Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt
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Читать онлайн книгу Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen - Heinrich Smidt страница 21

СКАЧАТЬ mußte für die Zeche einstehen.

      Der Leiter dieser Beratung wollte schier verzweifeln ob all der Fehlschläge und rief desperat:

      »Weiß denn keiner einen Kaspar aufzufinden?«

      »Ich weiß einen!« hieß es.

      »Wen weißt du?«

      »Jan, das Kostkind!« war die Antwort.

      Die meisten erinnerten sich vom Herbst her des Genossen, der ihre Schlangenketten zerriß, und den sie fortjagten, weil er keinen andern Namen hatte als Jan.

      »Den Komödiantenjungen?«

      »Der keinen Namen hat?«

      »Er kriegt ja einen und heißt dann Jan Kaspar. Nehmt ihn nur. So ein Komödiantenjunge ist es gewohnt, Püffe zu kriegen. Auch kann er sonst tüchtige Faxen machen und bringt die Leute so zum Lachen, daß sie uns einen Schilling extra geben.«

      Die Uebrigen willigten zögernd ein. Als sie endlich einig waren, den Jan bei sich aufzunehmen, fiel ihnen plötzlich ein, ob der Junge denn auch von ihnen aufgenommen sein wollte. Daran hatte noch keiner gedacht.

      Zwei wurden abgeordnet. Sie erhielten Befehl, mit List in die große Bude zu dringen und den Jan herbeizuschaffen.

      Ueberraschend schnell fanden die Ueberbringer einer königlichen Würde und Bürde ihren Kandidaten und trugen ihm ihre Wünsche vor. Jan hörte sie gelassen an und sagte darauf:

      »Ihr habt mich geschlagen und gestoßen und mich verhöhnt, wenn ihr mich von weitem saht, weil ich ein armer Junge bin, der keine Eltern hat. Jetzt, wo ihr mich brauchen könnt, seid ihr freundlich und wißt nicht, was ihr sagen sollt, um mir nach dem Munde zu reden. Nun wäre es meine Sache, aufzutrumpfen und euch die Wege zu weisen. Aber ich will es nicht tun, sondern euch zeigen, was ich hier bei den Komödianten gelernt habe. Einen König will ich euch spielen, der sich gewaschen hat, wenn auch das Gesicht schwarz ist. Morgen früh, wenn es draußen auf dem Holzgerüste neun schlägt, komme ich zu euch heraus.«

      Damit entfernten sich die Abgesandten und meldeten, daß alles in Ordnung sei, wobei sie jedoch verschwiegen, daß der Jan sie tüchtig abtrumpfte, bevor er die dargebotene Würde annahm.

      »Morgen früh um neun!« hieß es, und diesen Worten folgte der Aufbruch.

      Frau Rosmarin saß in dem Verschlage, den man in dem Veltheimschen Theater die allgemeine Garderobe nannte, und machte sich mit Jan zu schaffen.

      »Stehe doch still, Junge!« rief sie ihm zu, dem vor Ungeduld die Sohlen unter den Füßen brannten. »Ich werde ja nicht fertig, wenn du nicht ruhig bist.«

      »Ja, Mütterchen!« entgegnete er. »Jetzt darf ich doch sagen, Mütterchen? Es ist keiner hier, der es hört und über Euch und mich lacht.«

      »Du darfst es auch sagen, wenn jemand da ist, der es hört, Söhnchen,« entgegnete sie. »Ich frage nichts darnach, wenn sie über mich lachen. Mir tut es wohl, wenn du mit deiner lieben Stimme das Wort aussprichst. So, mein Junge! Nun bist du fertig. Ei, wie schaust du prächtig darein und was für ein schmucker Herr König bist du geworden. Die andern werden dich nicht auslachen, wenn du so vor ihnen erscheinst. Sie werden die Köpfe zusammenstecken und dich beneiden. Da hängt ein Spiegel. Laufe hin und schaue hinein.«

      Jan tat, wie ihm geheißen wurde. Er sah voll Staunen die Verwandlung, die mit ihm vorgefallen war, fiel dem Mütterchen um den Hals und eilte fort mit dem Rufe:

      »Das müssen die Jungens draußen sehen! Sie warten schon auf mich!«

      »Du mußt noch erst dein Gesicht färben!« rief Frau Rosmarin ihm nach.

      »Das kann nachher geschehen!« entgegnete er, rückgewendet. »Erst sollen sie mich sehen.«

      Die Frau sah ihm mit einem freundlichen Lächeln nach. In ihrem Herzen ging etwas vor; sie wußte nicht zu sagen, was. Aber es begann mächtig zu schlagen und eine Träne glänzte in ihren Augen:

      »So habe ich nun doch etwas, woran ich mich hängen kann: Ein armes, verlassenes Kind, das ich in meine Arme schließe und über ihn alle Liebe ausgieße, deren ich fähig bin. Arm und verlassen, wie jenes Kind in der Welt umherirrt, dem ich das Leben gab, wenn die grausamen Räuber es nicht getötet haben. Christine, sei barmherzig gegen dich selbst und gib dich nicht wieder diesen entsetzlichen Träumen hin. Du bist nicht mehr allein und hast Pflichten gegen ein unglückliches Geschöpf, das sich mit kindlichem Vertrauen an dich schließt.«

      Jan kehrte von der Straße zurück und rief mit großer Freude:

      »Mütterchen, da bin ich! Sie haben mich angesehen und laut aufgeschrien. Einige schauten mich auch mit neidischen Augen an, voraus der Jan Thiemer, der den König mit der Krone macht, und lange nicht so hübsch aussteht wie ich. Wir wollen gleich anfangen, und ich will mir nur noch das Gesicht bemalen. Zuerst laufen wir den alten Steinweg ab und dann lassen wir uns beim Graskeller sehen.«

      »Gut, mein Söhnchen. Ich habe mein Versprechen gehalten und dir beigestanden. Jetzt gehe ich nach Hause, um meine neue Rolle zu lernen. Gehe du in die Rumpelkammer zu dem guten alten Tamm. Ich habe ihm schon Bescheid gesagt und er wird dir beim Malen behilflich sein.«

      »Ja, Mütterchen, das will ich tun. Komme gut nach Hause und nimm dich auf der dunklen Treppe in acht. Vater Tamm! Wo ist Vater Tamm?«

      »Hier bin ich. Jungchen! Haben sie dich zum Mohrenkönig gepreßt? Eigentlich könntest du bleiben wie du bist; denn dein Gesicht ist schmutzig genug. Da in dem Topf ist noch ein Restchen schwarzer Farbe. Es ist doch schwarz, denke ich. Oder nimm den Topf, der daneben steht. Das muß auch schwarz sein. Es ist hier so dunkel, daß man kaum die Hand vor Augen sieht, und in der Finsternis soll man eigentlich kein Menschengesicht anstreichen. Wir aber machen aus der Not eine Tugend. Steh still, Junge; ich tue dir nicht weh.«

      »Auf einen Puff kommt es nicht an,« sagte Jan. »Ich habe deren in meinem Leben genug bekommen. Aber still stehen kann ich nicht. Es kribbelt mir in den Fußsohlen. Sind wir nun fertig?«

      »Ja, ja! Laß uns nun hinausgehen an das Tageslicht und sehen, was wir für Arbeit gemacht haben.«

      Der Alte trat, mit dem Jungen an der Hand, auf den lichten Raum der Bühne. Ein Theaterarbeiter, der mitten im Wege stand, schlug die Hände zusammen und rief:

      »Vater Tamm! Was habt Ihr aus dem Jungen gemacht?«

      »Einen schwarzen Mohrian!« entgegnete dieser. »Er kommt direkt aus dem Morgenland.«

      »Das ist kein Mohrian, das ist ein blau gesottener Karpfen, Vater Tamm. Geht doch nur in die Garderobe, wo der Spiegel hängt, damit der Junge sieht, was aus ihm geworden ist.«

      »Meiner Seele,« sagte Vater Tamm. »Echtes Kornblumenblau. Da muß einer die Töpfe ohne mein Wissen umgestellt haben.«

      »Daß es schwarze Menschen gibt, wissen wir, denn es kommen Mohrians genug nach Hamburg,« entgegnete der Theaterarbeiter. »Mein Vetter, der zur See gefahren ist, erzählt, in Amerika gäbe es auch rote, wiewohl ich es nicht recht glauben kann. Aber von blauen Menschen habe ich niemals ein Sterbenswort gehört.«

      »Ich auch nicht!« sagte Vater Tamm. »Wir wollen es wieder abkratzen und beim Tageslicht weiter malen. Komm, Jungchen!«

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