Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt
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Читать онлайн книгу Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen - Heinrich Smidt страница 27

СКАЧАТЬ zu Sankt Pauli wohlbekannt war, und als ein bedeutender Kunde dort in Ansehen stand, brauchte nur ein Wort zu sagen, um die Annahme des Jan als Radjunge zu erreichen und demselben für einen kärglichen Wochenlohn eine Fülle von Arbeit zuzuweisen. Er meldete ihm dieses und überschüttete ihn dabei mit so vielen guten Ermahnungen und Drohungen für den Fall der Nichterfüllung seiner Pflichten, daß jedem anderen wie dem Jan angst und bange geworden wäre und er keinen Fuß auf die Bahn gesetzt hätte.

      »Du wirst schwere Tage haben, mein Junge,« sagte Frau Rosmarin, »und wirst sie zum Teil um meinetwillen haben. Ich kann nichts tun, als dir mit meinen Tränen dafür zu danken und für dich zu beten, daß der liebe Gott dir gnädig sei und dein Leben dornenfrei halte.«

      »Amen, Mütterchen!« sagte Jan. »Du bist matt vom vielen Sprechen und sollst nun deine Ruhe haben. Morgen in aller Frühe gehe ich heimlich fort. Du darfst nicht so betrübt aussehen; es wird alles gut. Sonntags, nach der Predigt, soll ich zu Frau Brammer kommen, die mir für dich geben wird, was zu entbehren ist; damit komme ich dann zu dir und wir bleiben ein paar Stunden zusammen, bis ich wieder hinaus muß nach der Bahn. Das soll ein Leben werden! Wir schmausen behaglich von dem, was Frau Brammer mir für dich mitgibt, sie und die Lene. Das ist ein liebes Kind, die mir alles zusteckt, und noch immer daran denkt, daß ich dem Jungen, der sie am heiligen Dreikönigstage anfaßte und bestehlen wollte, einen tüchtigen Denkzettel gab. Nun, gute Nacht, Mütterchen. Schlafe sanft und habe keine Sorge um mich. Auf der Tischecke findest du morgen früh vier Schillinge; ich habe sie redlich verdient mit Lasttragen. Verbrauche sie mit Gesundheit.«

      Sie ließ ihn nicht los, sondern zog ihn näher an sich. Er kniete an dem Bette nieder und fühlte, wie ihre Hand sich auf sein Haupt legte; ihre Lippen berührten seine Stirn. Dann trennten sie sich, ohne daß einer von ihnen nur noch ein Wort gesprochen hätte.

      Die Reeperbahn von heute und damals. Es kann kaum einen größeren Gegensatz geben. Von den langen Häuserreihen, welche sich zwischen Hamburg und Altona ausdehnen, war keine Spur vorhanden. Längs der ausgefahrenen sandigen Heerstraße, die sich zwischen den beiden Städten hinzog, lief ein breiter und fester Weg, welcher mit hohen, schattenreichen Bäumen eingefaßt war. Unter diesen Bäumen standen in gemessenen Zwischenräumen sechs oder acht Buden, roh von Holz aufgezimmert und mit einer dicken Teerkruste überzogen, worin Eß- und andere Waren feilgehalten wurden. Es war alles in der ursprünglichsten Natürlichkeit. Keine Spur von den mannigfaltigen Bazaren, die jetzt das Auge dort erfreuen. Aber anheimelnd war es unter diesen Laubdächern, am frühen Morgen, wenn tausend muntere Singvögel darauf auf- und abhüpfen, oder abends, wenn die scheidende Sonne die leise bewegten Wipfel mit ihrem Golde übergoß.

      Seitwärts nach Norden zu war eine weite Fläche, hier und da mit Bäumen bepflanzt und der Boden mit magerem Graswuchs bedeckt. Sie grenzte an das heilige Geistfeld, welches sich bis zur alten Glashütte hinzog. Von dort aus führte ein Fußsteig quer über das Feld der einsamen Fläche zu. Der Steig lief gegen das Ende hin längs einem hohen, düstern Zaun. Darüber hinaus ragten einige Dachspitzen und eine hellgrüne Kuppel. Nur mit verhaltenem Atem ging man an diesem Zaune vorüber, und unbewußt beeilte man seine Schritte, denn dies war der Pesthof. Es war hier so einsam und still, daß man ohne Gefahr das Pulvermagazin und das Hanfhaus in diese Gegend verlegte, weil nirgends anders die Stadt sicherer vor jenen feuergefährlichen Gegenständen war, als gerade an diesem Orte.

      Und von hier ab, bis zur schattigen Allee mit den Verkaufsbuden erstreckten sich in der Richtung von Altona nach Hamburg die mächtigen Seilerwerkstätten, welche dieser Gegend den Namen Reeperbahn verliehen. Die großen, halb steinernen, halb hölzernen Schuppen, worin die Vorräte und die Arbeitswerkzeuge aufbewahrt wurden, erhoben sich mit ihren spitzen Giebeln im Westen, wo sie an die alte Dröge grenzten. Von hier aus ging am frühen Morgen das Getriebe aus und verschwand daselbst am Abend. Von dem einfachsten Bindfaden an bis zum schwersten Ankertau aufwärts wurde für den Bedarf der Schiffe gesorgt. Keine Hand lag hier müßig in dem Schoße. Die abgenommenen Vorräte wurden Tag für Tag durch neue ersetzt.

      Hell leuchtete der Maimorgen auf. Die großen Türen der Schuppen öffneten sich und die Seilerknechte sowie die Radjungen fanden sich ein. Der Bahnmeister war überall zu finden und gab die Arbeiten des Tages an. Bei einem der leichteren Räder blieb er stehen und sagte:

      »Hierher soll der Neue kommen, der uns von Elias Brammer geschickt wird. Diese Herren sollten sich auch um ihren Laden kümmern, statt uns mit allerlei dummen Jungen zur Last zu fallen, welche sie selbst nicht brauchen können. Hoffe, daß der Bursche einigermaßen anstellig ist, sonst bekommt er noch vor Mittag eine Tracht Prügel und seinen Laufpaß.«

      Er wandte sich einem der Spinner zu, als hinter seinem Rücken der laute Ruf erscholl:

      »Wo ist der Bahnmeister?«

      »Hier!« entgegnete er sich umwendend und sagte verdrießlich:

      »Wer ist denn der Knirps, der ohne alle Umstände nach dem Bahnmeister ruft? Was soll's mit ihm?«

      »Entschuldige Er mich, Herr; allein mir ist nur gesagt, daß ich hierher gehen solle und nach dem Bahnmeister fragen. Herr Elias Brammer hat mich so angewiesen.«

      »Aha! Du bist also ...?«

      »Ja, Herr; ich bin der neue Radjunge, das heißt, wenn ich Ihm anständig bin und Er mich brauchen kann.«

      »Das wird sich finden. Wir können unser Werk gleich beginnen. Dort am Rade ist dein Posten. Man soll dir gleich die ersten Handgriffe beibringen. Heda, Hans Peter, komme einmal her und zeige dem ... Wie heißt du denn?«

      »Jan Blaufink, Herr!«

      »Das ist ein possierlicher Name! Wer Teufels heißt hier in Hamburg so?«

      »Ich, Herr. Und da es nun einmal so ist, meine ich, laßt Ihr es auch dabei. Kein Mensch kann dafür, was er für einen Namen hat. Er kann ihn sich nicht aussuchen. Er wird ihm gegeben und er muß ihn behalten.«

      »Maulfaul bist du nicht!« sagte der Bahnmeister, dem das kecke Wesen gefiel. »Ein Radjunge ist ein gewaltiger Kerl bei der Stadt und kann sich etwas darauf einbilden.«

      »Das hat Kapitän Danker auch gesagt, Herr!«

      »Was hat er gesagt?«

      »Kapitän Danker war dabei, als Herr Brammer mir sagte, daß ich hierher gehen und Radjunge werden solle. Da legte der Kapitän seine Hand auf meine Schulter und mich schüttelnd, sagte er lachend: »Höre, Jan Blaufink, mache es, wie der Michael de Ruiter, dann wird es dir wohlgehen.« »Das will ich wohl, Kapitän,« sagte ich. »Aber erst muß ich doch wissen, wie es der Michel machte, von dem Er spricht.« Da lachte der Kapitän noch lauter als vorhin und antwortete: ›Da hast du recht. Der Michael de Ruiter fing damit an, auf den Seiler-Werkstätten zu Vlissingen das Rad zu drehen, und schloß damit, seine Admiralsflagge am Bord der ›sieben vereinigten Provinzen‹ aufzuziehen.‹ Darauf sagte ich wieder: ›Dank, Kapitän, für den Bescheid; ich will sehen, was sich tun läßt,‹ und nach diesen Werten bin ich hierher gekommen.«

      »Es ist himmelschreiend,« sagte der Bahnmeister, zu einem der Knechte gewendet, »was diese Herren solchen dummen Jungen für Raupen in den Kopf setzen. Das soll man nun wieder herausprügeln!«

      Und sich hastig gegen Jan Blaufink wendend, sprudelte er über:

      »Du hast, wie sich von selbst versteht, deine Admiralschaft auch schon in der Tasche?«

      »Ach nein, mein Herr,« sagte Jan Blaufink ruhig. »Ich bin vollauf zufrieden, wenn ich arbeiten und für meine arme Mutter ein Stück Brot verdienen kann.«

      »Nun,« СКАЧАТЬ