Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt
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Читать онлайн книгу Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen - Heinrich Smidt страница 19

СКАЧАТЬ Lohnes zu ihrer Gehilfin abgerichtet. Die junge Dirne war schlau und gelangte in den Besitz des Geheimnisses. Ihr redliches Herz empörte sich, allein sie schwieg, um desto sicherer einer Unglücklichen beizustehen. Da trat der Todesfall ein und mein entsetzliches Los wendete sich. Die junge Magd setzte sich zu mir nieder und erzählte mir alles. Sie brachte mir nahrhafte Speise und trug mir alte Kleider zu, um meine Blöße zu decken. Ich küßte weinend ihre Hände und fragte mit unterdrücktem Schluchzen nach meinem Kinde. Sie wußte nichts davon. Es war wieder die alte Nacht. Da öffnete sich nach einiger Zeit die Tür meines Gefängnisses. Meine Retterin erschien und flüsterte mir zu: »Die Stunde der Vergeltung bricht an. Eure Muhme, die Frau Janna Straußin ringt mit dem Tode, aber sie kann nicht sterben. Das böse Gewissen martert sie. Geht hinauf zu ihr und predigt ihr Buße. Der Weg ist frei.« Ich erhob mich und stand auf meinen Füßen. Sie schmerzten, so wenig waren sie gewöhnt, die geringe Last zu tragen. Auf der Treppe war die Lampe stehen geblieben. Ich folgte ihrem Schimmer und stieg mit unsäglicher Mühe hinauf. Als das volle Licht des Tages meine Augen traf, stand ich, wie geblendet. Ich erkannte die große Diele, an deren Ende die Schenkstube lag, wo die Biergäste verkehrten. Mein Erscheinen rief ein allgemeines Erschrecken hervor. Man floh vor mir und weckte mit wüstem Geschrei die Aufmerksamkeit der andern. Keiner wagte es, mich anzurühren, allein mit einer Mischung von Furcht und Neugier folgten sie mir, als ich die Treppe hinaufging. Ich hatte mich wiedergefunden und wußte, wohin ich mich wenden müsse, um zu meiner Quälerin zu gelangen. Die Magd, welche mir zur Freiheit verholfen, stand vor ihrer Tür. Sie öffnete diese und entfernte sich, ohne die Leute, welche mir gefolgt waren, zurückzuweisen. Da lag das böse Weib, bleich, abgezehrt, vom Fieber geschüttelt. Die Krankheit hatte den bösen Zug, der ihr Inneres widerspiegelte, nicht aus dem Gesicht getilgt; er trat nur noch schärfer hervor. Sie fuhr bei meinem Eintritt auf und rief:

      »Wer ist da?«

      »Ich bin es! Christine Ramke, deines jüngern Bruders Kind, die du verderbt hast und die jetzt erscheint, um Rechenschaft zu fordern.«

      »Hilfe! Hilfe!« schrie sie laut auf.

      »Hier ist niemand, der dir zu Hilfe kommt,« entgegnete ich. »Dein Verbrechen ist so groß, daß keiner Erbarmen mit dir hat und dir eine helfende Hand reicht.«

      »Willst du mich töten?« fragte sie erschreckt und hüllte sich in ihre Decke.

      »Ich will dich anklagen vor Gott und Menschen, daß du mir ein ganzes Leben gestohlen hast und mich in dunkler Haft gefangen hieltest, ich weiß nicht, wie lange. Du hast mich in der Blüte der Jugend gemordet, hast mir ein ganzes reiches Leben gestohlen und das Pfand einer Ehe, die du gewaltsam trenntest, von meinem Herzen gerissen.«

      Frau Janna Straußin seufzte schwer und suchte sich mit Gewalt aufzurichten, oder doch ihr Gesicht von mir abzuwenden, allein es wollte ihr nicht gelingen. Sie stierte mich mit ihren glanzlosen Augen an und ich rief ihr zu:

      »Wo hast du meinen Gatten hingelockt und in welcher Hölle schmachtet er? Sage es, damit ich eile, ihn daraus zu erlösen.«

      Sie blieb stumm. Der Schrecken der ersten Ueberraschung wich und die Heimtücke, die dieses Weib erfüllte, malte sich auf ihrem Gesicht:

      »Dein Buhle ist tot!« rief sie mir zu. »Erst wenn du ihm folgst, ist die Familienschande begraben.«

      Mir aber war es, als rufe eine Stimme laut und vernehmlich in mir: »Dein Kind! Unglückliche Mutter, wo ist dein Kind!« Und diese Worte mit steigender Angst wiederholend, stürzte ich mich auf das mich in meinem Jammer höhnende Weib, ich faßte sie mit beiden Händen und wiederholte den Ruf: »Wo ist mein Kind? Wo hast du es gelassen?«

      Sie stöhnte unter meinem Druck. Die Hausleute, welche mir folgten, fürchteten das Entsetzlichste. Sie rissen uns auseinander. Meine Kraft, die ich im vorhergehenden Augenblick auf das Aeußerste anspannte, verließ mich. Machtlos sanken die Arme herab und mit ermattender Stimme sprach ich:

      »Weib! Vor Gott und Menschen beschwöre ich dich, ende diese Pein! Willst du mir sagen, wo mein Kind ist?«

      »Nein!« gab sie zur Antwort. »Nein!«

      Und mit diesen Worten fiel sie zurück. Mit diesen Worten schwand auch meine Besinnung.«

      »Helf Gott!« stöhnte Jungfer Mewes und versuchte umsonst, die verlöschende Lampe wieder aufzustochern. «Macht ein Ende mit dieser gräßlichen Geschichte.«

      »Sie ist am Ende!« sagte die Schauspielerin. »Ich lag bewußtlos am Boden. Als ich meine Besinnung wieder erhielt, erfuhr ich, daß ich nach dem Hospital zum heiligen Geist gebracht wurde. Die Körperkräfte kehrten allmählich zurück. Der Doktor erklärte mich für genesen und ich wurde entlassen. Meine Füße trugen mich wieder, allein mein Geist war gebrochen und es dauerte lange, ehe ich eines klaren Gedankens fähig wurde.«

      »Lasse Sie mich das Feuer anfachen, Frau!« sagte Jungfer Mewes. »Mir wird bange in dieser Finsternis.«

      Der Schwefelfaden fing Feuer an den glimmenden Funken in der Zunderbüchse. Eine Hand voll Hobelspäne flammte hell auf und warf einen rötlichen Schimmer auf das bleiche Gesicht der Schauspielerin. Diese sprach vor sich hin:

      »Die frische Maienblüte ist zum welken Rosmarin geworden. Ich konnte keine Wiedervergeltung üben, denn als ich zum Bewußtsein erwachte, war jenes böse Weib gestorben und begraben. Lachende Erben saßen in ihrem und meines Oheim Lorenz Häusern und schwelgten in dem ihnen zugefallenen Gut. Sie lachten über mich und meine Ansprüche. Sie schlugen mir die Tür vor der Nase zu und die Gerichte wiesen mich mit meiner Klage ab, denn ich konnte nichts beweisen. Ich sei gesund, hatte der Doktor im Hospital gesagt, als er mich gehen hieß. Der Blinde! Ich war kränker als jemals und erduldete Schmerzen, von denen ich vorher keine Ahnung hatte. Trostlos irrte ich auf der Straße umher. Ich hätte mitten in meiner reichen Vaterstadt verhungern müssen, wenn nicht ein mitleidiger Schauspieler sich meiner in meinem Elend angenommen hätte. Er bot mir ein Obdach und nahm mich mit zu der Truppe, welcher er angehörte. Und mit ihm bin ich zuletzt hierher gelangt und atme in der Heimat unter meinen Landsleuten, von denen niemand weiß, wer ich bin, als nur Sie allein.«

      Frau Rosmarin verstummte. Der Kopf senkte sich auf die Brust herab. Die Augen schlossen sich. Der Schlaf bewältigte sie unwillkürlich.

      »Ich will ihr einen warmen Trunk bereiten,« sagte die Jungfer Mewes zu sich selbst. »Die Aermste! Was sie ausgestanden haben muß. Und wie sie das alles vorzubringen weiß. Ich wäre nicht imstande, das so zu erzählen.«

      Mit der Schale voll dampfenden Warmbiers stand sie vor der sich eben Ermunternden und nötigte mit gutgemeinter Hast zum Genuß:

      »Sie muß gleich zur Probe. Es ist spät geworden und ich weiß, Sie läßt nicht gerne auf sich warten. Wird Ihr auch übel vermerkt von dem Direktor.«

      Frau Rosmarin leerte die Schale, welche sie mit einigen Dankesworten zurückgab und eilte nach dem Theater, wo eine Probe angesagt war. Sie erschien ziemlich früh und von den Kollegen war noch niemand anwesend. Aber Jan, der am Abend vorher die glimmenden Funken austrat und vielleicht ein großes Unglück verhinderte, tummelte sich bereits auf dem neuen Schauplatz umher und ließ sich von einem gutmütigen Theaterarbeiter alle ihm unbekannten Dinge erklären. Frau Rosmarin erblickte den Knaben und rief ihn zu sich. Mit seinen hellen, lachenden Augen sah er zu ihr auf:

      »Ich darf hier bleiben. Der Mann im braunen Rock mit den großen gelben Knöpfen hat es gesagt.«

      Ein Theaterarbeiter trat herzu und sagte ergänzend: »Herr Direktor Veltheim will dem Jungen, der uns gestern vor einem Unglück bewahrte, die Kost geben und ihn СКАЧАТЬ