Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt
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СКАЧАТЬ da, du Teufelskind!« rief Meister Lorenz aufspringend und die drohende Faust erhebend. »Gott sei dir gnädig, wenn du dich unterstehst, noch ein Wort zu sprechen.«

      Vergeblich suchten die Zunächstsitzenden die Lärmenden zu beschwichtigen. Die Geschwister wehrten sich aus Leibeskräften. Das Publikum, welches weiter zurücksaß, gebot Ruhe. Man sprang von den Bänken und aus dieselben, um besser zu sehen, was vorne vorging. Die muntern Burschen und Winkeljungen auf dem Vierschillings-Platz lachten, kreischten und pfiffen. Es entstand ein Höllenlärm.

      Auf der Bühne war die Verwirrung nicht geringer, als vor derselben. Der Graf im purpurgetränkten Friesmantel rieb sich die Hände und sagte: »das sind meine Freunde aus dem Bremer Schlüssel!« Die männerfeindliche Gräfin lachte die Maienblüte höhnisch an, welche sie für immer vernichtet glaubte, und drehte ihr verächtlich den Rücken, als Dunkelschön aus der Kulisse hervorstürzte und die Geliebte, die sich nicht auf den Füßen halten konnte, mit seinen Armen auffing und fest an sich drückte.

      Scheinbar hatten sich die Geschwister der stürmischen Mehrheit gefügt und geschwiegen. Allein bei diesem Anblick begann der Lärm aufs neue und Frau Straußin rief:

      »Bruder Lorenz, das ist der Kerl!«

      Ich will hinauf und ihn durchwamsen!« entgegnete Meister Lorenz.

      »Hinaus! Hinaus!« rief es wie im Donnersturm und von allen Seiten geschah der Angriff zur gleichen Zeit. Meister Lorenz wehrte sich aus allen Kräften, aber als nun der Flötenbläser und der Trommelschläger vom Orchester aus das Angriffskorps verstärkten, mußte er der Uebermacht weichen. Dem Ausgange nahe, riß er sich nochmals los und gegen das Theater gewendet, rief er mit kreischender Stimme:

      »Christine! Du Unglückskind! Ich verstoße und verfluche dich! Fahre in Jammer und Not dahin und verende am Wege!«

      »Das ist meines Oheims Stimme!« schrie die Maienblüte entsetzt. »Er hat mich verflucht und vermaledeiet.«

      Sie schloß die Augen. Die ganze Gesellschaft umringte die Ohnmächtige.

      »Bringt mich hinauf zu ihr!« rief die Straußin, die noch immer tapfer Widerstand leistete, als ihr Bruder schon hinausgeschafft war. »Ich will sie bei den Haaren hinter mir herschleppen!«

      Prinzipal Pandsen war in Verzweiflung. Er sann auf hundert Mittel, versuchte aber keines, um den steigenden Tumult zu wehren. Jetzt stürzte er auf das Theater und schrie:

      »Den Vorhang herunter! Den Vorhang herunter!« Die Gardine rauschte nieder. Die männerfeindliche Gräfin, die kaum das Licht der Lampen erblickte, war vor dem Schlusse des ersten Aktes Todes verblichen.

      Die Wirtin zum holländischen Oxhoft, welche mit Argusaugen ihr Eigentum bewachte, hatte in Folge einer Meldung des gegenüberliegenden Bremer Schlüssels einige Vorkehrungen getroffen, ohne an den stattgehabten Zwischenfall im geringsten zu denken. Ein Piket Stadtsoldaten erschien in dem Parterre des Theaters, besetzte den Zugang zur Bühne, welche niemand verlassen durfte, bis das Publikum aus demselben entfernt wurde. Tumultuarisch entfernte sich dasselbe mit Pfeifen und Schreien.

      Der Verfasser des verunglückten Lustspiels war in Verzweiflung. Er bedeckte das Gesicht mit den Händen und wußte sich vor Betrübnis nicht zu lassen. Stranitzki, in der gepufften Hanswurstjacke, stand vor ihm, schnitt eines seiner tollsten Gesichter und sagte so gutmütig, als es ihm möglich war:

      »Tröste sich der Herr. Es wäre ohnehin mit dem Stücke nicht gegangen, und ob es nun ein bissel früher begraben ist, als sonst geschehen wäre, das muß den Herrn nicht kümmern.«

      »Es ist meine verdiente Strafe!« murmelte er vor sich hin. »Mein Herz hat seinen Stachel für das Leben!«

      »Mir ist's nur leid, daß ich nicht Zeit hatte, meinen Witz von dem spanischen Wind anzubringen,« sagte Stranitzki. »Der hätte uns wieder auf die Beine geholfen.«

      »Wie sie toben und wüten!« sagte der Dichter mit leisem Zittern.

      »Ja, wenn die einmal anfangen, kriegt sie keiner so bald still!«

      In ihrer Nähe stampfte es auf, daß der Boden erdröhnte.

      »Weh uns! Was ist das?«

      »Das sind die Soldaten, welche die Gewehre absetzen. Das Theater ist vom Zuschauerraum abgesperrt, allein es sollte mich nicht wundern, wenn einige tolle Burschen dennoch den Weg hierher fänden.«

      »Und was würde aus mir? ...« Er vollendete die Rede nicht, denn der Courtisan unterbrach ihn:

      »Ja, es wäre allerdings schlimm, wenn sie einen Herrn, wie der Herr ist, hier fänden. Das würde ein großes Gerede geben. Nun, ich kenne die Schlupfwinkel, und wenn der Herr sich nicht scheut, hier und dort durchzukriechen, bringe ich den Herrn ungesehen in das Vorderhaus, von wo der Herr dann ohne Hindernis gehen kann, wohin es beliebt. Gebe der Herr mir getrost die Hand. Es ist dunkel.«

      Und der Hanswurst ergriff die Hand des Pfarrers und zog ihn hinter sich her.

      Auf der Bühne lief der Direktor lamentierend auf und ab. Er fuhr alle an, die sich ihm näherten und wünschte dem Dunkelschön alle sieben Landplagen an den Hals. Durch die unsinnige Liebschaft, die er mit einem Bürgerkinde angezettelt, habe er sein Theater ruiniert; denn da die ganze Stadt sich gegen ihn erheben werde, müsse er mit einem weißen Stock in der Hand davongehen.

      Dunkelschön hatte nicht Zeit, auf die Vorwürfe des Direktors zu antworten. Maienblüte war aus der Ohnmacht erwacht. Das Entsetzliche ihrer Lage ergriff sie mit voller Gewalt. Flehend bat sie den Geliebten mit überströmenden Augen, sie vor der ihr drohenden Mißhandlung zu schützen. Umsonst versuchte Dunkelschön, sie zu beruhigen, und verzweifelte bereits am Gelingen, als die Wirtin erschien und sich in's Mittel legte:

      »Komme die Jungfer zu mir. Ich nehme Sie in mein Oxhoft auf und weder Rat noch Bürgerschaft soll Ihr den Aufenthalt darin streitig machen. Schäme Er sich, Monsieur Dunkelschön, daß Er so verzagt tut, einem armen Mädchen gegenüber, die keine andere Stütze hat, als Ihn. Komme Sie, Jungfer, ich will Ihr eine Herberge anweisen.«

      Die Wirtin führte Christine fort. Da die Ruhe überall hergestellt war, zogen die Stadtsoldaten ab und ließen zur Sicherheit einen Posten zurück. Ueberall sprach man bis in die Nacht hinein von der nicht gesehenen Komödie des Pfarrers.

      Seine Ehrwürden Herr Johannes Koch war in nicht besonders heiterer Stimmung zu Geesthacht angelangt. Das Los eines ausgepfiffenen Theaterdichters ist ein herbes. Dreifach herber ist es, dulden zu müssen, daß ein Schauspiel verurteilt wird, bevor es noch die Bretter beschritt. Mit bekümmerter Miene ging er in dem Garten der Pfarre auf und ab, ein Buch in der Hand, welches er leise in die Tasche gleiten ließ, als die Frau Pastorin erschien. Sie hatte vorhin mit einigen Nachbarinnen gesprochen und war nicht gesonnen, ihren Eheherrn so bald zu verlassen.

      Das Gerücht von den Ereignissen in der Fuhlentwiete war auch bis nach dem stillen Dorfe gelangt, das fern von der großen Heerstraße träumerisch an der Elbe liegt. Die von dem Markte heimkehrenden Männer und Frauen hatten die Glocken läuten hören, doch wußten sie nicht den Ort anzugeben, wo sie hingen. Ihnen war nur bekannt, daß ihr Pastor dabei beteiligt, und da sie den Herrn, der in der Gemeinde sehr beliebt war, hoch in Ehren hielten, traten sie zu der Frau Pastorin mit der Bitte, Ehrwürden zu raten, sich vor dem bösen Volke in acht zu nehmen, das ihm eins anhängen wolle. Er möge lieber von Hamburg wegbleiben, oder zu seinem Schutze ein paar kräftige Männer aus der Gemeinde mitnehmen, denn der Herr Pastor wisse wohl, daß er sich auf seine Geesthachter verlassen СКАЧАТЬ