Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt
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СКАЧАТЬ dich fortan gut auf und werde ein tüchtiger Kerl, das ist der beste Dank, den du mir sagen kannst.«

      »Das will ich!« rief Jan ihm nach und wandte sich dann an den Wirt:

      »Nun, Vater Pfingstmeier, das ist wohl das erste Mal, daß ich die Füße unter Euern Tisch stecken darf? Dafür sollt Ihr aber auch Euer Wunder erleben.«

      »Das glaube ich!« entgegnete jener, und folgte dem voraneilenden Burschen mit einem Seufzer in das Haus.

      Der weitere Schauplatz, auf welchem dieses Drama sich entwickelt, bot einen Anblick dar, von welchem die Gegenwart keine Ahnung hat. Der große Neumarkt war bei weitem noch nicht bebaut. Zwischen den einzelnen Häusern lagen wüste Stellen, teilweise als Gartenland benutzt. Von der Mitte des Platzes aus ging ein Heerweg, der nach dem Innern der Stadt führte und der, weil er mit großen Steinen gepflastert war, der alte Steinweg hieß. Nach der entgegengesetzten Richtung hatte man einen zweiten Heerweg angelegt, der sich bis mach Altona hinzog und der neue Steinweg genannt wurde.

      Drei Merkwürdigkeiten zeichneten diesen Platz aus. Die erste war ein großer hölzerner Glockenturm, worin während des Baues der Michaeliskirche die Glocken derselben hingen. Die zweite war ein hohes, spitzgiebeliges Haus mit düstern Mauern und einer schwarzen Figur über dem Eingange. Dies deutete an, daß es die Apotheke zum schwarzen Mohrian sei, welche zugleich die erste in der ganzen Stadt war.

      Das dritte war eine große, hölzerne Bude, welche im Norden des Marktes, unfern von dem Heerwege stand. In demselben befand sich ein geräumiges Theater, auf welchem die vielbekannte Veltheimsche Truppe viermal in der Woche eine jener seltsamen dramatischen Ungeheuer zur Welt brachte, die mit dem Bajazeth und dem Tamerlan begannen und mit dem Arlequin und der Colombine endeten.

      An einem dieser Tage hatte der Prinzipal dieser Truppe die allgemeine Aufmerksamkeit besonders erregt, indem derselbe ein Festspiel geschrieben hatte, welches den Titel führte: »Das triumphierende Hamburg, oder der Friedensengel, welcher die Hammonia bekränzt, einem hochedlen Rat zu Ehren in Verse gebracht und mit angenehmen Melodien versehen. Auch mit absonderlichen Transparenten und reichen Anzügen ausgeziert.«

      »Das muß ich sehen!« sagte ein Vorübergehender zu seinem Begleiter, der den prunkenden Anschlagzettel gelesen hatte. »Das triumphierende Hamburg! Nun das versteht sich! Hamburg spielt immer den Trumpf aus!«

      »Nimm nur den Mund nicht so voll und stehe andern Leuten nicht im Wege!« fiel sein Begleiter ein und zog ihn auf die Seite. »Dir brennen auch wohl wieder die Vierschillingsstücke in der Tasche, daß du sie den Komödianten hinwerfen willst? Wenn es deine Frau hört ...!«

      »Die braucht nichts davon zu wissen. Sie ist aus Sankt Georg gebürtig und hat für das triumphierende Hamburg kein Herz. Die Sankt Georger sind alle so. Gewöhnliche Butenminschen. Allein ...«

      Das weitere verhallte im Gedränge.

      Ein Trupp Winkeljungen stürmte heran. Er nahm die halbe Breite des Platzes ein. Die Knaben hatten sich bei der Hand gefaßt und bildeten eine vielfach gegliederte Kette, die alles mit sich fortriß, was ihr auf ihrer Wanderung in den Weg kam. Alle schrien auf, die mit in den Strom hineingerissen wurden, am meisten die alten Mütterchen und hilflosen Mädchen. Aber je lauter ihr Geschrei, um so betäubender wurde der Lärm der Winkeljungen. Sie stürmten gegen die große Theaterbude an. als gälte es, dieselbe im Sturm zu nehmen und das triumphierende Hamburg, welches eben auf den schwankenden Brettern erbaut wurde, in die äußerste Gefahr zu bringen.

      Eine einfach gekleidete Frau, welche der Richtung nach von dem Krayenkamp herunterkam, befand sich, als die ringelnde Schlange eine Wendung nach der entgegengesetzten Richtung machte, in der augenscheinlichsten Gefahr, über den Haufen gerannt zu werden. Sie sah sich nach allen Seiten ängstlich um und suchte vergeblich, sich dem drohenden Verhängnis zu entziehen.

      Es war eine ältliche Frau. Das Gesicht erschien bleich, aber von unbeschreiblicher Anmut. Um die Lippen zeigte sich ein Zug wehmütiger Trauer. Ein Vorübergehender, im Rücken der fort und fort vibrierenden Schlange, erkannte sie und rief ihr zu:

      »Frau Rosmarin, nehme Sie sich in acht, werteste Kollegin! Mache Sie eine desperate Wendung.«

      Es war ein Mitglied dir ehrsamen Veltheimschen Truppe, der sich eben zur Probe nach der hölzernen Bude begab, welcher seiner Kollegin, die sich zum gleichen Zwecke einfand, die gutgemeinte Warnung zurief.

      Aber diese Warnung fruchtete wenig und Frau Rosmarin wäre der züngelnden Schlange zum Opfer gefallen, wenn nicht zwei Glieder derselben hinterrücks von kräftigen Händen ergriffen und niedergeworfen worden wären. Durch dies entschlossene Manöver wurde die Kette in zwei Hälften gesprengt und fiel nach beiden Seiten hin auseinander.

      Frau Rosmarin, welche, kurz vor dem bedrohlichen Umsturz, die Straße frei vor sich liegen sah, nickte dem jungen Burschen, der diese Tat wagte, freundlich zu, und sagte:

      »Danke dir, mein Söhnchen! Du hast mir einen guten Dienst geleistet, den ich dir gern lohnen möchte.«

      Sie machte Miene, in den Beutel von halbverschossenem roten Wollenzeuge zu greifen, der an ihrem Arm hing, allein errötend ließ sie davon ab. Sie mochte sich zur rechten Zeit erinnern, daß sie ihrer Hand eine vergebliche Arbeit zumutete, denn die Gage war nur gering und der Zahltag des Direktors nicht stets im voraus bestimmt.

      »Dafür nehme ich nichts!« rief der Bursche der Frau Rosmarin nach, die sich nochmals nach ihm umblickte und ihm freundlich zunickte.

      »Was für ein lieber Knabe ist das!« sagte sie im Weitergehen. »Mir ging bei dem Anblick ordentlich das Herz auf. Ich hätte ihn nach seinem Namen fragen sollen; ich will es noch ...«

      Aber als sie diesen Entschluß faßte, war es zu spät, ihn auszuführen. Die tobenden Jungen hatten den Retter aus Gefahr von allen Seiten eingeschlossen und machten keine Miene, ihn sobald der Haft zu entlassen.

      Die Lage des kecken Jungen war anfangs keine unbedenkliche. Allein die Unerschrockenheit, die er zeigte und die Raschheit, womit er jedes wüste Wort mit noch einem wüsteren zurückschlug, erwarb ihm Freunde, die sich offen zu ihm schlugen, als er empört ausrief:

      »Pah! Zwanzig über einen, das ist Hundeart. Da klaffen auch ihrer drei oder vier hinter einer verstürmten Katze her. Aber einer gegen einen! Mann gegen Mann, ist echter Straßenjungen Art, sonst würde sich wohl einer unter euch finden, der den Mut hätte, mit mir es zu wagen.«

      Es fand sich ein solcher; so wie ein zweiter und dritter. Als der vierte, tüchtig zerzaust, auf dem Steinpflaster lag, brach die ganze Schar in ein lautes Freudengeschrei aus und rief ihm zu:

      »Genug! Genug! Du kannst bei uns bleiben und sollst dabei sein, wenn wir mit denen von den Vorsetzen und vom Stubenhuk her zusammenstoßen. Davon soll keiner ohne blaue Augen und geschwollene Nase heimkommen.«

      Der Bursche mit dem muntern Blick und den flinken Händen befand sich inmitten einer lustigen Kameradschaft, die ihre Zärtlichkeit durch vielfache Stöße und Püffe an den Tag legte. Jeder sprach mit ihm, jeder wollte eine Antwort, bis zuletzt einer fragte:

      »Wie heißt du denn?«

      »Jan!« war die Antwort.

      »Jan!« entgegnete jener. »Ich heiße auch Jan, aber noch etwas dazu. Jan Bremer heiße ich, wie mein Vater und der da heißt Jan Lorenzen: Und du, wie heißt du?«

      »Jan Thiemer!« СКАЧАТЬ