Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt
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СКАЧАТЬ Wenn man nicht die Macht hat, aufzutrumpfen, muß man auch nicht den Willen dazu haben.«

      »Sie würde milder sein, wenn Sie wüßte, wie sehr dieses Herz gequält und gefoltert ist und was ich litt und duldete bis zur gegenwärtigen Stunde. Ich muß ihm Luft schaffen von Zeit zu Zeit, wenn es nicht zerspringen und die namenlosen Qualen bis in das Unendliche mehren soll.«

      »Dann werfe Sie die Last von sich, welche Sie drückt. Das Geheimnis weckt die Neugier, aber keine Teilnahme. Sie hat schon oft solche Worte ausgestoßen, allein wenn man fragte nach dem Warum und Weshalb, ist sie stumm geworden und hat nicht mehr Laute von sich gegeben als der hölzerne Tisch da, der doch noch knarrt und pfeift, wenn man an das wackelige Gestell rüttelt. Schweige Sie also ganz und gar, oder mache Sie den Mund rechtschaffen auf und lasse Sie hören, warum Ihr Herz beklemmt ist und nicht zum Schweigen gebracht werden kann.«

      »Ja, ich will reden!« entgegnete Frau Rosmarin rasch. »Ich habe noch nie so sehr danach geschmachtet, mir durch Worte Luft zu machen, als in dieser Stunde. Sie soll mich hören und erfahren, wie die frische Maienblüte zur trauernden Rosmarin geworden ist.«

      Es war die geeignete Stimmung für eine Mitteilung solcher Art. Der Sturm steigerte sich und warf die schweren Regentropfen klirrend gegen die kleinen Scheiben. Die Dachsparren stöhnten unter der Wucht des heulenden Nordwest und klirrend flogen die losgerissenen Dachziegel auf das Straßenpflaster herab.

      Die beiden Frauengestalten rückten nahe aneinander. Jungfer Mewes schob die Karten in die Tasche, schlang die Hände ineinander und saß unbeweglich auf ihrem Stuhl. Die Schauspielerin sprach, und in der einsamen Dachstube entwickelte sich nach und nach Wort für Wort und Szene um Szene, die ganze Komödie des Pfarrers von dem Augenblicke an, da die Maienblüte darin zuerst den Schauplatz beschritt, bis zu der Katastrophe, da Frau Janna Straußin mit ihr die Kellertreppe hinabstieg.

      Jungfer Mewes hatte aufmerksam zugehört. Sie schauerte und indem sie sich fester in ihre wollene Schaube wickelte, sprach sie:

      »Das ist eine rechte Komödiantengeschichte. Aber da unten in dem Keller hat Sie es doch nicht lange ausgehalten? Wie ist Sie nur herausgekommen und wieviel Zeit war seitdem verstrichen?«

      »Weiß ich es?« sagte Frau Rosmarin, und alle Schrecken, welche sie in jener furchtbaren Zeit ausgestanden, bebten in dem Ton ihrer Stimme wider.

      Die Fenster klirrten ärger als vorher. Jungfer Mewes schauerte zusammen und sprach:

      »Es ist wie am jüngsten Gericht!«

      »Die Hölle war es, das jüngste Gericht kam später!« entgegnete die Schauspielerin. »Als die Janna Straußin meinen Arm mit ihren eisernen Fingern umkrallte und die Kellertreppe hinunterzerrte, glaubte ich schon zu sterben. Gott war nicht so barmherzig, mir diese Gnade zu gewähren. Ich mußte leben; leben und büßen. Das rief sie mir zu, als sie mich in das dunkle Loch stieß und die Tür hinter mir ins Schloß warf.«

      »Wie lange ich dort gelegen, ehe mir die Besinnung wiederkam, ich weiß es nicht. Ich schrie vor Angst und Entsetzen laut auf, aber keiner hörte mich, oder wollte mich hören. Ich jammerte und klagte, bis mir die Stimme versagte und ich willenlos verstummte. Oben, so hoch, daß meine Hand es nicht erreichen konnte, war eine Oeffnung, durch welche ein schwaches Dämmerlicht drang, wenn es gerade Tag war. Aber der Wind pfiff hindurch und blies mich mit seinem kalten Hauche an. Durch einen Schieber in der Tür wurde mir Brot und Wasser gereicht. Wie oft, weiß ich nicht; aber für einen Tag war es zu lang. Wenn neuer Vorrat kam, war der alte längst verzehrt und Hunger und Durst quälten mich noch mehr, als der Frost. Und doch fror mich sehr, denn ich hatte nur dürftiges Stroh zum Lager. Meine Kleidung war auf der langen Wanderung zerrissen und keine Decke hatten sie mir hingelegt, um die erstarrten Glieder darin zu hüllen. Da einmal, als der Schieber in der Tür sich öffnete und der Wasserkrug hineingereicht wurde, überwand ich mich und rief um Erbarmen. Bisher war mein Kerkermeister stumm gewesen. Nie vernahm ich einen Ton. Auch jetzt folgte keine Antwort, sondern nur ein heiseres Lachen, das mir durch Mark und Beine fuhr. Ich kannte dieses Lachen. Es gehörte der Altmagd Martha, einer der Bauernmägde, die voll Grimm für mich erfüllt war und mich haßte, weil ich einmal im jugendlichen Uebermut sie um ihrer Häßlichkeit willen verspottete. Ich, die schöne Christine, nannte das Scheusal einen häßlichen Drachen. Ich nannte sie einen Mistkäfer, der sich auf eine Rose zu setzen wagte. Sie trug es mir nach und jenes Lachen sagte mir, daß sie es noch nicht vergessen hatte. Jetzt schwand die letzte Hoffnung. Ich bat Gott um die Gnade, mich sterben zu lassen. Ich wollte keine Freiheit, kein Leben, nur den Tod.«

      »Ich fühle es mit Ihr, daß man in solcher Lage nach dem Tode rufen kann!« sagte Jungfer Mewes bewegt.

      »Mit Seelenangst rief ich den Tod, allein er kam nicht. Vielmehr regte sich ein neues, junges Leben in mir. Ich will es Ihr nicht beschreiben, was ich nun empfand. Ich kann es auch nicht, denn ich erinnere mich an nichts, was in jenen entsetzlichen Stunden mit mir vorging. Ich weiß nur, daß ich aus einem dumpfen Traum zu unsäglichen Schmerzen aufschreckte und ein neugebornes Kindlein in meinen Händen hielt.«

      »Allmächtiger Gott!« schrie Jungfer Mewes auf.

      »Das rief ich auch und war nahe daran, den Verstand zu verlieren, als das arme Geschöpf schrie und mit seinen Klagetönen mein Herz zerriß. Wüste Gedanken erwachten, vor denen ich erbebte. Da rüttelte es an der Tür und die widerliche Stimme der Altmagd fragte: »Was ist da drinnen los, Sie garstige Person?« Es war um die Zeit, da man mir mein Brot und meinen Wasserkrug zu bringen pflegte und sie hatte bei dem Oeffnen des Schiebers das Wimmern des Kindes vernommen. Ich rang nach einer Antwort; umsonst. Die Worte wollten nicht über die Zunge. Sie wartete auch meine Antwort gar nicht ab, sondern entfernte sich, so schnell sie konnte, nicht langsam und gemessen, wie sonst geschah, um mich mit ihrem schlürfenden Gang zu höhnen; denn so lange ich sie hörte, regte sich immer etwas, wie ein banges Hoffen in mir, sie könne umkehren und mich erlösen. Erst wenn es wieder ganz still war, kehrte die düstere Verzweiflung zurück.«

      Jungfer Mewes sagte nichts. Aber die Furcht malte sich in ihren Zügen und mit Beben sah sie auf die bleiche Frau am Herdfeuer.

      »Nun weiß ich nichts Gewisses mehr,« fuhr jene nach einer Pause fort. »Ich erinnere mich nur noch dunkel, daß es um mich summte, wie ein verworrenes Gespräch, doch habe ich kein Wort davon behalten. Ich habe es vor meinen trüben Augen flimmern sehen, wie Licht, allein es schwand wie ein Blitz und war dann dunkler als zuvor. Als ich mein Bewußtsein wieder erhielt, fand ich mich auf einem Bette wieder. Es war derselbe dunkle Keller, in welchem ich atmete, allein die Barmherzigkeit hatte mir dies Lager gegönnt und ich war von dieser einen Wohltat so erfüllt, daß ich meine Peiniger segnete. Aber mit dem Bewußtsein kehrte auch die Erinnerung wieder und mit dem Schrei: »Mein Kind! Mein Kind!« stürzte ich gegen die Tür. Hatte mein Kerkermeister auf diesen Schrei gewartet oder war es Zufall, daß sie gerade gegenwärtig war. Die Martha beantwortete mein verzweiflungsvolles Rufen mit ihrem teuflischen Lachen und sagte: »Dein Kind ist dir genommen und soll in der Furcht des Herrn, in Gebet und Armut auferzogen werden, um die Sünden der Mutter. Du wirst es niemals wiedersehen.«

      »Das ist schrecklich! Was hat Sie Aermste erdulden müssen!«

      »Keine Zunge mag es verkünden, auch die meinige nicht. Die Schreckensworte jenes Weibes klingen noch immer in meinem Herzen wider. Es waren zugleich die letzten, welche ich von ihr vernahm. Auch weiß ich sonst nichts von mir zu sagen. Ich war stumpf geworden und vermochte nichts zu denken, noch zu tun. So gewohnt war ich meine tödliche Einsamkeit, daß ich vor Schreck zusammenfuhr, als eines Tages der Schieber sich öffnete und eine Stimme, die mir fremd erklang, rief: »Ist noch ein lebendes Wesen hier, oder komme ich zu spät?«

      »Der Rettungsengel!« rief Jungfer Mewes laut auf.

      »Die СКАЧАТЬ