Название: Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen
Автор: Heinrich Smidt
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075831330
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Der Abend dämmerte herein. Zwei jugendliche Gestalten schritten durch den Garten des Pastorates, von dem Geistlichen und dessen Frau geleitet. Sie entfernten sich mit vielen Danksagungen, und als Koch dem jungen Manne den Trauschein einhändigte, sagte er zu diesem:
»Bewahret dieses Dokument wohl. Ich habe es in aller Form ausgefertigt und werde es vertreten vor der Welt. Wandelt nun eure Straße in Frieden.«
Die Beiden gingen. Als der Geistliche mit seiner Frau in das Haus zurückkehrte, sagte die Letztere:
»Ich danke dir, Johannes, daß du gut gemacht hast, was noch gut zu machen war. Du sprachst von einem traumhaften Prinzen, der am Ende einer langen Nacht zum bewußtvollen Leben aufersteht. Gleiche diesem Prinzen und laß diesen Abend den letzten traumhaften gewesen sein, der sich in einen hellen Morgen verwandelt, der keine Irrung zuläßt.«
Der Pastor erwiderte hierauf nichts, aber er drückte seinem Weibe die Hand und ging in seine Kammer.
Der Böttchermeister Lorenz Ramke hatte wieder einen seiner bösen Anfälle. Dies steigerte seinen Zorn und er verwünschte die Christine einmal über das andere. Er hatte alles aufgeboten, die Flüchtigen aufzufinden, allein bis jetzt war jede Anstrengung vergeblich, wodurch seine Unruhe sich fortdauernd steigerte.
Lorenz Ramke stand mit seinem Zorne nicht allein. Die ehrsamen Bürger und Meister, die mit ihm auf einer Stufe standen, fühlten sich in seiner Person gekränkt. Was ihn, geschah, das konnte unter Umständen auch ihnen geschehen und sie würden alle ihre Genossen aufbieten, gemeinsam diesen Affront zu rächen. Darum traten sie sämtlich auf seine Seite und verlangten mit steigendem Trotz, daß sich das Gesetz des Beleidigten annehme und ihm die gebührende Genugtuung schaffe.
Prinzipal Pandsen stand unter der Anklage, ein ehrsames Bürgerkind aus dem Hause ihrer Verwandten und auf sein Theater verlockt zu haben. Dringend wies er die Anklage zurück und erklärte den Tatbestand. Nun sollte er den Eberhard Lohse, genannt Dunkelschön, der des Verbrechens bezichtigt ward, zur Stelle schaffen, oder die Strafe, die jenen betroffen haben würde, selbst erleiden. Die Aussichten trübten sich. Der unselige Lenker des Thespiskarren verwünschte das holländische Oxhoft, dessen schwankende Bretter unter ihm zusammenzubrechen drohten.
Während der Zeit näherten sich die beiden Neuvermählten der Stadt. Sie befanden sich, infolge ihrer längeren Wanderung, in einem Zustande, der ihr Erscheinen am hellen Tage bedenklich machte. Man überlegte, ob es nicht geraten sei, während der langen Sommernacht im Freien zu verweilen, und bei dem ersten Morgengrauen das Asyl in der Fuhlentwiete aufzusuchen.
Dunkelschön war nicht in der besten Laune. Er widersprach seinem Weibe entschieden und wollte stets das Gegenteil von dem, was sie vorschlug. Widerspruch erweckt Widerspruch. Er zog es vor, nach einem entfernt gelegenen Orte zu wandern, und von dort aus seine Rechte geltend zu machen. Sie wollte nach Hamburg zurück, um durch beharrliches Bitten den Zorn des Oheims zu bezwingen und seine Verzeihung zu erhalten. Als Dunkelschön diesen Vorschlag von sich wies, ward sie bitter und sagte:
»Wohl mit Unrecht begehrst du stets Könige und Feldherrn zu spielen. Auf dem Theater ist es nicht schwer, groß zu tun vor den Leuten, denn da ist keiner, der dir etwas anhaben kann. Aber in der Wirklichkeit wird dir bange und du willst nur darum nicht hinein, weil du fürchtest, es könne dir jemand mit der geballten Faust entgegentreten, bevor du einen Winkel fändest, in welchen du dich verkriechen könntest. Du gebärdest dich wie ein furchtsamer Knabe statt wie ein Mann zu handeln, der sein schwaches Weib verteidigen soll.«
Das war zuviel für Dunkelschön, in dessen Adern Soldatenblut rollte und der selbst einst die Muskete getragen hatte. Er blitzte die Maienblüte mit seinen dunklen Augen an, daß es ihr fast wehe tat und sprach zu ihr:
»Für das Wort sollst du mir Buße tun, aber erst will ich dir beweisen, daß ich nicht feige bin, sondern dem Feinde wohl die Stirn zu zeigen vermag. Jetzt gehen wir stehenden Fußes nach Hamburg und geradeswegs in das Haus deines Oheims. Ich bin gefaßt auf alles.«
Beide erhoben sich und beschritten den Weg, der zur Stadt führte, um daselbst in dem Hause des Meisters Lorenz Ramke zu erscheinen.
Bei diesem befand sich ein Gewerbsgenosse, der Großböttchermeister Werkenthien, der zugleich Bürgerkapitän in der Kolonelschaft von Sankt Nikolai war. Er hatte unter den Seefahrern, für die er arbeitete, vielerlei Bekannte und wußte Auswege zu finden, die nicht jeder finden konnte oder mochte. Werkenthien hatte sich seines Gewerbsgenossen lebhaft angenommen, weil er den Affront, welcher demselben ward, tief empfand, und sagte:
»Es ist nicht ratsam, den Zweig vom Baume zu schneiden, denn er wächst von neuem und wird kräftiger als zuvor. Besser ist es, man rottet den Baum mit Stumpf und Stiel aus und wirft ihn ins Feuer, dann verweht der Wind die Asche und es ist nichts übrig, was von seinem früheren Dasein Zeugnis gibt. Was Ihr mit der Theaterjungfer im Sinne habt, weiß ich nicht und denke, daß Ihr am besten tut, diese Sorge Eurer Schwester, der Frau Straußin, zu überlassen. Dem Burschen aber, der Euch so schwer kränkte, und damit der ganzen Bürgerschaft in das Gesicht schlug, wollen wir eine Rolle zuteilen, die ihm bis an sein Lebensende zu schaffen machen soll.
»Was meint Ihr damit? Es ist ein neumodisches Wort dabei, was ich nicht verstehe.«
»Ich meine damit die holländischen Werber,« entgegnete der Bürgerkapitän. »Euer Lehrbursche, der Gottfried, ist einer der schlauesten Gesellen, die wir bei unserm Gewerbe haben. Vor einer Stunde kam er zu mir und meldete, daß er die Spur der Flüchtlinge, die Geesthacht schon vor mehreren Tagen verlassen haben, gefunden hat. Sie sind auf dem Wege zur Stadt, und sobald sie dieselbe betreten, wird dafür gesorgt, daß sie nur die Straße einschlagen, welche wir sie führen.«
Der Bürgerkapitän hatte recht. Kaum waren Maienblüte und Dunkelschön durch das gewölbte Tor geschritten, als ein ohrenbetäubendes Geschrei sich erhob. Von allen Seiten her stürmten die Winkeljungen herbei und schlossen das Paar so dicht ein, daß es nicht von der Stelle konnte. Maienblüte zitterte und klammerte sich fest an ihren Mann. Diesen übermannte der Zorn, und den Knittel aufhebend, der ihm zum Wanderstabe diente, machte er Miene, sich seiner Haut zu wehren. Dreifach ärger als vorhin tobten die wüsten Schreier. Die Buben sprangen an ihm empor und hingen sich an seine Arme. Sie krochen ihm zwischen den Beinen durch und hielten sie umschlungen. Sie packten ihn am Gurt, daß er sich nicht zu rühren vermochte und vor Wut mit den Zähnen knirschte.
Lehrbursche Gottfried, der schweigsame Lenker der tobenden Schar, der seine Myrmidonen am Schnürchen hatte, trat vor Dunkelschön hin und sagte:
»Ergebt Euch im Guten, sonst geht es Euch an den Hals. In der Komödie, welche Ihr jetzt spielen sollt, kommen keine Frauensleute vor und darum müßt Ihr Euch schon entschließen, Euern Weg allein fortzusehen. Vorwärts, Ihr da!«
Dunkelschön machte eine letzte vergebliche Anstrengung. Maienblüte ward von Gottfried festgehalten. Die Winkeljungen schlossen einen engen Kreis um den tobenden Schauspieler, der ein dumpfes Geheul ausstieß. Von der Steinstraße her erschienen mehrere bewaffnete Bürger. An ihrer Spitze marschierte der Bürgerkapitän, welcher Lorenz Namkes Freund und Gewerbsgenosse war. Hinter den bewaffneten Männern gingen ein paar Kerle, die eine richtige Galgenphysiognomie zur Schau trugen. Es waren zwei Handlanger der holländischen Werber.
Je näher die Bewaffneten kamen, je mehr erweiterte sich der Kreis, den die Straßenjungen um den Schauspieler gezogen hatten. Der Bürgerkapitän trat auf diesen zu СКАЧАТЬ