Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt
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СКАЧАТЬ schwammen m den seltsamsten Windungen darüber hin.

      Ein reges Leben herrschte daselbst. Zwei Barkschiffe, bis zum Ablaufen fertig, lagen nebeneinander, und die Arbeiter legten die letzte Hand an ihr Werk. An der entgegengesetzten Seite streckten sie den Kiel zu einer umfänglichen Brigg und in der Mitte stand eine holländische Kuff auf dem Stapel, die mit einer neuen Spiekerhaut versehen wurde.

      Es ging stark auf Mittag. Hier und da drehte sich ein Kopf rückwärts, um zu sehen, ob die Schnur der großen Glocke, die am Eingange der Werft hing, noch nicht gelöst und der Mittag eingeläutet werde. Von ferne her kamen einige Frauen mit verhüllten Körben, die ihren Männern die Mittagskost brachten, um ihnen das Hin- und Herlaufen zu ersparen.

      Unter diesen war eine, alt an Jahren und mit einem Gesicht so grimmig, daß man sich schier davor fürchten mochte. Sie hatte für einige ledige Gesellen das Essen zu besorgen und trug es täglich mit Schelten und Brummen an den bestimmten Ort. Das war die alte Möller, welche von niemandem wohlgelitten war und bei jeder Gelegenheit von den andern Weibern geneckt und gehänselt wurde.

      »Sage Sie doch, Frau Möllern, warum Sie heute die beiden schweren Körbe allein schleppt?« fragte eine ziemlich laut, mit anscheinender Gutmütigkeit. »Wo hat Sie denn Ihren Sohn, den Jan, der Ihr sonst so treulich hilft?«

      »Habe keinen Sohn!« brummte die Möllern.

      »Ja, das konnte ich selbst wissen, daß ein solcher Knirps, wie der Jan, nicht Ihr Sohn sein kann. Ihren Enkel meine ich.«

      »Habe keinen Enkel!« brummte Jene weiter.

      »Keinen Enkel hat sie? Erbarme sich! Mieken, hast du es gehört? Und du auch, Dorte? die Möllern hat keinen Enkel! Ja, was ist denn der Jan für einer, der bei Ihr wohnt, solange ich denken kann und dem alle seine dummen Streiche straflos hingegangen sind, aus Respekt für die Großmutter, die nun gar keine Großmutter ist.«

      Mieken und Dorte, die zu Zeugen aufgerufen waren, drückten ebenfalls ihr Erstaunen aus und die erstere fragte querfeldein:

      »Wer ist der Jan denn eigentlich?«

      »Ein Kostkind!« platzte die Möllern heraus und ein Zucken um die Mundwinkel deutete an, daß es nun mit ihrer Geduld am Ende sei. »Ein Kostkind, für das ich in der letzten Zeit nur selten ein paar Schillinge und seit einem Jahre gar nichts erhielt. Darum habe ich den Tunichtgut, der mir stets ein Dorn im Fleische war, fortgejagt und darum trage ich meine Körbe allein. Nun wißt ihr es und wer nun noch etwas fragt, dem werde ich auf eine andere Art antworten. Versteht Sie das, Jungfer Naseweis?«

      Damit schritt sie keuchend vorwärts, der Werft zu, wo das Läuten begann, welches die Eßstunde andeutete. Von den Gerüsten huschte es die Leitern herab und die ganze Werft glich einem bunten Ameisenhaufen, der hin und herschwankte, wie ein loses Segel, das auf- und niederbauscht, wenn der Wind es von der Seite anrührt. Die meisten der Gesellen rannten durch die Pforte nach ihrer Wohnung oder nach der nächsten Garküche, die andern suchten ihre Frauen und Töchter aus, welche mit den dampfenden Töpfen bereitstanden und ihre Vorräte auskramten. Frau Möller sammelte die ihrigen, reichte brummend jedem seinen Anteil und setzte sich dann zur Seite, um das Ende der Mahlzeit abzuwarten.

      »Ein Hurra für eine Schüssel voll Erbsenbrei!« rief ein frisch aufgeschossener Bursche. »Wo hat Sie meinen Löffel, Mutter Möller?«

      »Hier ist eine fünfzähnige Gabel!« antwortete sie, die Hand aufhebend. »Die wird es auch tun. Unterstehe dich nicht, meinen Körben zu nahe zu kommen.«

      »Gestern habe ich sie noch getragen und heute will Sie mich schlagen, weil ich daran rühre? Ist denn das Ihr Ernst, was Sie mir heute morgen sagte und will Sie mir nichts zu essen geben?«

      Der Junge stand dicht vor ihr. Es war ein schmucker Bursche mit hellen blauen Augen und frischen roten Backen. Die blonden Haare fielen in natürlichen Locken auf die Schultern herab. Auf seinem Gesicht lag eine Mischung von Furcht und Zorn, als er die Worte ausstieß:

      »Bekomme ich noch immer nicht?«

      »Nicht eher,« fiel die Möllern ein, »als bis dein Herr Vater oder deine Frau Mutter das Kostgeld bezahlen, was sie mir seit Jahr und Tag schulden und auch dann noch nicht, weil ich einem solchen Taugenichts keine Herberge mehr gebe.«

      »Warum spricht Sie von Vater und Mutter, damit die Leute über mich lachen, da Sie weiß, daß ich keines von beiden habe? Sie hat mich bei sich, solange ich denken kann. Ich habe arbeiten müssen von früh bis spät. Ich bin gescholten und gestoßen den langen geschlagenen Tag und habe nichts anderes zu essen bekommen, als was die andern nicht mehr wollten. Und nun will Sie mich einen Taugenichts schelten vor den Leuten und mich verspotten lassen, weil ich ein armer Waisenknabe bin? Gnade Ihr Gott, wenn Sie das tue! Ich habe schon manchen Bösewichtern, die mir etwas anhaben wollten, ein Bein gestellt; es kann auch an Sie kommen.«

      »Hilfe! Hilfe!« schrie die Möllern und zog sich hinter einen der großen Gangspille zurück. »Der Taugenichts will mich umbringen!«

      Die ganze Tischgesellschaft der Möller geriet in Aufruhr. Andre mischten sich darein. Die Mieken und die Dorle sorgten für Succurs. Wie ein Hagelwetter fuhr es auf den armen Jungen herab, der vor dem wachsenden Lärmen wie betäubt stand und mit den Händen die Ohren zuhielt. Einer der Gesellen schrie über die andern hinaus, indem er den Jungen schüttelte:

      »Nimm deine Füße in die Hand, und mache, daß du fortkommst! Seit man es geduldet hat, daß du hierher kommst und Gänge tun kannst, wofür du deine Bezahlung erhieltest, bist du auch der Störenfried auf der Werft gewesen. Ich weiß davon ein Lied zu singen.«

      »Ich auch! Ich auch!« rief es von mehreren Seiten und so wurden nun eine Menge der tollsten Geschichten erzählt, die, wären sie sämtlich wahr, den Jan zu einem Vagabunden ersten Ranges gestempelt haben würden.

      »Ihr lügt das alles miteinander!« rief Jan und ein paar heiße Tränen liefen ihm die Backen herab. »Alle lügt ihr, aber der Klaus und der Matthes am meisten. Euch beiden will ich es gedenken, darauf mögt ihr euch verlassen. Ihr hattet stets einen Zahn auf mich, und den breche ich euch aus.«

      Mit diesen Worten sprang er auf den Rücken des Matthes, enterte von diesem aus die breiten Schultern des Klaus, daß die Zöpfe der beiden Gesellen beträchtlich wackelten, sprang mitten in die auf einen Haufen gedrängten Weiber, die schreiend auseinanderfuhren, und war in dem Gewühl spurlos verschwunden.

      Es dauerte einige Zeit, bevor die hochgehenden Wellen sich beruhigten. Endlich löste sich die dichtgedrängte Gruppe auf und der Klaus sagte zum Matthes:

      »Wir haben noch eine Viertelstunde Zeit, die Augen zu schließen. Laß uns eilen, den gewohnten Platz in dem alten Bretterschuppen zu suchen, bevor uns andere zuvorkommen.«

      »Das tut not!« entgegnete der Matthes dem Klaus. »Die Schulter brennt wie Feuer. Ich glaube, der Satan, der Jan, hat mich in der Wut gebissen.«

      »Beiße ihn wieder!« sagte Klaus, indem sie den Bretterschuppen betraten. »An Gelegenheit wird es nicht fehlen.«

      Beide streckten sich nebeneinander hin, so nahe, daß ihre Häupter sich fast berührten, und schlossen die Augen.

      Gleich darauf erschien in dem Schuppen der dritte Mann. Es war Jan, der fleißig umherspähte. Seine Backen waren noch lebhafter gerötet; seine Augen leuchteten heller als sonst. Er ging den Schläfern so nahe, als er nur vermochte. In der Hand hielt er ein Kabelgarn, worin sich eine Schlinge befand. Geräuschlos СКАЧАТЬ