Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt
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СКАЧАТЬ Hindernissen zurückzubeben. Wacker hieb er sich mit dem Pritschholz in den dichten Haufen hinein und stand der armen Bettlerin gegenüber, die vor Angst und Schrecken in die Knie gesunken war.

      »Wer von Euch hat die arme Frau umgeworfen?« schrie Jan Blaufink und streckte die Hand nach ihr aus. »Helft mir sie aufrichten.«

      »Das fehlte noch!« entgegnete jemand. »Es ist eine Diebin und sie gehört von Rechts wegen auf die Wache.«

      »Nein! nein!« wimmerte die Bebende. »Ich habe nur um einen Bissen Brot gebettelt.«

      »Die Frau mit dem Henkelkorbe hat es aber gesagt, daß sie eine Diebin ist – wo ist sie denn geblieben? – Diebe gehören auf die Wache.«

      »Wenn sie auf die Wache soll,« rief Jan Blaufink, »will ich sie selbst dahin bringen. Ich habe hier die Polizei.«

      Die Bettlerin, welche schon vorher bei dem Klange dieser Stimme aufhorchte, stöhnte jetzt:

      »Jan! Jan!«

      »So heiße ich!« sagte dieser. »Macht Platz für mich und die Frau!«

      Er stieß die Worte mit bebender Hast heraus, denn auch er hatte die Stimme der Frau erkannt und sah bei dem letzten Schimmer des Abends in das blasse Gesicht der Frau Rosmarin. Sein Herz schlug gewaltig; aber die Gegenwart des Geistes verließ ihn nicht und im Befehlshaberton gebot er:

      »Macht Platz! Ich bin der Armenvogt und da ist die Wache!«

      Er deutete auf einen der Spinnschuppen, der ihm am nächsten lag. Lachend und zugleich scheltend wichen sie vor dem Repräsentanten des »Schewe-Lieke-Festes« zurück.

      Jan und Frau Rosmarin verschwanden in dem Innern des Schuppens.

       Inhaltsverzeichnis

      »Halt und stopp!« sagte Jan Blaufink, indem sich die arme Frau auf einen Sack voll ausgeplüsten Werg niederließ. »Hier sollst du sitzen. Da ist es hübsch weich.«

      Sie war unfähig, ein Wort zu sagen. Jan begab sich in eine Ecke, wo er in einem Kasten kramte und brachte einige Lebensmittel, die er vor sich her auf einem Brette herbeitrug:

      »Sie haben mich heute gut versorgt. Hier habe ich Brot vollauf, da ist Speck und Fleisch. Nun greife zu, Mütterchen, und lasse es dir wohl bekommen.«

      Bei dem Anblick dieser guten Gaben erwachte der Naturtrieb in voller Stärke. Frau Rosmarin legte das Brett auf ihren Schoß.

      »Und eine Kruke mit Bier habe ich auch bekommen, weil ich der Pritschmeister bin. Es ist ein guter Trunk und wird dich stärken.«

      Frau Rosmarin trank. Sie reichte ihm den Krug zurück und sagte mit dankbarem Lächeln:

      »Nun bin ich gesättigt. Dank sei dir. Wie entsetzlich ist es, was ich erduldete!«

      »Du Aermste! – Warst du so arm, daß du die Leute auf der Straße um ein Stück Brot ansprechen mußtest, während ich hier in den letzten Tagen alles vollauf hatte? Aber ich bin nicht schuld. Es war so vieles zu tun; keine Stunde hatte ich frei.«

      »Entschuldige dich nicht, Kind! Ich kenne ja dein Herz.«

      »Was mußt du ausgehalten haben, bevor du auf diesen Gedanken gekommen bist!« sagte Jan. »Aber, daran ist gewiß die garstige Jungfer Mewes schuld. Nun, die soll sich in acht nehmen, wenn ich am nächsten Sonntage in die Stadt komme.«

      »Nein, Kind, sie ist nicht schuld. Du weißt ja, wie ich mir forthelfe und daß die Nähnadel nicht viel abwirft. Zudem fieberte ich und konnte eine Woche lang gar nichts tun. Horch, wie sie draußen toben und schreien! Sie suchen mich und wenn sie hierher kommen, bin ich verloren.«

      »Hierher kommen sie nicht, dafür bin ich gut!« entgegnete Jan. »Aber wenn es dich beruhigt, will ich einmal hinausgehen und nachsehen.«

      Er ging und kehrte bald darauf zurück, indem er sagte:

      »In der Nähe des Schuppens ist keiner mehr. Der große Haufen hat sich nach dem Pesthofe hin verzogen. Uebrigens ist es spät. Die Leute gehen nach der Stadt und es ist Zeit für dich, sonst klappen die Türen zusammen und du mußt die Nacht draußen bleiben.«

      »Ich komme!« sprach Frau Rosmarin, sich erhebend. »Dank sei dir für deine Liebe! Lebe wohl!«

      »Du sollst nicht allein gehen, Mütterchen; du kannst es gar nicht. Ich will dich begleiten. Setzt es morgen auch eine Tracht Schelte! Pah, ich mache mir nichts daraus. Warte! Ich werfe nur die Narrenmütze weg und reiße die roten Klappen von den Schultern ab. So! Nun ist's getan! Komm, stütze dich auf mich! Wenn wir erst durch das Tor sind, können wir uns Zeit nehmen.«

      Das bunte Treiben dauerte draußen fort; allein das belebende Element fehlte in demselben. Das Pritschholz klatschte nicht mehr; die Sammelbüchse rasselte nicht. Aus keinem Munde erscholl der Ruf: »Hurra, Jan Blaufink!«

      »Wo ist der Donnersjunge!« rief der Bahnmeister, und einer der losgesprochenen Lehrburschen, der nahe bei ihm stand, entgegnete: »Ich weiß es nicht!«

      Die Frage nach dem Jungen vermehrte sich. An allen Enden der Bahn ließ sie sich vernehmen. Die Antwort blieb dieselbe. Keiner wußte, was aus ihm geworden war.

      Da brachte einer der Seilerknechte einen Jungen herbeigeschleppt, der sagte wunderliche Dinge aus. In der großen Allee hätte ein Weib das andere bestehlen wollen und sei bei dem Diebstahl ertappt. Ein großer Lärm wäre entstanden und die Diebin hätte in die Wache gebracht werden sollen. Da wäre Jan Blaufink erschienen, hätte sich mit seinem Pritschholz durchgeschlagen, die Diebin bei dem Arm genommen und sei mit ihr weggelaufen, indem er den Zurückbleibenden nachrief, er sei der Polizeimeister und werde sie selbst nach der Wache bringen.

      »Wohin er mit ihr gegangen, das wußte keiner,« setzte der Junge endlich hinzu, »aber auf die Wache hat er sie nicht gebracht, denn dort hätten sie das Weib behalten. Ich habe aber eben deutlich gesehen, daß sie, auf Jan Blaufink gestützt, nach dem Tor zugegangen ist. Das ist gewißlich wahr.«

      »Sehe mir einer den Taugenichts!« sagte der Bahnmeister. »Und darum verläßt er seinen Posten?«

      »Es ist, wie ich Euch sage!« bekräftigte der Junge nochmals.

      »Und Er wußte von nichts?« fragte der Seilerknecht von vorhin den Bahnmeister.

      »Gar nichts.«

      »Und die Schillingsbüchse hat er Ihm auch nicht vorher abgeliefert?«

      »Mir hat er nichts gegeben.«

      »Dann steckt der Jan mit der Diebin unter einer Decke und ist mit ihr auf und davon!« platzte der Seilerknecht heraus.

      »Alle Donner!« fuhr der Bahnmeister los. »Frisch, alle Mann und hinter dem Spitzbuben her!«

      Wie ein Blitz schnell und zündend, flogen diese Worte durch die Bahn:

      »Jan Blaufink hat die Sammelbüchse gestohlen und ist mit einem liederlichen СКАЧАТЬ