Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen - Heinrich Smidt страница 16

СКАЧАТЬ kamen noch ein paar andere Jans zum Vorschein und die Aufforderung, seinen Zunamen zu nennen, erging an den zuerst Befragten aufs neue.

      Er schwieg betroffen und ward blutrot im Gesicht. Von dem Augenblicke an, da er denken konnte, bis zu dieser Minute war er Jan genannt worden. Es war ihm nicht in den Sinn gekommen, daß er auch noch einen andern Namen haben müsse. Die alte Möllern, die täglich mit ihm schalt und zankte, war mit diesem Namen zufrieden gewesen. Auf der Werft hatte keiner nach einem andern verlangt. Auch Vater Pfingstmeier, der Schenkwirt, bei dem ihn der Baas von der Neptunswerft unterbrachte, verlangte keine nähere Bezeichnung, sondern hatte ihm beim Fortgehen zugerufen:

      »Jan! Jan! Morgen wird das Kostgeld für dich zuletzt bezahlt; also sieh zu, daß du dich heute irgendwo unterbringst, sonst geht es dir schlecht!«

      So war Jan von dem Grasbrook weg und in die Stadt gegangen, um zu suchen, was er selbst nicht recht wußte. Statt dessen fand er eine Menge ungewisser Kameraden und vermißte etwas, was er bis zu dieser Stunde nicht entbehrt hatte: einen Namen.

      Das bedenkliche Schweigen fiel allgemein auf. Die Straßenjungen, die vor keinem tollen Streiche zurückbebten, sahen ihn von der Seite an, und mehrere Vollbärtige zogen sich unwillkürlich zurück. Sie schauten sich gegenseitig an und sahen erwartungsvoll auf, als einer fragte:

      »Hast du denn keinen andern Namen, als diesen einen?«

      »Nein,« entgegnete er, und ein leises Fürchten kam über ihn. »Einen andern habe ich nicht. «

      »Wer ist denn dein Vater?« fragten die Knaben.

      »Ich habe keinen Vater!« sagte Jan tonlos und mit niedergeschlagenen Augen. »Die alte Frau Möller ...«

      »Ist sie deine Mutter?« unterbrach ihn jemand.

      »Ich war ihr Kostkind,« gab Jan zur Antwort. »Aber das bin ich nun auch nicht mehr.«

      »Dann bist du gar nichts!« sagte einer der Kecksten in der Schar, »und kannst auch nichts werden, denn kein Meister nimmt einen Jungen in die Lehre, der nicht von rechtlichen Eltern geboren ist.«

      Jan zitterte. Die hellen Tränen stürzten ihm aus den Augen.

      Dieser Auftritt machte einem sonst ziemlich zaghaften Buben Mut und er fragte, sich dem Weinenden nähernd:

      »Wo bist du denn eigentlich her? Hat dich der Storch aus der Elbe gefischt, oder bist du geradeswegs vom Himmel heruntergefallen?«

      Da stockten die Tränen, da hob sich das gesenkte Auge. Die Adern schwollen an und den unverschämten Frager schüttelnd, daß ihm der Atem verging, rief er mit einem Tone, wie man ihn von einem Burschen seines Alters nicht zu hören vermutete:

      »Wenn du das noch ein Mal sagst, bringe ich dich um!«

      »Laßt ihn gehen!« sagte einer. »Wir wollen ihn nicht unter uns haben. Da er keinen Namen hat, kommt er nirgends an und die Werkstätten haben Frieden vor ihm. Er kann Stadtsoldat werden.«

      »Oder Komödiant!« rief ein anderer. »Das ist, wie mein Vater sagt, verkommenes und verdorbenes Volk, das keinen Namen hat und keinen braucht. Hörst du, Jan Kostkind? Geh in die Holzbude und lasse dich anwerben.«

      Fort waren sie, wie vom Winde weggeblasen. Jan sah ihnen nach und näherte sich darauf unwillkürlich der Holzbude, ohne zu wissen, was er dort wollte. Er stand davor, beide Hände in den Taschen und gaffte sie an.

      Auf dem Theater selbst, über welches sich das Dach der Holzbude wölbte, herrschte eine augenblickliche Verlegenheit. In der Hauptszene des triumphierenden Hamburgs war ein massenhaftes Volksgedränge vorgeschrieben, allein die Zahl der vorhandenen Statisten war so gering, daß auch der umsichtigste Regisseur nicht vermocht hätte, die Vorschrift des Dichters in Ausführung zu bringen. In diesem kritischen Moment flog ein zündender Gedanke durch das Gehirn des Direktors. Er sandte seinen Theatermeister und dessen Gehilfen auf die Straße, die umherstreifenden großen und kleinen Müßiggänger aufzufordern, unter dem Versprechen eines freien Entrees die Rolle eines begeisterten Hamburgers zu spielen. Gesegnet war der Erfolg und ein toller Schwarm halb verlumpter, halb verwegener Gesellen tobte mit einem ohrenbetäubenden Geschrei auf den Brettern umher. Keine noch so raffinierter Regie, kein noch so erfahrener Garderobenmeister hätte einen in allen Beziehungen ausdrucksvolleren Pöbelhaufen abrichten und einkleiden können, als ihn hier der Zufall wie von selbst in Szene setzte.

      Die Abendstunde brach an. Die große Glocke in dem Holzgerüste neben der Theaterbude verkündete die fünfte Stunde. Das war der Anfang der Vorstellung, die sich um einige Minuten verzögerte, weil das schaulustige Publikum im Zuströmen begriffen und die Ruhe in dem Zuschauerraum noch lange nicht hergestellt war.

      Frau Rosmarin, welche die Göttin Hammonia vorzustellen hatte, erschien in einem langen weißen Gewande. Ein goldschimmerndes Diadem schmückte die Stirn und auf der Brust prangte das Wappen der Stadt. Nicht zufrieden mit diesen originellsten aller Götter-Attributen, näherte sich ihr der Requisitenmeister und drückte ihr mit einem vielsagenden Blick einen Merkurstab in die Hand, um dadurch anzudeuten, daß Merkur der Gott der Kaufleute sei und er daher seinen Stab der Frau Hammonia gern als ein gebietendes Zepter überreiche.

      Unter den freiwillig und unfreiwillig zum Komödiantenspiel Entbotenen war auch Jan. Wie ein Träumender ging er, wohin man ihn schob. Die Dämmerung, welche auf der Bühne und hinter den Kulissen herrschte, übten eine seltsame Herrschaft über ihn aus. Die mannigfachen hier und dort angebrachten Verzierungen und Transparente erweckten in ihm die wunderbarsten Vorstellungen. Alles war ihm fremd und nur mit einer gewissen Scheu näherte er sich den ihm unbekannten Gegenständen.

      Da wurde es lichter auf der Szene. Der Hintergrund der Bühne, bis dahin finster, glänzte hell und Jan schrie laut vor Entzücken. Auf den papiernen Wellen wiegte sich das Modell eines großen Dreimasters. Mit leuchtenden Augen musterte er den ihm wohlbekannten Gegenstand. Aber eben so rasch umwölkte sich die Stirn und mit dem Rufe: »Der Wimpel ist unklar!« war er am Bord und begann den großen Mast zu erklettern.

      Das leicht zusammengezimmerte Modell geriet in ein bedenkliches Schwanken. Der Theatermeister schrie um Hilfe und warf dem kecken Burschen die zusammengeballte Mütze nach. Der Zimmergesell, welcher dies Kunstwerk geschaffen, schwur, dem Enterer den Hals umzudrehn, während der Direktor mit seiner Donnerstimme befahl, den Vorhang nicht eher aufzuziehen, bis der Skandal beseitigt sei. Aber zu spät. Das Zeichen war gegeben und das versammelte Publikum sah den mit Flaggen verzierten Dreimaster, dessen Großmast ein strammer Schiffsjunge bevölkerte, was einen anwesenden Steuermann zu der Bemerkung veranlaßte, daß das Schiff wohl mit Nächstem in See gehen werde.

      Mit großem Wohlbehagen blieb Jan auf seinem Platze. Der Wimpel konnte nicht geklart werden, denn es war kein natürlicher, sondern ein gemalter, den die Unkenntnis des Künstlers in diese schiefe Stellung brachte. Jans Augen waren überall und wenn die auf den Brettern versammelte Menge ein Hurra anstimmte, erklang sein Rufen über alle andern hinaus.

      Da nahte die Katastrophe. Frau Rosmarin hatte das triumphierende Hamburg dreimal hochleben lassen und sollte nun das Schiff zur bevorstehenden Glücksfahrt einsegnen. Jan sah, wie sie sich ihm näherte und es deuchte ihm, als habe er eine Erscheinung. Das Gesicht war ihm bekannt und doch erinnerte er sich nicht, daß er es vorhin auf der Straße gesehen hatte.

      Plötzlich verbreitete sich ein heller Schein. Es war die Glorie, welche die Hammonia bei ihrem Segenswerke umstrahlen sollte, und der Haupttreffer des Abends. Das Publikum jubelte auf und klatschte Beifall, als die Katastrophe eintrat. Der Beleuchtungsapparat ward СКАЧАТЬ