen gedacht, dieser Weltschmerz war mit daran schuld, daß sich die Taschentücher groß erhielten, die unsere Mütter in unförmlicher Größe – ein und eine halbe oder auch ein und dreiviertel Elle im Geviert – zu fertigen liebten. Das war freilich damals nöthig gewesen in jenen sentimentalen Zeiten, in denen eben bei jeder erdenklichen Gelegenheit Thränen der Rührung vergossen wurden, wo aus Liebe, Freundschaft, Theilnahme, Hingebung auch bei den freudigsten Anlässen geweint ward und wo die meisten Mädchen und Frauen weinten aus »unverstandener Sehnsucht«, überhaupt aus der selbstgeschaffenen Qual, »nicht verstanden« zu werden – oder auch beim Abschied, wenn ein Familienglied in eine andere Stadt reiste, was man bei der Beschwerlichkeit und Seltenheit des damaligen Reisens immer als ein höchst bedenkliches Ereigniß betrachtete. Nachher weinte man nicht mehr so viel aus diesen Motiven – aber der Weltschmerz, der zu einer Art weltvernichtendem Humor sich zwang und neben dem weinenden Auge ein lachendes hatte, forderte wenigstens noch, daß man das Taschentuch immer zur Hand hatte. Ob nun von Leinen oder Batist, es war mit einem sehr breiten Steppsaum versehen, im letztern Falle mit Spitzen besetzt, später mit einer Kante über den Saum gestickt und stets so in der Hand getragen, daß die vier Zipfel desselben lose auseinanderfielen und fast die Straße berührten. Je tiefer dies geschah, je nobler war der Eindruck, den eine so ihr Taschentuch spazieren führende Dame hervorbrachte. Damit wir nicht nöthig haben, wieder auf diesen wichtigen Artikel der Lingerie zurückzukommen, wollen wir gleich einschalten, daß von da ab derselbe immer kleiner ward, bis er die jetzige Kleinheit erreichte – ein in so fern bemerkenswerther Umstand, als doch die Mode sonst in andern Dingen Sprünge liebt und mit groß und klein wechselt, statt wie hier vom allergrößten bis zum allerkleinsten in steter Folge zu bleiben. Der Schluß ist dann also, daß die Frauen sich das Weinen abgewöhnt haben, daß es nicht mehr Mode, nicht mehr zeitgemäß ist. Ob sie keine Ursache mehr dazu haben? ob sie gesünder sind? wir bezweifeln das Eine, wie das Andere! Vielleicht nehmen sie sich manche Dinge weniger zu Herzen, wie früher – vielleicht waren auch die Thränen ein Ventil, der Ueberreizung der Nerven abzuhelfen – vielleicht erhalten die Kraft- und Stoffgläubigen damit recht, daß die jetzige Frauenwelt weniger zart empfindet, weil sie weniger zart sich nährt, als früher meist geschah – und vielleicht ist des Räthsels ganze Lösung: es ist eben nicht mehr Mode! die Taschentücher sind dazu zu fein und zu klein!

      Doch kommen wir wieder auf die christlich-germanischen Moden zurück. Die Kleidertaillen verlängerten sich immer mehr und wurden endlich bis auf und über die Hüften reichend geschweift nach der Figur gearbeitet, ganz nach Art der Ritterdamen; man legte häufig zierliche Querfalten mit fünf Längenbündchen darüber, gerade so, wie man es auf alten mittelalterlichen Gemälden findet. Die Taillen waren viereckig ausgeschnitten oder ganz hoch bis an den Hals gehend, den ein dichtes Tüllbürstchen vortheilhaft garuirte.

      Diese langen und hohen Taillen hatten nur den einen Uebelstand, daß sie im Rücken entweder mit Schnüren durch gegen dreißig Schnürlöcher zugeschnürt oder mit einem Dutzend paar kleiner Hefte und Schlingen zugeheftelt werden mußten. Da war es denn absolut unmöglich, daß eine Dame allein mit ihrem Anzug fertig werden konnte, namentlich im ersteren Falle – im letzteren vermochten geschickte Hände und Arme sich wenigstens einigermaßen selbst zu helfen. Es war allerdings das wichtigste Argument gegen die Frauenemanzipation: eine Frau, die ohne fremde Hilfe nicht einmal vermochte, sich so anzuziehen, daß sie sich sehen lassen konnte – wie konnte die selbstständig sein wollen! Wo Schwestern, wo Mutter und Tochter bei einander wohnten, wo eine Kammerjungfer bei der Hand war – da dachte man gar nicht über diese Unbequemlichkeit nach – aber auf der Reise und für alle alleinstehenden Damen führte sie die größten Inkonvenienzen mit sich. Allein man ertrug jahrelang diese Qual, nur älteren Frauen und Dienstmädchen war es gestattet, Taillen zu tragen, die vorn geschlossen wurden, jenen als Ueberröcke, diesen als Jäckchen, die sie aber auch nur bei der Hausarbeit trugen und dann im Zumachen ihrer meist zu engen Sonntagskleider noch ungeschickter waren als ihre Herrinnen. Denn damals mußte jedes Kleid am ganzen Oberkörper auf das Knappste anliegen, Wespentaillen zu erreichen war das höchste Schönheitsstreben aller Mädchen, aller Mütter für ihre Töchter und es galt als höchst unelegant und aller Grazie Hohn sprechend, wenn ein Gürtel weiter als dreiviertel oder eine ganze Elle gemacht werden mußte. Mit den verlängerten Taillen verlängerten sich natürlich auch die Corsetts und in beide ward eine solche Masse Fischbein verschwendet, daß es deshalb immer mehr im Preise stieg, bis endlich die Wallfische nicht genug mehr liefern konnten und die Industrie sich anstrengen mußte, um künstliches Fischbein – Vallosin – zu erfinden und zu erzeugen.

      Nun kam wirklich wieder eine neue Aera mit dem Jahre 1848 – freilich weniger für die Mode, denn in diesen Stürmen, die mit Eins Alles hinwegfegten, was bisher für unantastbar gegolten, hatte freilich Riemand Zeit, über neue Moden zu sinnen, noch verlohnte es sich der Mühe, sie anzulegen: man hatte eben Größeres zu thun; Hochgestellte und Reiche suchten sich zu verstecken und einzuschränken – sie sahen Schreckgespenster vor sich, zitterten immer, daß es noch zum Guillotiniren oder zum »Theilen« kommen würde – so lebten die Vornehmen in mißvergnügter Zurückgezogenheit, die Reichen wollten Alles eher als wie sonst ihren Reichthum zur Schau tragen – so wußten die Modezeitungen kaum, woher sie ihren Stoff nehmen und was sie berichten sollten. Jedermann schränkte sich ein, freiwillig oder gezwungen

      Nur eine neue Farbenzusammenstellung tauchte auf, die vorher so arg verpönte: Schwarz-roth-gold. Nicht nur die Männer trugen es in Kokarden, Schärpen und Bändern: auch die deutschen Frauen legten es an, denn die deutsche Industrie beeilte sich, es zu Bändern, Cravatten, Tüchern, Shwals, Haarputzen, Stickereien, Ränder um Briefbogen u.s.w. zu verwenden. Als mein Geburtstag in jenen denkwürdigen März fiel, so ward ich von meinen Freundinnen, weil sie wußten, daß ich schon lange diesen Farben gehuldigt, förmlich mit Gaben und Stickereien überschüttet, bei welchen allen daß Schwarz-roth-gold eine Nolle spielte. Als Gürtel – man trug damals dergleichen auch zu den langen Schneppentaillen – habe ich mich lange nicht davon trennen können. Sonst aber förderte diese Zeit wenig Neues in den Moden zu Tage.

      Wohl ein Jahrzehnt erhielt sich für Damen jeden Alters die Mode, nicht ohne Ueberwurf, ohne Mantille zu erscheinen, an denen nur immer die Schnitte wechselten. Schwarzer Taffet war dabei vorherrschend, es gab wohl keine Dame, ob jung, ob alt, die nicht eine Mantille dieses Stoffes besessen hätte. Schwarzer Atlas und Sammt ward ebenso dazu verwendet, für die Jugend auch mit Vorliebe weißer Caschemir. Eine Zeitlang waren sie mit bunter Seide gefüttert, später wieder ohne Futter. Es lag etwas unendlich Uniformes in dieser Mode, da wie gesagt jedes Alter, jeder Stand ihr huldigte. Zuweilen hatte man diese Mantillen auch vom Stoff des Kleides wenn dasselbe einfarbig von Wolle oder Seide war. Es war gewiß sehr hübsch und praktisch, zum Ausgehen, zum Eintritt in Theater, Conzerte u.s.w., einen solchen Gegenstand überzuwerfen, bei einem schnellen Ausgang brauchte man es auch mit der übrigen Toilette nicht so genau zu nehmen – aber es war unendlich komisch, daß man auch kein fremdes Zimmer zu betreten, sich in einem andern Haus gar nicht sehen zu lassen wagte, wenn man z.B. im Winter, unter dem Mantel nicht noch eine Mantille umgehangen hatte! Sollte man da jenen im Vorzimmer ablegen und hatte man diese nicht um, so erklärte man letzteres als Grund, nicht dableiben zu können, der, wenn anderer fremder Besuch da war, auch als stichhaltig befunden ward, gab man jedoch jener Nöthigung nach weil man nur en famille sei, so trat man dann mit Lächeln und verschämtem Augenniederschlag ein – als sei man zu wenig oder nicht anständig bekleidet, und man trug doch eine gleich an den Rock befestigte hohe, in zierliche Falten gelegte Taille mit langen halbweiten Aermeln mit mannigfachen Ausputz versehen, am Handgelenk zierliche, meist gestickte Manschetten oder Unterärmel und wenn sie offen waren, dazu noch oft kostbare Bandgarnituren, die auch der Hand ein viel gefälligeres Aussehen gaben, als die späteren pappartigen oder gar aus Papier gefertigten Stulpen! Aber so sonderbar ist nicht СКАЧАТЬ