Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt
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СКАЧАТЬ Frau Wirtin fürchtete, dem Sturm zu erliegen und sagte mit versetztem Atem:

      »Die Achtschillings-Plätze sind auch alle. Nur noch ein Paar Billets zum ersten Platz.«

      »Die gehören mir!« schrie Meister Lorenz, der glücklich alle Schwierigkeiten überwunden hatte. »Her mit den Dingern! Hier ist das Geld.«

      Die Straußin war ihm auf dem Fuße gefolgt. Beide verschwanden unter der Menge, die in das Parterre drang.

      Das Innere des Zuschauerraumes war wenig einladend. Der nicht allzugroße Raum wurde mit Talglichtern notdürftig erhellt. Die Wände zeigten ein schmutziges Grau. Von der Decke herab hing eine aus Tonnenreifen und welkem Laube zusammengefügte Krone, an welcher einige farbige Lampen, wie verlöschende Lichtfunken glühten. Das sogenannte Parterre war mit hölzernen Bänken besetzt; die vordersten Reihen hatten Lehnen und bildeten den ersten, die übrigen waren ohne Lehnen und bildeten den zweiten Platz. Im Hintergrunde drängten sich auf einer roh zusammengezimmerten Estrade die Inhaber der Vierschillings-Billets.

      Rechts und links vom Souffleurkasten standen je sechs Lichter. Der Arbeitsmann, welcher sie anzündete, wurde mit lautem Applause von dem Publikum begrüßt. Er schwenkte zum Dank seine Mütze und schwatzte gemütlich mit den sechs Musikanten, welche das Orchester vorstellten. Der Vorhang zeigte einen großen Apfelbaum, um dessen Stamm sich eine Schlange wand. Unter dem Baume stand Eva und ließ sich einen rotbäckigen Apfel schmecken, während Adam sie trübselig anblickte. Neben ihm graste ein Schaf.

      Hinter diesem Vorhange herrschte ein ebenso bewegtes Leben. Prinzipal Pandsen schritt gravitätisch auf und ab, blickte durch das in den Vorhang geschnittene Loch in das Parterre hinab und freute sich des ausverkauften Hauses. Die Schauspieler, welche in dem Stücke beschäftigt waren, begannen sich zu versammeln. Da erschien, mit geschmacklosem Flitter überladen, die männerfeindliche Fürstin, an der Hand ihres Vaters, eines vornehmen hispanischen Grafen, der sich in einen roten Friesmantel, bordiert mit goldpapiernen Tressen, gar stattlich ausnahm. Ihnen folgte Dunkelschön als Prinz Cesario, dessen Grazie die Dürftigkeit seiner Toilette vergessen ließ, und Arm in Arm mit ihm die Maienblüte, deren Schönheit so groß war, daß niemand ein Auge für die geringen Mittel hatte, welche ihr zu Gebote standen, dieser Schönheit einen höheren Reiz zu verleihen.

      »Sind wir beisammen?« rief Vater Pandsen, indem er seine Schäfchen musterte.

      Ein lautes Ja erscholl zur Antwort und die männerfeindliche Fürstin flüsterte mit einem Blick auf die Maienblüte ihrem gräflichen Vater zu:

      »Wie sich der Affe ziert! Als wenn es mit ihr etwas Besonderes wäre!«

      »Sie wird ausgepfiffen!« versicherten seine gräfliche Gnaden. »Meine Freunde drüben im Bremer Schlüssel haben es mir versprochen.«

      Hinter den Kulissen, in dem dunkelsten Winkel der Bühne, saß der Verfasser des Lustspiels. Er hielt die Hand an die Stirn, als sinne er einem Gedanken nach, in Wahrheit aber drängte sich ihm das Blut zum Herzen und er war eines Gedankens nicht fähig.

      Da streifte in bunter Narrentracht der Courtisan Stranitzki an ihm vorüber. Der Dichter, durch das Geräusch aufgeschreckt, sprang auf und blieb mit offenem Munde stehen:

      »Wie sieht man aus? Ist das die Tracht, die dem Diener eines vornehmen spanischen Prinzen gebührt?«

      »Was versteht der Herr von der Garderobe?« fuhr Stranitzki auf. »Hanswurst ist Hanswurst, er mag nun Perinus oder Jocus heißen.«

      »Nennt man den Perinus einen Hanswurst?« sagte der Verfasser erschrocken.

      »Wie denn sonst? Danke der Herr seinem Gott, daß ich ihn so auffasse. Und auch dafür bedanke der Herr sich bei mir, daß ich dem Perinus einige angenehme Scherze von meiner Fabrik in den Mund lege, denn sagte ich nichts als die langweiligen Dinge, die der Herr mir vorschreibt, pfiffen sie mich schon im ersten Akte aus.«

      Lachend sprang er davon. Im Parterre wurde es unruhig. Das verehrungswürdige Publikum stampfte mit Füßen und Stöcken.

      »Was ist dir, Liebchen?« fragte Dunkelschön, die Geliebte zärtlich an sich drückend.

      »Mir klopft das Herz, als wollte es zerspringen. Ich weiß nicht, was es ist.«

      »Lampenfieber, Liebchen. Das geht vorüber, wenn der Vorhang in die Höhe rollt.«

      »Nein, nein! Es ist etwas anderes. Mir steht es vor Augen, als müsse mir heute Abend noch ein großes Unglück begegnen.«

      »Ja, denn sie wird ausgepfiffen!« sprach pathetisch die männerfeindliche Fürstin, welche hinter ihr stand.

      »Alle Mann vom Theater! Es wird aufgezogen!« rief Vater Pandsen, in die Hände klatschend.

      Zwei schlechtgestimmte Geigen und eine schwindsüchtige Flöte bemühten sich, den dumpfen Wirbel einer großen Trommel zu begleiten und das Ihrige zu dem Gelingen einer Ouvertüre beizutragen, welches endlich zur Genugtuung des Publikums ein vergeblicher Versuch blieb. Da machte die in dem Winkel schwankende Baßgeige eine letzte verzweifelte Anstrengung. Unter der Wucht des riesigen Bogens seufzte die mittlere Saite. Sie setzte dem Druck des Tyrannen lebhaften Widerstand entgegen und zersprang mit gellendem Mißton. Inmitten dieser Katastrophe rauschte der Vorhang in die Höhe.

      »Nun geht es los!« sagte Meister Lorenz zu seiner Schwester. »Mir ist ordentlich angst und bange.«

      »Meinst du, daß ich auf einem Daunenkissen sitze?« gab ihm die Straußin zurück. »Aber gnade Gott der Dirne, wenn ich sie erst in meiner Gewalt habe. Zu dir in's Haus kommt sie nicht wieder.«

      »Ich will sie nach der Schande gar nicht wieder haben,« entgegnete der Meister. »Aber ich bilde mir noch immer ein, daß die alte Petersen gelogen hat, und dann will ich dich recht auslachen.«

      Das künftige Gelächter wurde von dem hellen Lachen der Gegenwart überboten. Es galt dem Perinus, der mit dem Cesario das Theater betrat, an diesem vorüber mit einem halben Purzelbaum bis an den Souffleurkasten sprang und das Publikum angrinste. Stranitzki war der erklärte Liebling der lachlustigen Hamburger jener Tage. Jedes Wort, das er sprach, wurde bejubelt. Die Reden des Prinzen gingen spurlos vorüber. Lorenz und seine Schwester sahen sich an. Sie fanden sich in einer fremden Welt.

      Die Szene wechselte und die männerfeindliche Fürstin erschien mit ihren Damen. Bei dem Anblick der Frauengestalten fuhren beide rasch in die Höhe.

      »Sitzen bleiben! Sitzen bleiben!« erschallte es hinter ihnen und beide, von kräftigen Händen dazu ermuntert, fielen auf ihre Bank zurück.

      »Sie ist nicht dabei!« sagte die Straußin.

      »Die Petersen ist ein verlogenes Mensch!« brummte Meister Lorenz.

      Aber in demselben Augenblick flog ein allgemeines Ach! durch die Versammlung. Dorine, das lustige, übermütige Kammermädchen, hüpfte herein und erregte durch ihre Schönheit einen allgemeinen Aufstand. Die ersten Worte verrieten einige Befangenheit; aber eben dieses unwillkürliche Zögern der Zunge verlieh ihr einen neuen Reiz und bald flossen die Worte wie Perlen aus ihrem Munde. Um die Lippen schwebte ein schelmisches Lächeln und ein reizender Mutwille blickte aus ihren Augen.

      »Da ist sie!« riefen die Geschwister wie aus einem Munde.

      »Versteht sich!« sagte ihr Nachbar. »Wer sollte es sonst sein?«

      »Es СКАЧАТЬ