Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt
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Читать онлайн книгу Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen - Heinrich Smidt страница 32

СКАЧАТЬ Röte stieg ihm in das Gesicht. »Darum werde ich auf offener Straße aufgegriffen und als ein Dieb fortgeschleppt? Darum reißt ihr eine hilflose alte Frau von meinem Arm weg ...? Wo ist sie nun hingeraten? O, Mutter! Mutter! – dafür soll das böse Zeug über euch kommen!«

      »Du willst wohl mit deinem Geschrei die Leute rebellisch machen, damit sie dir gegen uns beistehen sollen, weil wir unser zwei starke Kerls sind? Komm, komm, und lasse dir Gutes raten! Blindes Unterwerfen kann dir allein noch zum Guten ausschlagen und du mit einer schimpflichen Züchtigung davonkommen.«

      Jan Blaufink sah, daß er der Uebermacht keinen Widerstand leisten könne, und ging zwischen den beiden Gesellen, die ihn mit scharfen Augen bewachten, langsam weiter. Der Tag dämmerte schon, als sie durch das hohe, gewölbte Tor in die Vorstadt hinausschritten.

      Die Kunde, daß der Dieb eingefangen sei und alsbald auf der Bahn anlangen werde, war ihnen schon vorausgeeilt. Wer irgend zu der großen Reepschlägerei gehörte, drängte sich herzu. Auf Anordnen des Bahnmeisters wurde ein Halbkreis gebildet und es begann eine Beratung, ob und auf welche Weise man das Strafamt verwalten solle. Damit diese Beratung durch nichts gestört werde, wurde der Befehl gegeben, den Sträfling bei seiner Ankunft sorgfältig zu bewachen und ihn erst den Richtern vorzuführen, wenn der Befehl dazu gegeben würde.

      Kaum hatte diese Beratung ihr Ende erreicht, als Herr Elias Brammer erschien und auf den Bahnmeister zuging. Dieser empfing ihn nicht besonders freundlich und sagte

      »Das hat man nun davon, wenn man den Kunden gefällig ist. Was soll man denken, wenn ein Herr, wie Elias Brammer, uns gewissermaßen zwingt, einen Jungen in Dienst zu nehmen, der uns bestiehlt und noch groß auftrumpft, obgleich er bald nach der Tat ergriffen wird?«

      »Es ist mehr als zu arg!« sagte Herr Elias Brammer, »und ich weiß mich vor Zorn und Wut nicht zu lassen. Das kommt dabei heraus, wenn man sich von den Weibern beschwatzen läßt. Aber es soll auch gewiß das letzte Mal gewesen sein ...«

      »Papperlapapp!« entgegnete der Bahnmeister. »Ob Er sich von Seinen Weibern, oder von wem sonst hat beschwatzen lassen, das ist uns ganz egal. Wir haben den Schimpf davon und den Verlust an barem Geld dazu. Für den letzteren aber kommt Er uns auf ...«

      »Wer? Ich?«

      »Ja, wer denn anders? Er hat uns den Jungen empfohlen und wir haben denselben auf Treu und Glauben angenommen. Dadurch ist Er Bürge für den Jungen geworden und für allen Schaden und Nachteil, den derselbe anrichtet, verantwortlich.«

      »Das wollen wir einmal sehen! Ich soll in die Tasche greifen und zahlen, was ...«

      Der Zorn erstickte seine Stimme. Er gestikulierte lebhaft und focht mit den Armen durch die Luft.

      »Das wäscht Ihm kein Regen ab. Vielleicht macht es Ihn für das Künftige klüger und Er spielt nicht mehr den Beschützer für jeden hergelaufenen Jungen, der Ihm in das Haus geschneit kommt, Und nun Lied am Ende! Bringt den Jungen hierher!«

      »Mir her den Jungen!« rief Herr Elias Brammer. »Ich will ihn zuerst durchwalken.«

      »Nicht rühran!« sagte der Bahnmeister. »Das ist unsere Sache. Da ist er! Jan Blaufink, stelle dich dahin.«

      Dieser tat, wie ihm geheißen wurde. Der Bahnmeister sah ihn mit einem vernichtenden Blicke an und hielt ihm eine Strafpredigt, die bei jedem andern das Haar auf dem Kopfe zum Sträuben gebracht hätte. Jan Blaufink hörte ihn gelassen an und fragte dann:

      »Wollt Ihr mir sagen, weshalb Ihr mich auf offener Straße aufgreifen laßt? Warum bin ich hierher geschleppt? Und warum muß ich alle diese Schimpfreden über mich ergehen lassen? Ich bin ein armer Junge und besitze nichts auf der Welt, als einen Namen, den man mir in Spott und Uebermut beilegte und den ich behielt, weil ich nicht länger namenlos in der Welt umherirren wollte. Aber den Namen soll man mir lassen, rein und ungeschädigt. Wer ihm einen Schimpf antut, dem werde ich es nachtragen ewiglich.«

      »Du hast ein großes Recht, so zu reden und zu tun, als ob du ein vornehmer Hans wärest, der uns alle nach Herzenslust herunterkanzeln könnte!« sagte der Bahnmeister.

      »Hört ihn nicht weiter an!« fuhr Elias Brammer dazwischen, »sondern walkt ihn tüchtig durch und laßt auch mich ihm einen Denkzettel geben.«

      Jan Blaufink sah sich nicht nach ihm um, sondern fuhr fort, zu dem Bahnmeister zu sprechen:

      »Leicht ist es, einem Menschen die Ehre abzuschneiden und ihn um seinen guten Namen zu bringen; aber schwer ist es, ihm beides wiederzugeben. Was werdet Ihr sagen und tun, wenn Ihr hört, daß ich unschuldig bin und Ihr selbst gestehen müßt, daß Ihr mich fälschlich angeklagt habt?«

      Ein Gemurmel ging durch den Kreis. Ein Gemurmel des Unwillens, daß man mit einem dummen Radjungen solche Umstände mache. Das Lärmen stieg.

      »Warum wollt ihr mich nicht hören?« rief Jan Blaufink unerschrocken in das immer lauter werdende Murren hinein. »Habe ich eure Anschuldigungen dulden müssen, sollt ihr auch anhören, was ich sage, um meine Unschuld darzutun.«

      »Gut!« sagte der Bahnmeister. »Rede denn; aber kurz und bündig. Ich will auf jedes Wort genau merken und es abwägen.«

      Es kam nicht dazu. Einer der Lehrburschen, die außerhalb des Kreises aufgestellt waren, um Zudringliche abzuwehren, kam herbei und meldete, daß eine Frau sich eingefunden habe, die für die Unschuld Jan Blaufinks zeugen wolle. Sie sei außer Atem und so hinfällig, daß sie sich nicht aufrecht erhalten könne.

      »Das ist die Mutter!« rief Jan erregt.

      »Bringe sie hierher, Detlev,« entschied der Bahnmeister. »Es soll nicht gesagt werden, daß wir einen Mund geschlossen hätten, der für die Unschuld eines Menschen sprechen will. Aha! Da ist sie schon! Hierher, Frau!«

      Jan Blaufink eilte ihr entgegen und schloß sie in seine Arme.

      »Um meinetwillen kommst du?«

      »Ja, um deinetwillen«, sprach Frau Rosmarin. »Sie hatten mich im Gedränge von deinem Arm gerissen; allein ich hörte die schändliche Beschuldigung und wohin man dich brachte. Da raffte ich mich zusammen und bin nun hier, um Zeugnis abzulegen.«

      »Sie würden dir nicht glauben, wenn du es tätest, so wenig, als sie mir glauben würden, wenn ich nicht den klaren Beweis meiner Unschuld führen könnte. Ja, es ist wahr, daß ich über den Kreis, der mir gezogen ward, hinausgeeilt bin, um Spenden für euch zu sammeln. Es ist wahr, daß ich dort diese Frau traf und sie vor Mißhandlungen rettete. Es ist wahr, daß ich sie nach dem Spinnschuppen brachte, wo mir meine Schlafstelle angewiesen ist, und sie mit Speise und Trank erquickte, damit sie sich wieder erhole. Und es ist wahr, daß ich sie nach der Stadt zurückführte und ihr meinen Arm zur Stütze lieh. Aber es ist erlogen, daß ich eure Sammelbüchse mit mir nahm, wie ihr mich beschuldigt. Ehe ich den Gang antrat, habe ich das mir anvertraute Gut sorgfältig geborgen. Die Büchse steht in des Bahnmeisters eigener Kammer, an dem Ort, wo sie immer zu stehn pflegt. Das Siegel, womit sie verschlossen wurde, ehe man mir sie in die Hand gab, ist daran geblieben, und wenn ihr hineingeht, werdet ihr finden, daß es sich so verhält, wie ich gesprochen habe.«

      Diese letzten Worte machten einen unverkennbaren Eindruck aus die Versammlung. Man zischelte untereinander und der Bahnmeister sagte:

      »Wenn das – Nein! Es ist nur eine Finte ...«

      »Es liegt in Eurer Hand, mich abermals Lügen zu strafen, СКАЧАТЬ