Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt
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СКАЧАТЬ dem bösen Jungen, der mich bestehlen wollte, ein Bein stelltest und ihn über den Haufen warfst.«

      Er konnte noch immer keine Worte finden. Frau Brammer legte sich ins Mittel und sagte:

      »Wenn ich dich ansehe, meine ich, du hättest besser getan, das Anerbieten meines Mannes anzunehmen, anstatt dich bei dem liederlichen Gesindel, den Komödianten, umherzutreiben. Es ist dir wohl nicht sonderlich gegangen?«

      »Ach Gott, nein!« sprach Jan und sah trübselig zu ihr auf. »Man kann kein Rühmens davon machen. Aber ich konnte die arme Frau nicht verlassen, die nun noch ärmer und hilfloser ist, als vorher.«

      Tränen erstickten seine Stimme. Frau Brammer empfand Mitleid und forderte ihn auf, deutlicher zu sprechen. Er tat es, und sie entgegnete dann:

      »Sie gehört zwar einem Stande an, von dem die ehrbaren Leute sich abwenden, allein sie ist unglücklich, und dem Unglücklichen soll man keine Predigten halten, sondern ihm beistehen. Nimm diese paar Schillinge einstweilen, die ich gerade bei mir habe. Komme morgen zu uns ins Haus und ich will sehen, was ich weiter tun kann.«

      »Ja, ja!« rief Lene. »Komme auch ganz gewiß. Den großen Apfel habe ich nicht mehr. Aber ich gebe dir etwas besseres dafür.«

      »Und du bist auch hoffentlich auf andere Gedanken gekommen!« sagte Frau Brammer zu Jan. »Das Unglück bessert die Menschen, wie es heißt, und du hast es kennen gelernt. Ich will mit meinem Manne sprechen, vielleicht nimmt er sich deiner an.«

      »Ich spreche auch mit dem Vater!« rief Lene dazwischen und klatschte in die Hände. »Und mir tut er gerne etwas zu Gefallen.«

      »Komm, Lene!« ermahnte die Mutter. »Es ist Zeit, daß wir nach Hause gehen, sonst wird der Vater verdrießlich. Vergiß nicht, morgen zur rechten Zeit zu kommen, und wenn du es gut mit dir meinst, läßt du von dem liederlichen Leben ab und wirst ein arbeitsamer, redlicher Mensch, der seine Augen überall aufschlagen darf und von den Leuten wohl gelitten ist.«

      Frau Brammer ging, gehoben von dem Gedanken, einen Menschen vom Verderben zu retten und für den Himmel zu gewinnen. Lene wendete sich im Gehen noch einmal um und nickte ihm freundlich zu. Jan folgte ihnen unwillkürlich einige Schritte und ging dann langsam jenem schmalen Zwischengäßchen zu, wo die dunkle und steile Saaltreppe in die Wohnung führte, welche er mit der Jungfer Mewes und der Frau Rosmarin teilte.

      Der andere Morgen kam. Herr Elias Brammer raste in seinem Laden auf und ab, wie ein angeschossener Eber. Es waren erst wenige Frühkunden dagewesen, allein der Lehrbursche hatte bereits zwei Nasenstüber und einen Stoß in die Seite bekommen. Elias Brammer brauchte einen Gegenstand, woran er seinen Zorn auslassen konnte. Er war voll Grimm, daß er sich hatte beschwatzen lassen, der Beschützer eines Burschen zu sein, der ihn von Hause aus nichts anging, und der ihm nie auch nur das Geringste nützen konnte. Es war weggeworfene Zeit und weggeworfene Mühe; zwei Kapitale, die einem Kaufmann stets volle Zinsen tragen müssen.

      Seine Frau brachte ihm seinen Morgentrunk und kredenzte ihm denselben mit einem heiteren Gesicht. »Ich bringe es dir zu, Elias,« sagte sie, »mit der Hoffnung auf einen freundlichen Tag. Für jede Stirnfalte weniger heute Abend einen Taler mehr in der Kasse.«

      »Es ist gut,« sagte er und schielte nach dem Lehrburschen, der bemüht war, ein paar Backpflaumen zum Frühstück beiseite zu bringen, jetzt aber schnell die verführerische Kiste von sich schob und im Polieren des Schaufensters fortfuhr. »Es ist gut, Frau. Ich habe es einmal versprochen, dir und der Lene. Die Dirne läßt nicht los, wenn sie mich einmal gefaßt hat, und wird noch so lange für allerlei Volk bei mir betteln, bis sie mich zum armen Manne gebettelt hat. Ich gehe jetzt hinaus nach der Reeperbahn. Es fehlt hier an Marlleine und Hüsing. Auch muß Kapitän Danker seine Jagetrosse noch heute an Bord haben. Bei dieser Gelegenheit will ich sehen, was sich tun läßt. Um zwölf Uhr bin ich wieder hier. Gib wohl acht, daß jedem sein Recht wird und keiner etwas beiseite bringt.«

      Der Lehrbursche, der gerade bei dem gläsernen Hafen stand, worin die braunen Zuckerbonbons lagen, sprang schnell zu der Kiste mit den Sechslings-Talglichtern und reichte einer Kundin das verlangte Beleuchtungsmaterial mit einem dummen Lächeln dar.

      »Du brauchst nicht besorgt zu sein, Mann,« entgegnete Frau Brammer. »Ich will den Laden keinen Augenblick verlassen, bis du wiederkommst. Geh' nur in Gottes Namen und kehre nicht zu oft ein.«

      Das Letztere sprach sie in dem heiteren Tone des Scherzes.

      Elias Brammer sah seine Frau fragend an, als spräche sie von den Bewohnern des Mondes oder sonstigen rätselhaften Dingen im weiten Raume des Weltgebäudes, dann griff er nach dem aufgekrempten Hut, schwenkte das dargereichte spanische Rohr und sagte:

      »Daß Ihr mir nicht mit solchen Kommissionen wiederkommt. Du nicht und die Lene auch nicht. Es wird erstens nichts darauf gegeben und fürs zweite werde ich Euch ein Aufgebot bestellen, daß Ihr acht Tage lang daran denken sollt.«

      Bei diesen Worten machte das spanische Rohr eine solche verdächtige Bewegung nach der Seite hin, wo der Lehrbursche stand, daß dieser sich unwillkürlich bückte, was der Prinzipal für einen ehrerbietigen Gruß hielt, und ihm zunickend sagte:

      »Laß mir den Jan Blaufink nicht hinter den Ladentisch kriechen, wenn er eher kommt, als ich da bin, und treibe keine ungehörigen Späße mit ihm. Um ein Uhr soll er seinen Bescheid empfangen.«

      Mit diesen Worten war Herr Brammer zur Tür hinaus und lenkte seine Schritte nach der Reeperbahn.

      Es war gegen Abend desselben Tages, als Jan Blaufink die Saaltreppen hinaufstieg und der Jungfer Mewes einen guten Abend bot, den diese mit den mürrisch ausgesprochenen Worten erwiderte:

      »Hättest auch früher kommen können. Jetzt schläft die Frau Rosmarin schon und du wirst sie aufwecken, wenn du so klotzig auftrittst wie gewöhnlich.«

      »Ich habe die Schuhe schon vor der Tür ausgezogen,« entgegnete er leise. »Sie ist es so gewohnt mit mir zu schelten, daß Ihr ordentlich etwas fehlen wird, wenn es nun aufhören muß.«

      »Aufhören! Und aufhören muß!« schrie Jungfer Mewes auf und vergaß nun selbst den Schlaf der Frau Rosmarin. »Das ist ganz unmöglich, denn du machst täglich und stündlich, wachend und träumend, so viele dumme Streiche, daß man aus dem Predigen gar nicht herauskommt. Warum soll ich damit aufhören?«

      »Weil ich nur gekommen bin, um morgen frühestens wieder zu gehen. Ich werde Radjunge in der Reeperbahn und schlafe in der Geschirrkammer.«

      Jungfer Mewes stand mit offenem Munde da. Sie war es so gewohnt, den Jan zum Ableiter ihrer üblen Launen zu gebrauchen, daß sie den ihr drohenden Verlust zwiefach fühlte und zuletzt in die Worte ausbrach: »Radjunge! Das ist auch etwas Rechtes.«

      »Viel wird es wohl nicht sein,« entgegnete Jan gutmütig. »Herr Brammer hat es einmal für mich ausgemacht, und die Lene hat mir zugenickt, also ist nichts davon abzuhandeln. Ich habe mein Brot und kann der armen Frau Rosmarin, die mich so lieb hat, etwas davon abgeben.«

      »Mein lieber Sohn!« sagte diese, die von dem Gespräch aufgewacht war, mit matter Stimme: »Gott segne dich um deines guten Herzens willen.«

      Die Begrüßung der beiden war herzlich. Sie hätte nicht inniger sein können, wenn sie wirklich Mutter und Kind gewesen wären. Frau Rosmarin fühlte, daß ihre ganze Seele an diesem Knaben hing, und ihr Herz schlug ihm laut entgegen. Er vergalt es ihr damit, daß er sich ihr ohne Rückhalt von ganzer Seele hingab und keinen anderen Gedanken hatte, als nur sie.

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