Название: Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen
Автор: Heinrich Smidt
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075831330
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In dem Hause des Groß-Böttchermeisters Lorenz Ramke auf dem Rödingsmarkte ging es lebhaft zu. Ein Mann dieses Handwerks hat stets vollauf zu tun, zumal in Hamburg und zu einer Zeit, wo das Brauwesen eine solche Ausdehnung erhalten hatte. In der Werkstatt selbst saß ein Gesell neben dem anderen. Tonne auf Tonne wurde zusammengestellt und das fertige Gut auf der großen Hausdiele übereinander geschichtet, bis es an den Ort seiner Bestimmung abging. Ein tüchtiger Altgeselle führte die Aufsicht, denn Meister Lorenz Ramke war kränklich und konnte nur selten in das Treiben des Tages tätig eingreifen. Ein Gichtanfall hielt ihn im Lehnstuhl fest und er schalt weidlich mit seiner Nichte Christine, die dem verwitweten kinderlosen Herrn die Wirtschaft führte. Geduldig, ohne ein Wort zu entgegnen, hörte sie das Poltern des Kranken an, wich behende der Mütze aus, welche er im Zorn nach ihr warf und entfernte sich, um, wie sie dem Oheim zurief, in der Küche nachzusehen, damit die Mägde nicht in ihrer Abwesenheit das Unterste zu oberst kehrten.
Christine war das Kind eines jüngeren Vetters, dem es in der Vaterstadt nicht glücken wollte und der deshalb in die weite Welt ging, wo er verstorben und verdorben sein mochte, denn man hörte niemals etwas von ihm. Christinens Mutter starb darüber aus Gram und die verlassene Waise blieb bei dem Oheim, der sie hielt, wie sein Eigen, außer wenn die Gicht über ihn kam, und er seinen Grimm an der Aermsten ausließ, um den Schmerz zu betäuben, der wie Feuer brannte.
»Das kleine Ding ist gut,« stöhnte der alte Mann vor sich hin, »und sie kann nicht für das einstehen, was ihr Vater verschuldete. Es soll ihr auch nicht abgehen bei mir. Allein merken darf sie es nicht, und strenge muß sie gehalten werden, damit sie nicht über die Stränge schlägt ... Au! Au! Heute ist es ärger als jemals und zwickt mich mit glühenden Zangen! Ich muß etwas haben, woran ich meinen Schmerz und meine Wut auslasse. Christine! Christine!«
Statt der Gerufenen erschien die Witwe Straußin. Sie besaß auf dem Brauerknechts-Graben ein großes Brauerbe als Eigentum und war die resolute Schwester des verzagten Böttchermeisters. Im Hereinrauschen warf sie ein paar Stühle um, daß es dem Kranken durch Mark und Bein fuhr, stellte sich vor ihn mit eingestemmten Armen hin und sagte:
»Nun, was habe ich gesagt?«
»Ich habe nichts gehört!« stöhnte Meister Lorenz Ramke.
»Schimpf und Schande erleben wir an der Christine, habe ich gesagt!« fuhr die Straußin fort. »Schimpf und Schande erleben wir, wiederholte ich Tag für Tag, ohne daß auf mich gehört wurde, und nun haben wir die Bescherung!«
»Schwester Janna, was sagst du!« fuhr der Meister auf; sank aber alsbald in den Stuhl zurück.
»Verdacht hatte ich lange,« sagte die Straußin, den kranken Beinen des Bruders immer näher rückend. »Nun habe ich leider auch die Gewißheit. Da ist meine Nähfrau, die alte Petersen; eine kluge, umsichtige Person. Sie beobachtete die Christine, ohne daß diese es merkte, und hat es haarklein herausbekommen. Hat sie nicht oft zu dir gesagt, sie müsse zu mir gehen, weil ich sie notwendig brauche? Und ist sie zu mir gekommen? Ja Prosit die Mahlzeit! In die Schenkstube, die im Brauhause liegt, ist sie gegangen und hat schön getan mit dem ledig-losen Volke und verliebte Redensarten angehört, bei denen der guten Petersen brühsiedend heiß geworden ist.«
»Das ist nicht wahr!« stöhnte der Alte.
»Es ist doch wahr!« eiferte die Straußin. »Du wirst dein blaues Wunder erleben, wenn alles an den Tag kommt. Es ist unter den jungen Gesellen, die in dem Brauhause verkehren, einer, den sie sich zum Liebsten ausersehen hat, und dieser ... O Schande, daß ich es sagen muß ...«
»Nun? dieser Eine? – Au! Au! Das sind Stiche, wie mit glühenden Nadeln! – Wer ist es?«
»Die Petersen hat es herausgebracht, wer es ist! Ein Taugenichts! Ein Lumpenkerl ist es! Ein Seiltänzer, ein Komödiant, oder was sonst für ein liederlicher Bursche, der nicht ehrlich begraben werden darf!«
»Janna! Wenn du mich belügst!«
»Du kannst die Petersen fragen, die nimmt das Abendmahl darauf. Auf ihre Aussage hin habe ich dem Kerl die Tür weisen lassen und die Brauerknechte haben ein Wort von ihren Lungerhölzern fallen lassen, womit sie ihn gerben wollten, wenn er sich in der Brauerei sehen lasse. Hat es aber geholfen? Jetzt finden sie sich anderswo zusammen und gestern haben sie sich am hellen Tage auf offener Straße gesprochen und zusammen gelacht, allen ehrbaren Leuten zum Aerger.«
»Das ist ein schweres Wort, Janna!« stöhnte Herr Lorenz Ramke. »Ich kann es nicht geduldig hinnehmen und will wissen, woran ich bin. Christine! Christine!«
»Ja, rufe du nur!« lachte höhnisch die Straußin. »Wer weiß, in welchem Schlupfwinkel diese ihren Liebsten erwartet.«
»Jetzt gleich soll es an den Tag!« rief Meister Lorenz, gewaltsam den Schmerz bezwingend und von dem Stuhl aufstehend. »Christine! Christine!«
Christine war hart an der Tür. Sie hatte sich dort hingestellt und jedes Wort gehört, was die eifernde Brauerwitwe sagte. Verdruß, Unmut und Spott wechselten auf ihrem Angesicht, dann aber eilte sie zurück in die Küche und als Meister Lorenz zum dritten Male ihren Namen rief, trat sie mit Tellern, Löffeln und Messern beladen ein und fragte ganz unbefangen:
»Ihr habt gerufen, Ohm? Verübelt es nicht, aber ich stand vor dem Kessel und legte die Klöße ein, da habe ich es überhört. Die Annemarie sagte es mir eben. Womit kann ich Euch zu Willen sein? Es ist Zeit zum Tischdecken.«
»Da siehst du es, daß deine Anklage eine falsche ist und daß die alte Petersen dich belogen hat!« sagte Meister Lorenz, augenscheinlich froh, daß die letzte Anschuldigung eine falsche war. Ebenso gut konnten es auch die übrigen sein. Er nahm es für gewiß an und setzte hinzu:
»Ich will von solchem Geschwätz ein für allemal nichts mehr hören und du sollst mir damit vom Halse bleiben. Was hast du nur mit der Dirne, die dich doch keinen Schilling kostet?«
Christine hatte bislang mit der größten Unbefangenheit das Tischdecken besorgt und wandte sich jetzt zu dem alten Herrn:
»Wenn es Euch recht ist, können die Leute aufgeschüsselt bekommen. Was habt Ihr nur mit der Muhme Straußin, Ohm?«
Diese war vor Staunen keines Wortes mächtig. Sie sah die junge Dirne mit dem unbefangenen Gesicht vor sich stehen und murmelte vor sich hin:
»Derlei Frechheit setzt allem die Krone auf. Ich weiß mich vor Grimm und Zorn nicht zu fassen! Aber was ich ihr nicht sagen kann, das will ich ihr zu fühlen geben ...«
Sie hob bedrohlich beide Arme und näherte sich Christinen. Meister Lorenz humpelte herbei und sagte:
»Du sollst ihr nichts tun. Der Schlag, den du ihr gibst, hat mich getroffen. Sieh dich vor, Janna!«
Bei dieser ernsten Wendung wurde Christine leichenblaß und fragte händeringend:
»Sei Gott uns gnädig, was soll das bedeuten? Was habt Ihr mit der Muhme und was will sie von mir?«
»Sie will dich schimpfieren, Kind!« sagte Meister Lorenz. »Sie beschuldigt dich eines unordentlichen Lebenswandels und will mich zwingen, es zu glauben und dich deshalb abzustrafen!«
»Ach Gott! Ach Gott! Womit habe ich das verdient?« jammerte Christine laut. Frau Janna Straußin ermannte sich und sagte:
»Womit du es verdient hast? Damit, daß du dir einen liederlichen Komödiantenkerl zum Liebsten ausersehen hast. Einen von den Vagabunden, die in СКАЧАТЬ