Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen - Heinrich Smidt страница 3

СКАЧАТЬ ärgsten aber wurde es, als von fremden Seefahrern die in Hamburg bisher unbekannten Raketen und Schwärmer eingeführt wurden und die Hamburger Knaben die Vorzüge derselben kennenlernten. Sie warfen die funkensprühenden Ungeheuer in die dichtesten Haufen und erhoben einen ohrenzerreißenden Gesang, wenn die Erschreckten, absonderlich die Dirnen, mit ängstlichem Kreischen auseinanderfuhren wie eine Schar von Tauben, auf welche der Habicht jählings herabfährt.

      In einen Schrecken aber, woran man hätte Todes verfahren mögen, wurde die Christliche Gemeinde versetzt, wenn es eine ›Abendleiche‹ gab. Wollten die Alt-Hamburger ihre Toten recht ehren, wurden solche gegen Abend in die Kirche getragen und eingesegnet. Wenn dann die Andächtigen in tiefer Trauer umhersaßen und die Kerzen ein ungewisses, zitterndes Licht verbreiteten; wenn die Orgel erklang und das Sterbelied gesungen wurde; wenn der Pastor erschien, um zu trösten und zu segnen, dann entstand plötzlich ein dumpfes Geheul in den dunkel gebliebenen Teilen der Kirche, von dem Chor herunter und hinter den Gestühlen, worüber sich alle entsetzten und die Kirchendiener eine Jagd anstellten, die stets nutzlos ausfiel, denn die kleinen Taugenichtse entkamen ihnen unter den Händen.

      Zu den Tummelplätzen, wo diese Scharen ihr Wesen am liebsten trieben, gehört auch die Altstädter Fuhlentwiete, eine sehr krumme und in jenen Tagen holperige, halbwüste Straße. Ungefähr in der Mitte derselben lag das Gasthaus »zum Bremer Schlüssel«, und diesem gegenüber befand sich »das holländische Oxhoft«. Auf dem Hofe dieses weitläufigen Gebäudes, worin sich eine besuchte Schenke befand, war eine große Bude aufgebaut, welche den umherziehenden Prinzipalen zum Schauplatz ihrer theatralischen Wunder diente. Die Wirtin, im Aeußeren dem Wappen ihres Hauses, dem holländischen Oxhoft, nicht ganz unähnlich, wußte mit solchem Volke prächtig umzugehen. Sie hielt unter Umständen Kost und Wohnung für dasselbe bereit und beaufsichtigte das Kassenwesen mit einer Konsequenz, die einer bedeutungsvolleren Sache würdig gewesen wäre.

      Der Zettel, welcher an den Torweg geklebt war, verkündete, daß selbigen Abends eine unvergleichliche, ganz neue, wohl sehenswürdige Haupt- und Staats-Aktion, betitelt: »Die um den Jungfernkranz selbst streitende Prinzessin«, gegeben werden solle, wozu ein hochzuverehrendes Publikum ganz untertänigst eingeladen werde. Darüber standen die Verse:

      »Hier in der Fuhlentwiet' dem Bremer Schlüssel über,

       Da gibt man sechszehn, acht, vier Schilling und nichts drüber.

       Es wird präzis fünf Uhr bei uns gefangen an.

       Dies ist allzeit gewiß und hiermit kundgetan.«

      Diesem Hause schritt ein Mann zu, der mehr als gewöhnliche Eile zeigte. Trotz des sommerlichen Wetters war er in einen Mantel gehüllt und hatte den breitkrempigen Hut tief in die Stirn gedrückt; ein Zeichen, daß er nicht gern erkannt sein wollte. Aber was bleibt einem Hamburger Winkeljungen verborgen, der seine Finger in alles stecken muß, und am liebsten zwischen etwas Verwirrtes und Verworrenes, um es noch verwirrter und verworrener zu machen. Bereits lagen sie hinter den Kellerhälsen und Beischlägen auf der Lauer. Der Mantelträger, von der Wärme übermannt und in der Meinung, seinen täglichen Verfolgern glücklich entkommen zu sein, ließ den Zipfel des Mantels fallen und lüftete den Hut, um sich den Schweiß von der Stirn zu trocknen. Aber kaum war es geschehen, als die wilde Meute von allen Seiten heranstürmte. Sie umringte ihn und schrie mit steigender Lust:

      »Bajazzo! Bajazzo! Du bist unser Gefangener!«

      »Wollt ihr aus dem Wege, ihr Teufelsbraten!« schalt der Mann, welcher sich der Buben, die sich an ihn hängten, zu erwehren suchte. Es war Stranitzki, der erste und zugleich zweite Komiker der Pandsenschen Truppe, die um diese Zeit in dem holländischen Oxhoft das Regiment führte.

      Lautes Gelächter schallte ihm entgegen, welches mit dem allgemeinen Rufe endete:

      »Bajazzo! Bajazzo! Du bist gefangen und mußt dich lösen.«

      Stranitzki, welcher sah, daß hier nichts mit Gewalt auszurichten war und dem die Blicke der Vorübergehenden lästig wurden, fragte:

      »Womit muß ich mich lösen?«

      »Bajazzo soll auf dem Kopf stehen!« rief eine Stimme und alsbald wiederholte es der ganze Chor mit lautem Gebrüll.

      »Nun, so gebt acht, ihr Kanaillen!« sagte Stranitzki, indem er den Mantel zusammenrollte und auf die Erde warf. In einem Moment machte er einen Luftsprung, stand mit dem Kopfe auf dem Mantel, schlug die in der Luft schwebenden Füße wie im Takt zusammen, und stand in dem nächsten Augenblick wieder kerzengrade da, den Mantel über dem Arm. Die Jungen wollten eben losbrechen und die Wiederholung einer Szene verlangen, die ihnen zu schnell vorübergegangen war, aber er kam ihnen zuvor, indem er schrie:

      »Eine Taube! Eine Taube!«

      »Wo? Wo?« fragten die Buben und warfen die Augen umher.

      »Da! Dort!« antwortete Stranitzki, mit den Händen nach zwei verschiedenen Richtungen deutend. Die allgemeine Verwirrung benutzend, durchbrach er den Kreis und verschwand in dem Torweg des holländischen Oxhoftes.

      Hier befanden sich in einem nahe bei der Bühne gelegenen Zimmer zwei Männer, welche im Begriff waren, eine längere Zeit geführte Unterhaltung zu beenden. Der eine war ein dürrer, langaufgeschossener Mann, mit einer spitzen Nase und kleinen grauen Augen. Sein Name war Pandsen und sein Geschäft bestand darin, den Thespiskarren zu lenken, so gut es in der holprigen Fuhlentwiete gehen wollte.

      Der Zweite, mit einem langen, schwarzen Nock bekleidet, und mit einem ernsten, bleichen Gesicht, schien an diesem Ort nicht besonders heimisch zu sein. Er sah sich ab und zu um, ob auch niemand Zeuge der Unterhaltung sei und sagte aufbrechend:

      »So sind wir nun am Ende und es soll mich freuen, wenn ich durch diese Arbeit etwas zur Veredlung der Kunst beigetragen habe.«

      Pandsen deutete auf die Handschrift, die auf dem Tische lag, und sagte:

      »Das Werk, welches Ehrwürden ...«

      Der Mann im schwarzen Rocke sah den Prinzipal ernst an. Dieser unterbrach sich und fuhr fort:

      »Das Werk, welches der Herr geschrieben und welches der Herr mir anvertraut hat, damit ich es ausführen lasse, wird dem Herrn viel Ehre bringen. Der Herr kann sich darauf verlassen, daß wir es mit allem Fleiße einüben werden. ›Die männerfeindliche Fürstin, die doch gedemütigt wird,‹ haben der Herr das Stück benannt, welches ... woher kommt es doch, wenn es dem Herrn beliebt?«

      »Es ist dem Spanischen entnommen!« entgegnete der ernste Mann, »in welcher Sprache noch viele Schätze verborgen sind. Es ist eigentlich nicht meines Amtes, ein Feld wie dieses zu beackern, dieweil mir ein anderer Wirkungskreis angewiesen ist. Allein ich tue es, indem ich hoffe, dadurch dem blöden Possenspiel und Zotenkram den Todesstoß zu versetzen.«

      »Das ist ein löbliches Vornehmen, von dem Gesichtspunkte aus, wie es ein Herr, wie der Herr zu sein das Glück hat, betrachtet. Uns armen Prinzipalen aber würde die Schwindsucht nicht aus dem Geldbeutel weichen, wenn wir der Jactancia für alle Zeit entsagen wollten. Was nun dies köstliche Opus betrifft, so soll es mit allem Fleiß dargestellt werden. Für den Prinzen habe ich einen prächtigen Burschen. Er ist blutjung und heißt eigentlich Eberhard Lohse. Weil er aber ein überaus schöner Mann ist und ebenso schwarze Augen, als schwarze Haare hat, nennen wir ihn Dunkelschön. Für den Bedienten, den der Herr Perinus zu nennen beliebt hat, gibt es keinen besseren Darsteller als unsern Stranitzki, ein Kurtisan, der eine Versammlung von Melancholikern in einer halben Stunde zum Lachen zwingt. Auch mit der Prinzessin dürfte es erträglich gehen und nur mit der kecken Zofe wird es einige Schwierigkeiten haben, indem selbiger ein kaum zu СКАЧАТЬ